Deutschlands Politik der Zurückhaltung
5. März 2013Seit fast zwei Jahren kämpft ein großer Teil der syrischen Bevölkerung gegen das Regime von Baschar al-Assad. Doch der Präsident hält an seiner Macht fest. Erst in der vergangenen Woche bekräftigte er in einem Interview mit der britischen "Sunday Times", dass er nicht bereit sei, zurückzutreten - eine der zentralen Forderungen der syrischen Opposition. Längst hat sich der bewaffnete Konflikt zwischen Rebellen und Regierungstruppen zu einem blutigen Bürgerkrieg entwickelt. Mehr als 70.000 Menschen sind bereits ums Leben gekommen, Millionen befinden sich auf der Flucht. Trotz zahlreicher diplomatischer Initiativen aus dem In- und Ausland ist ein Ende des Konflikts nicht absehbar.
Unterstützung für die Rebellen
Informationen des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel" zufolge wollen jetzt Großbritannien und möglicherweise auch Frankreich Militärausbilder für die Rebellen nach Syrien entsenden. Um Assads Gegner zu unterstützen, hatten die EU-Außenminister bereits im Februar eine Änderung ihres Waffenembargos gegen das Land beschlossen. Demnach dürfen "nicht tödliche" Ausrüstung geliefert und "technische Unterstützung" geleistet werden. Damit ist offenbar auch die Ausbildung von Kämpfern an der Waffe gemeint - woran sich die Bundesregierung laut "Spiegel" vorerst nicht beteiligen will. Eine Haltung, die auch Elmar Brok teilt. "Man weiß nicht, wer was in der Opposition betreibt", sagt der Vorsitzende des Ausschusses für Auswärtige Angelegenheiten des Europäischen Parlaments. "Wir wollen in Syrien nicht Islamisten an die Macht kommen lassen, die von Saudi-Arabien und Katar gefördert werden."
Mit dieser Sichtweise steht Deutschland innerhalb der Europäischen Union nicht alleine da, verfolgt aber eine etwas andere Strategie als Großbritannien und Frankreich. "Bislang hat innerhalb der Europäischen Union ein Konsens geherrscht, dass ein Waffenembargo ein geeignetes Mittel ist, um den Konflikt in Syrien nicht weiter eskalieren zu lassen", sagt Markus Kaim, Sicherheitspolitik-Experte der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin. "Dieser Konsens existiert so erst einmal nicht mehr." Während manche Länder weiterhin auf eine politische Lösung setzten, rückten andere allmählich davon ab und zögen auch Waffenlieferungen in Betracht. "Es geht jetzt weniger um die Frage, ob wir einen Konflikt befeuern", sagt Markus Kaim, "sondern eher um die Frage, wie wir ihn - auch mit einem militärischen Eingreifen - schnellstmöglich beenden können."
Enthaltung im Libyen-Einsatz
Im Gegensatz zu Großbritannien und Frankreich lässt die Bundesregierung nicht erkennen, dass sie die Situation in Syrien anders beurteilt als bislang. "Es dominiert die Einschätzung, dass eine politische Lösung vorstellbar ist, die eine militärische Lösung letztlich obsolet machen würde", sagt Markus Kaim. Damit setzt Deutschland seine außenpolitische Kultur der Zurückhaltung fort, die schon bei der deutschen Enthaltung im Libyen-Einsatz eine Rolle spielte. Als der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen im März 2011 die Resolution 1973 verabschiedete, um die libyschen Rebellen gegen das Gaddafi-Regime zu unterstützen, enthielt sich die Bundesregierung ihrer Stimme – während Frankreich, Großbritannien und die USA für die Resolution votierten und damit die Einrichtung einer Flugverbotszone forcierten.
"In der Bezugnahme auf eine Kultur der Zurückhaltung spiegelt sich das außenpolitische Selbstverständnis der alten Bundesrepublik bis 1990 wieder", sagt Markus Kaim. "Aber die Rahmenbedingungen haben sich geändert: Wir haben es heute nicht mehr mit Konflikten wie während des Kalten Krieges zu tun, sondern in der Regel mit ganz unterschiedlichen innerstaatlichen Konflikten." Der Sicherheitspolitik-Experte hat beobachtet, dass Deutschland - gerade mit Blick auf seinen nicht-ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat - immer wieder betone, Verantwortung übernehmen zu wollen, sich dann aber bei wichtigen Entscheidungen zurückhalte und die vorher geweckten Erwartungen nicht erfülle.
Elmar Brok dagegen sieht in der deutschen Politik der Zurückhaltung "nichts Schlechtes" - und betont, dass Deutschland daran mitarbeiten müsse, die gemäßigten Kräfte in Syrien zu unterstützen. Der Europa-Politiker setzt dabei nicht auf Militärausbilder, sondern auch weiterhin auf Diplomatie: "Wir müssen Saudi-Arabien und Katar dazu bringen, die islamistischen Kräfte nicht länger zu fördern, und Russland überzeugen, schärfer gegen Syrien vorzugehen", sagt er. Das dürfte allerdings - selbst wenn die Mitgliedsstaaten der EU an einem Strang ziehen - nicht einfach werden. Bislang jedenfalls haben die europäischen Bemühungen Russland kaum beeindruckt.