EU-Verfassung
13. Dezember 2006Als die Niederländer der europäischen Verfassung im Frühsommer 2005 eine klare Absage erteilten, war das für die Europäische Union ein Schock, von dem sie sich bis heute noch nicht erholt hat. Kurz zuvor hatten schon die Franzosen mit ihrem "Non" bei der Volksabstimmung die EU-Verfassung ins Wanken gebracht. Das negative Referendum in den Niederlanden versetzte dem Projekt den Todesstoß.
Begrenzte Möglichkeiten
In der EU herrscht seitdem Ratlosigkeit. Zuerst verordneten sich die Staats- und Regierungschefs eine "Denkpause". Erst seit dem Gipfel im Sommer dieses Jahres spricht man nun wieder konkret darüber, wie es weitergehen soll. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier nennt es eine Nachdenkphase, "die in regelmäßigen Abständen das Thema Verfassung im Gesamtrahmen der Zukunft Europas zur gemeinsamen Agenda macht." Die Hoffnungen ruhen auf der deutschen Ratspräsidentschaft in der ersten Hälfte 2007. Denn Deutschland gilt als starker Befürworter der europäischen Verfassung, der auch das nötige Gewicht in der EU hat.
Dass sich alle Augen auf große EU-Staaten richteten, um schwierige Fragen zu lösen, sei nicht neu, meint Andreas Marchetti vom Zentrum für Europäische Integrationsforschung in Bonn: "Problematisch ist natürlich, dass die Erwartungen unheimlich hoch sind. Das heißt, der Preis für ein Scheitern ist natürlich auch sehr hoch." Die Möglichkeiten, wie es mit der Verfassung weiter gehen soll, sind dagegen begrenzt. 16 Länder, unter anderem auch Deutschland, haben den Text schon ratifiziert. Dass nun diese 16 Länder eine Art Verfassungs-Club innerhalb der EU gründen, will niemand.
Das Projekt aufgeben will aber auch niemand. Also muss man die Franzosen und Niederländer doch noch von der Verfassung überzeugen. Es werden in den beiden Ländern mit Sicherheit neue Referenden stattfinden. Denselben Verfassungstext dabei noch einmal zur Abstimmung zu geben, fände Marchetti nicht sinnvoll: "Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie sehr viel anders ausfallen würden, weil sich die Bürger, wenn man das Dokument nicht abändert, nicht ernst genommen fühlen."
Geschäftsordnung auf hohem Niveau
Die einfachste Variante wäre, einfach das Wichtigste aus dem Text herauszunehmen und zur Abstimmung zu stellen. Das wären die Charta der Grundrechte und der zweite Teil, in dem es um ganz grundsätzliche Fragen der EU geht, glaubt Marchetti: "Das heißt: Wie wird im Alltag Politik gemacht? Wie werden Entscheidungen getroffen? Wie verhalten sich die Institutionen der EU zu den Nationalstaaten?" Das sei eine Art Geschäftsordnung der Europäischen Union auf einem hohen Niveau. In diesem Dokument müssten auch die grundlegenden Ziele festgelegt sein, die dann eine Richtlinie für das politische Handeln der kommenden Jahre wären, findet Marchetti.
Die andere Variante wäre, noch einmal über einige Punkte in der Verfassung zu diskutieren und sie zu verändern. Etwa über die notwendigen Mehrheitsverhältnisse bei Abstimmungen oder die Verteilung der Posten in der Kommission. Aber das, so Marchetti, sei heikel, weil dann möglicherweise immer neue Änderungen ins Gespräch gebracht würden und so auch wieder Streit über Dinge entstehen könne, auf die man sich schon geeinigt habe.
Fehlende Ansprechpartner für die deutsche EU-Ratspräsidentschaft
Diese Fragen soll also nun die deutsche Regierung während der sechsmonatigen Ratspräsidentschaft klären. Marchetti glaubt zwar, dass das zu schaffen sei, sieht aber auch das Problem, dass wichtige EU-Partner im Moment nicht angesprochen werden könnten: "In Großbritannien wird Tony Blair ja in der ersten Jahreshälfte abtreten, genauso voraussichtlich Jacques Chirac in Frankreich. Das heißt, sie können letztlich nur den Boden bereiten." Die Kuh vom Eis müssten jedoch andere holen.