Abschiebung nach Ehrenmord
4. Juli 2014Der wegen des "Ehrenmordes" an seiner Schwester verurteilte Ayhan Sürücü ist nach vollständiger Verbüßung seiner Strafe aus Deutschland ausgewiesen worden. Nach Angaben der Bundespolizei wurde Sürücü am Freitag von zwei Bundespolizisten zum Flughafen Berlin-Tegel begleitet. Dort bestieg er ein Flugzeug in Richtung Türkei.
Wie der Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) berichtet, hatte die Berliner Ausländerbehörde die Abschiebung Sürücüs bereits während seiner neun Jahre und drei Monate dauernden Haft angeordnet. Sürücü habe, so zitiert der RBB aus dem Ausweisungsbescheid, auch im Gefängnis keine plausible Reue gezeigt. Sein Verhalten führe zu dem Schluss, dass er "auch zukünftig nicht willens und bereit ist, sich in die hiesige gesellschaftliche und verfassungsmäßige Ordnung zu integrieren", heißt es weiter. Der jüngst Sohn einer kurdischen Großfamilie wurde 1986 in Berlin geboren, hat jedoch nach RBB-Informationen keinen deutschen Pass.
Westlicher Lebensstil als Verhängnis
Aytan Sürücü hatte den Ehrenmord an seiner Schwester Hatun vor Gericht gestanden. Damals war er gerade 18 Jahre alt. Der Grund für die Tat: Seine 23-jährige Schwester hatte sich von ihrer kurdischen Familie abgewandt. Die alleinerziehende Mutter wohnte mit ihrem Sohn in einer eigenen Wohnung, trug kein Kopftuch, schminkte sich und rauchte ab und an Zigaretten. Mit diesem Lebenswandel war ihre Familie nicht einverstanden.
Am 7. Februar 2005 wurde Hatun Sürücü mit drei Kopfschüssen an einer Berliner Bushaltestelle ermordet. Wenige Tage nach der Tat nahm die Polizei drei ihrer Brüder als Tatverdächtige fest, von denen der Jüngste, Ayhan, später ein Geständnis ablegte. Er wurde im April 2006 zu neun Jahren Jugendarrest verurteilt. Seine Brüder kamen aus Mangel an Beweisen frei. Sie leben heute in der Türkei. Die Ermordung von Hatun Sürücü hatte deutschlandweit Entsetzen und eine breite Debatte über fehlende Integration ausgelöst.
Neuer Höhepunkt von Gewalt gegen Frauen
Auch die Türkei wird immer wieder von Ehrenmorden erschüttert. Wie mehrere türkische Zeitungen berichten, wurden an diesem Freitag drei Frauen in verschiedenen Städten von ihren Männern erschossen. In allen drei Fällen hatten sich die Frauen in Istanbul, Adana und Izmir von ihren jeweiligen Ehemännern trennen wollen. Der Verband "Wir stoppen die Gewalt gegen Frauen" warf der Regierung von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan vor, keine wirksamen Gesetze zur Eindämmung der Gewalttaten erlassen zu haben.
Laut Studien sterben in der Türkei immer mehr Frauen infolge häuslicher Gewalt. Nach einer Zählung des Internetportals Bianet wurden in den ersten sechs Monaten des Jahres insgesamt 129 Frauen von ihren Männern, Lebensgefährten oder von Verwandten getötet; das waren weit mehr als die 88 Opfer im ersten Halbjahr 2013. Im ganzen vergangenen Jahr zählte Bianet 214 Todesopfer.
cw/ det (dpa/epd)