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Saarbrücken will den "WM-Titel"

8. Juni 2020

Es ist das größte Spiel seit 35 Jahren für den 1. FC Saarbrücken. Der Viertligist empfängt Bundesligist Bayer Leverkusen im DFB-Pokal-Halbfinale. Ist Saarbrücken chancenlos? Keineswegs, wenn es nach den FCS-Fans geht.

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Saarbrücken Fans vor DFB-Pokal
Bild: DW/T. Klein

Die Fenster sind geputzt, das Wappen des 1. FC Saarbrücken steht auf einem der Stehtische und die Fan-Schals hängen wie kleine Trophäen an der Wand des Klubhauses der "Panteras Negras", eines Fanklubs des 1. FC Saarbrücken. Vor dem wichtigen DFB-Pokalspiel gegen Bayer Leverkusen am Dienstag gibt es viel zu diskutieren. Mal lauter, mal etwas leiser. Aber immer mit dem gebotenen Abstand. Denn wegen der Corona-Pandemie sind momentan noch keine großen Fan-Treffen erlaubt, und auch das Halbfinal-Duell gegen den Bundesligisten wird ohne die treuen Anhänger des FCS stattfinden.

"Das ist ganz, ganz schlimm", sagt Gerd Heinzkill vom Fanklub "FCS-Onkelz" und erklärt: "Wir Fans hier in Saarbrücken sind alle verrückt und unterstützen unsere Mannschaft im Stadion immer zu einhundert Prozent. Und dass wir jetzt nicht mit dabei sind, ist ganz großer Mist. Da blutet das Herz." Seine anwesenden Leidensgenossen nicken zustimmend. Beim größten Spiel der letzten Jahrzehnte ist die Mannschaft von Trainer Lukas Kwasniok also auf sich alleine gestellt.

Letztes Pflichtspiel vor drei Monaten

Dabei hatte man sich das ganz anders vorgestellt: "Es sollte ein Festtag für Saarbrücken, ein Festtag für das Saarland und ein Festtag für uns werden. Wir wollten gemeinsam mit den Fans die Sensation schaffen und jetzt versuchen wir, es irgendwie alleine zu schaffen", sagt Saarbrückens Coach. Der 38-Jährige steht vor der größten Herausforderung seiner noch jungen Trainer-Karriere.

Fussballtrainer Lukas Kwasniok
Aufstieg in die 3. Liga und DFB-Pokal-Halbfinale: Saarbrückens Trainer Lukas Kwasniok Bild: picture-alliance/dpa/O. Dietze

Auch weil es seinem Team an Spielpraxis mangelt, denn das letzte Pflichtspiel bestritt seine Mannschaft am 7. März. Seither versucht der FCS unter Wettkampfbedingungen zu trainieren, weil auch Testspiele derzeit nicht möglich sind. Denn aufgrund der Corona-Pandemie wurde die Regionalliga-Saison Ende Mai abgebrochen, Saarbrücken steigt als Tabellenführer in die 3. Liga auf. "Wir haben sechs Jahre darauf gewartet und es ist natürlich traurig, dass wir nicht dabei sein konnten", sagt Bernd Gauer, Vorsitzender des Fanklubs "1. FCS Fankultur 1976", fügt aber hinzu: "Besser wir haben es geschafft und sind nicht dabei, als wenn wir dabei gewesen wären und hätten es wieder nicht geschafft. Wir sind froh, dass wir endlich aufgestiegen sind."

Eine Familie

Für den Traditionsverein aus der saarländischen Landeshauptstadt geht es nach langer Durststrecke also endlich wieder bergauf. Und wenn Bernd - im Saarland nennt man sich beim Vornamen, unter Fußballfans sowieso - die vergangenen Jahrzehnte Revue passieren lässt, muss er tief durchatmen. Neben großen Spielen gegen diverse Bundesliga-Klubs haben er und seine Kollegen nämlich auch unzählige Partien auf kleinen Dorfplätzen gesehen - und manchmal regelrecht ertragen müssen. "Wenn man einmal sein Herz an einen Verein verloren hat, dann bleibt man auch treu. Egal, wo die Reise hingeht", erklärt Bernd, der seit 1976 mit seinem FCS mitfiebert - ob in der fünften oder ersten Liga.

