Deutschland: Weniger Wachstum als gedacht
14. Dezember 2021Die Wahrscheinlichkeit, dass die deutsche Wirtschaft in eine Rezession rutschen könnte, ist gestiegen. Das meint das gewerkschaftsnahe Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK). Das auf aktuellen Wirtschaftsdaten beruhende Frühwarnsystem des Instituts gibt für den Zeitraum von Dezember 2021 bis Ende Februar 2022 eine Rezessionswahrscheinlichkeit von 45,2 Prozent aus.
Trotzdem geht der IMK-Konjunkturexperte Peter Hohlfeld davon aus, dass die Konjunktur längerfristig anziehe, auch wenn sie sich über die Jahreswende vorübergehend abkühlen werde. Wenn sich die Lieferengpässe weiter verringerten und sich die wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie in Grenzen hielten, werde die Produktion schon nach den Wintermonaten wieder deutlich an Fahrt aufnehmen, glaubt er.
Engpässe und Inflation bremst die Konjunktur
Die deutsche Konjunktur wird derzeit von mehreren Seiten in die Zange genommen. Die Industrie leidet unter Materialengpässen, die die Produktion in diesem Jahr ausgebremst haben. Handel und Dienstleister bekommen die vierte Corona-Welle empfindlich zu spüren, da sie meist nur noch mit neuen Beschränkungen geöffnet haben dürfen. Den Verbrauchern macht die Inflationsrate von zuletzt 5,2 Prozent zu schaffen. Für viele Konsumenten haben dadurch reale Kaufkraftverluste.
"Angesichts des aktuellen Pandemiegeschehens haben die konjunkturellen Risiken zuletzt wieder zugenommen", heißt es in dem am Dienstag veröffentlichten Monatsbericht des Wirtschaftsministeriums. Im laufenden vierten Quartal dürfte die Wirtschaftsleistung daher "eher schwach ausfallen".
Daher dürfte der Aufschwung 2021 nach Prognose der Bundesregierung eine Nummer kleiner ausfallen als ursprünglich gedacht. Sie senkte ihre Wachstumsprognose auf 2,6 Prozent von zuvor 3,5 Prozent. 2022 soll es zu einem Plus von 4,1 Prozent reichen, 2023 dann zu 1,6 Prozent.
Ifo-Institut: Kräftige Erholung 2022
Das Münchner Ifo-Institut ist für das kommende Jahr weniger optimistisch. Es senkt seine Wachstumsprognose für 2022 um 1,4 Prozent auf 3,7 Prozent. 2023 rechnen die Ifo-Experten und -Expertinnen dann aber mit 2,9 Prozent.
"Die zunächst erwartete kräftige Erholung für 2022 verschiebt sich weiter nach hinten", sagt Ifo-Konjunkturchef Timo Wollmershäuser im Gespräch mit der DW. "Im Sommerhalbjahr 2022 wird mit dem Abebben der Coronawelle und dem allmählichen Ende der Lieferengpässe eine kräftige Erholung einsetzen", glaubt er. In diesem Jahr werde die Wirtschaftsleistung um 2,5 Prozent zulegen.
Die Inflationsrate dürfte zunächst noch einmal zunehmen: von 3,1 Prozent in diesem Jahr auf 3,3 Prozent im kommenden Jahr. Getrieben wird sie durch steigende Kosten aufgrund von Lieferengpässen und durch die verzögerte Anpassung an die gestiegenen Energie- und Rohstoffpreise. Erst im Jahr 2023 sollte sich der Anstieg der Verbraucherpreise wieder normalisieren und auf 1,8 Prozent zurückgehen.
Im Wirtschaftsministerium wird schon eher eine Entspannung bei der Inflation erwartet. "Zu Beginn nächsten Jahres nach Auslaufen der Sondereffekte dürfte sich der Auftrieb der Verbraucherpreise wieder merklich abschwächen", erklärte das Ministerium. Dazu zählt unter anderem die Mehrwertsteuer, die im zweiten Halbjahr 2020 im Kampf gegen die Corona-Rezession gesenkt wurde und inzwischen wieder auf dem alten Niveau liegt. Das hat den Preisauftrieb in den vergangenen Monaten mit befeuert.
Maschinen und Anlagenbau setzt auf 2022
Gedämpfte Töne kommen vom für die deutsche Wirtschaft wichtigen Maschinen- und Anlagenbau. Zwar seien die Auftragsbücher gut gefüllt, die Produktion käme aber nicht hinterher. "Wir hätten mehr produzieren können, wären die verschiedenen Lieferengpässe nicht so hartnäckig gewesen", erläuterte VDMA-Präsident Karl Haeusgen bei der Vorstellung der Jahresprognose die Lage.
Statt zehn Prozent schätzen daher die VDMA-Volkswirte das Produktionswachstum 2021 auf nunmehr preisbereinigt plus sieben Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Besser wird es im kommenden Jahr, in dem die Unternehmen den hohen Auftragsbestand abarbeiten können. Auch wenn damit damit zu rechnen sei, dass die Materialengpässe voraussichtlich mindestens bis ins zweite Halbjahr 2022 anhalten würden, so Haeusgen. Das führt zu einer Produktionsprognose für 2022 von plus sieben Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
iw/hb (ifo Institut, VDMA, rtr, dpa)