Deutschland und Polen: Wie ein altes Ehepaar
17. Juni 2016Es ist ein Tag voll diplomatischer Termine und er begann in Berlin: Am Morgen empfing Bundeskanzlerin Angela Merkel den polnischen Präsidenten Andrzej Duda im Kanzleramt. Am 17. Juni 1991, also vor genau 25 Jahren, schlossen Deutschland und Polen einen "Vertrag über gute Nachbarschaft und freundschaftliche Zusammenarbeit". Die Beziehungen zwischen beiden Ländern seien seitdem eine "wirkliche Erfolgsgeschichte", sagte die Kanzlerin. Dies sei alles andere als selbstverständlich und mache sie dankbar und angesichts der Geschichte auch demütig.
Der Vertrag habe eine große Bedeutung für beide Länder und auch eine symbolische für die ganze Welt, sagte Duda. Er sei Vorbild dafür, wie zwei Länder, die zunächst sehr schlechte Beziehungen hatten, im Zweiten Weltkrieg sogar eine sehr tragische, leidvolle Beziehung, wieder zueinander finden können. "Die Polen haben den Deutschen vergeben und da bin ich auch sehr stolz drauf", so Duda.
Gute Freunde finden Lösungen
Doch das feierliche Gedenken ist nur die eine Seite der Medaille. Noch nie in den letzten 25 Jahren waren die politischen Beziehungen zwischen Deutschland und Polen so angespannt wie heute. Deutschland ist mit dem nationalkonservativen und europakritischen Kurs der polnischen Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (Pi S) nicht einverstanden. Kritik kommt auch aus Brüssel. Wegen der Justizreform und einer Medienreform, mit der sich die polnische Regierung die Kontrolle über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk sicherte, hatte die EU im Januar ein Verfahren zur Prüfung der Rechtsstaatlichkeit in Polen eingeleitet. In Warschau wiederum verbittet man sich jede Form der Kritik und Einmischung.
Unstimmigkeiten, die aber weder die Kanzlerin noch der polnische Präsident überbewerten wollen. "Weil wir gute Nachbarn und sogar Freunde sind, ist das auch die Möglichkeit, wenn man einmal unterschiedlicher Meinung ist, Wege zu finden, sich darüber auszutauschen", sagte Angela Merkel. "Das ist wie in einer guten alten Ehe, da gibt es auch immer strittige Fragen", sagte Andrzej Duda, "aber wenn es gegenseitig auch Sympathie und eine wohlwollende Haltung gibt und wenn man zusammenbleiben will, dann gelingt es auch, Lösungen zu finden, die beiderseits akzeptiert werden können. Er sei sich sicher, so Duda, "dass wir auch in den nächsten 25 Jahren unsere Beziehungen weiter ausbauen und festigen".
Bundespräsident in Warschau
Duda war am Donnerstag von Bundespräsident Joachim Gauck im Schloss Bellevue empfangen worden. Am Freitagnachmittag steht der Gegenbesuch Gaucks in Warschau an. Schon am Donnerstag hatte sich Duda für eine Überwindung der Unstimmigkeiten zwischen Berlin und Warschau ausgesprochen. "Wir werden gemeinsam immer mehr erreichen. Getrennt verlieren wir alles", sagte er mit Blick auf das derzeitige deutsch-polnische Verhältnis. Notwendig sei dafür ein offenes, aufrichtiges Gespräch ohne Tabuthemen, das die gegenseitige Achtung der Persönlichkeit des anderen und die gleiche Behandlung der Rechte beinhalte.