Fußball Regionalliga 1. FC Saarbrücken vs FC Homburg
Einlauf im Hermann-Neuberger-Stadion in Völklingen, wo der FCS wegen des Umbaus des eigenen Stadions aktuell spielt Bild: Imago Images/Becker&Bredel

Der Fußball in Saarbrücken hat eine große Tradition. Der Verein gehörte im Jahr 1963 zu den Gründungsmitgliedern der Bundesliga, spielte und besiegte als erstes deutsches Team Real Madrid, gewann im Europapokal gegen den AC Mailand und schoss einst den FC Bayern München mit 6:1 aus dem Stadion. Doch diese Zeiten sind längst Geschichte. Das letzte Spiel in der obersten deutschen Spielklasse ist 27 Jahre her. Seither erlebt der Saarbrücker Fußball ein ständiges Auf und Ab. Dennoch besuchten selbst bei den Spielen in der Regionalliga durchschnittlich rund 3000 Zuschauer das Stadion. "Wir sind eben wie eine große Familie", erklärt Bernd. 

Bilanz gegen Leverkusen positiv

Oberbürgermeisterwahl Saarbrücken - Uwe Conradt
Saarbrückens Oberbürgermeister Uwe Conradt betont die enorme Wichtigkeit des SpielsBild: picture-alliance/dpa/O. Dietze

Der Zusammenhalt rund um den Klub aus dem Saarland ist groß. Kurz vor dem Pokal-Duell mit Leverkusen wurden vor dem Rathaus die Fahnen ausgetauscht. Nun wehen zwei große FCS-Fahnen und weisen unmissverständlich auf die Wichtigkeit des DFB-Pokalspiels hin. "Der Fußball ist wie ein Gradmesser für diese Region. Er steht für das Auf und Nieder, für Freude und Leid, so wie der 1. FC Saarbrücken mit seinen Auf- und Abstiegen", sagt Saarbrückens Oberbürgermeister Uwe Conradt (CDU) im DW-Interview. "Der FCS steht symbolisch für eine Region, die sich aufbäumt und die sagt: Wir sind da, und nehmt uns auch ernst!"

Wie ein WM-Titel

Nach dem Aufstieg in die 3. Liga soll nun das Spiel gegen Bayer Leverkusen das bisher sportlich perfekte Fußballjahr abrunden. Das Team von Trainer Kwasniok kann mit dem Einzug ins Finale des DFB-Pokals Geschichte schreiben. Auch ohne die Unterstützung auf den Rängen im Stadion der Nachbarstadt Völklingen, wo der FCS spielt, weil sein eigenes Stadion umgebaut wird. "Wir wissen nicht, wie es werden wird", sagt der Trainer: "Dennoch habe ich die kleine Befürchtung, dass wir im Fall der Fälle den Abstandsgeboten nicht mehr Folge leisten können."

Zumindest für die Stadt Saarbrücken hat der Oberbürgermeister die Sperrstunde auf Mitternacht verlegt, sodass die Fans auch bei einem eventuellen Elfmeterschießen in den Kneipen weiter mitfiebern könnten, denn ein Sieg wäre "so ähnlich, als wenn Deutschland Fußball-Weltmeister wird", sagt OB Conradt: "Da kann ich mir schon vorstellen, dass durch diese Stadt und die ganze Region ein Freudenschrei gehen wird."

Ein Brief zur Motivation

Der Traum lebt. Auch bei Bernd und den anderen Fans, schließlich hat man gegen den Bundesligisten aus dem Rheinland eine vorzeigbare Bilanz. "Wir haben gegen Leverkusen zu Hause bisher alle Spiele gewonnen und insgesamt auch nur eine Partie gegen Bayer verloren", sagt Bernd. Ein leichtes Grinsen kann sich der 56-Jährige nicht verkneifen, denn die Statistik beruht lediglich auf vier Duellen. Und deswegen hat er auch noch einen Brief an seine Mannschaft verfasst. Kernbotschaft: "Ihr habt keine Chance, aber die wisst ihr ja zu nutzen."

Fußball DFB-Pokal 1. FC Saarbrücken - Fortuna Düsseldorf
Saarbrückens Torwart Daniel Batz pariert im Viertelfinale den entscheidenden Elfmeter gegen Düsseldorf Bild: picture-alliance/dpa/O. Dietze

Nach dem 1. FC Köln und Fortuna Düsseldorf wäre Leverkusen der dritte Bundesligist, der in dieser Pokal-Saison an dem Viertligisten scheitert. "Wenn wir jetzt gewinnen, ist das nochmal eine andere Nummer", sagt Gerd Heinzkill und kündigt für den Fall eines Sieges und des gefühlten WM-Titels an: "Wenn wir es schaffen sollten, dann fahren wir natürlich in die Stadt und werden mit den Jungs ordentlich feiern. Natürlich friedlich, mit Abstand und mit Maske."