Deutschland und Russland auf Annäherungskurs
18. Juli 2019Der deutsche Außenminister Heiko Maas und sein russischer Kollege Sergej Lawrow haben die Notwendigkeit für die Zusammenarbeit beider Länder bekräftigt. "Nur über offene Diskussion und den Dialog kommen wir zu Ergebnissen, die unsere beiden Länder wirklich weiter bringen“, sagte Maas. Es gebe "kaum eine der drängenden Fragen der Weltpolitik“, die ohne Russland gelöst werden könne.
Lawrow stellte erneut ein neues Gipfeltreffen Russlands, der Ukraine, Deutschlands und Frankreichs zu dem festgefahrenen Ukraine-Konflikt in Aussicht. Er nannte aber noch keinen konkreten Termin. Ein erstes Sondierungstreffen der außenpolitischen Berater der vier Staats- und Regierungschefs nannte er aber konstruktiv. Eine Wiederaufnahme der wegen der Ukraine-Krise ausgesetzten deutsch-russischen Regierungskonsultationen fassten die beiden Minister aber nicht ins Auge.
Maas und Lawrow nahmen auf dem Petersberg in Königswinter am Petersburger Dialog teil. Zu dem deutsch-russischen Diskussionsforum kamen 300 Vertreter aus Politik, Wirtschaft, Kultur und anderen gesellschaftlichen Bereichen. Mit den Außenministern sind erstmals seit Beginn der Ukraine-Krise wieder hochrangige Regierungsvertreter aus beiden Ländern dabei. Das wird als Zeichen der Entspannung in den deutsch-russischen Beziehungen gedeutet.
Der Petersburger Dialog wurde im Jahr 2001 von Russlands Präsident Wladimir Putin und dem damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) ins Leben gerufen. Seitdem fand er mit Ausnahme von 2014 - dem Jahr der russischen Annexion der Krim - jedes Jahr statt.
Maas setzt sich für Matrosen ein
Bei ihrem Gespräch sei es unter anderem um das Atomabkommen mit dem Iran, internationale Abrüstung, Syrien und die Ostukraine gegangen, sagten die Außenminister vor Journalisten. Maas forderte Russland erneut zur Freilassung der in russischer Haft befindlichen ukrainischen Matrosen auf. Ein russisches Gericht hatte am Mittwoch die Haft für 24 ukrainische Matrosen verlängert, die im November vor der Halbinsel Krim festgenommen wurden. Moskau wirft den Seeleuten Grenzverletzung vor, Kiew bezeichnet sie hingegen als "Kriegsgefangene".
Außenminister Maas sagte, es habe im Ukraine-Konflikt zuletzt "positive Signale" gegeben. Er drückte seine Hoffnung aus, dass der am Sonntag in Kraft tretende Waffenstillstand "auch eingehalten wird, dass es einen anhaltenden Waffenstillstand gibt und dass wir weitere Fortschritte bei der Umsetzung des Minsker Abkommen haben".
Im Osten der Ukraine bekämpfen sich seit fünf Jahren prorussische Separatisten und ukrainische Regierungstruppen. Seit dem Amtsantritt des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj gibt es Hoffnungen, dass der Friedensprozess wieder in Gang kommen könnte.
Botschafter warnt
Vor dem Start des Petersburger Dialogs in Königswinter warf der russische Botschafter in Deutschland, Sergej Netschajew, dem Westen eine protektionistische Wirtschaftspolitik vor. "Länder, die einst Prediger des freien Handels und fairen Wettbewerbs waren, sprechen zunehmend die Sprache von Handelskriegen und Sanktionen", schrieb Netschajew in einem Gastbeitrag für das Redaktionsnetzwerk Deutschland. Er warnte, Sanktionen seien ein "gefährliches Instrument unsauberer Konkurrenz", das die internationale Wirtschaftsentwicklung abbremse. "Oft sind Handelsprotektionismus und die Bestrebung nach Monopolisierung der Marktzugänge ihr wahrer Grund."
Sanktionen seien jedoch völlig ineffektiv. "Es sei daran erinnert, dass auch Russland es in den vergangenen Jahren mit einer ganzen Reihe von Sanktionen und Restriktionen zu tun hatte", schrieb Netschajew. "Nichtsdestotrotz konnten unsere Opponenten keines ihrer erklärten Ziele erreichen." Weder habe sich die "Verhaltensweise" Russlands auf dem internationalen Parkett geändert, noch sei die russische Wirtschaft "zerfetzt" worden. "Wir bemerken, dass die Schädlichkeit, Sinnlosigkeit und der verlustreiche Charakter der Russland-Sanktionen immer deutlicher in Deutschland und in weiteren EU-Ländern erkannt werden", schrieb Netschajew. Die EU hatte die Strafmaßnahmen nach der Annexion der Krim durch Russland im Jahr 2014 verhängt.
Pofalla empfiehlt Kohleausstieg
Zum Auftakt des Treffens warb der Vorsitzende des Diskussionsforums, Ronald Pofalla, für einen Kohleausstieg auch in Russland. Die deutsche Seite wolle Russland den Kompromiss der deutschen Kohlekommission zum Ausstieg aus der Kohleverstromung bis zum Jahr 2038 vorstellen, sagte Pofalla. "Wir wollen dafür werben, dass vergleichbare Schritte auch in Russland und anderen Ländern gegangen werden, wenn wir die Klimaschutzziele einhalten wollen."
Zugleich bekannte sich der CDU-Politiker zur Fertigstellung der umstrittenen Erdgas-Pipeline Nord Stream 2. Durch den Ausstieg aus Atomenergie und Kohle müsse Deutschland seine Grundlast sicherstellen. Dafür werde Gas gebraucht. Gas sei der Energieträger, der den Ausstieg aus der Kohle überhaupt erst ermögliche.
kle/sti (dpa, afp)