Deutschland kämpft gegen Buhmann-Image
24. Juni 2010Vor dem G8-Gipfel am Wochenende im kanadischen Toronto hat die Bundesregierung am Donnerstag (24.06.2010) erneut Kritik an ihrem Sparkurs zurückgewiesen. Das 80-Milliarden-Euro-Paket sei keine Wachstumsbremse für die Weltwirtschaft. "Diese Argumentation kann ich nicht nachvollziehen", schrieb Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble in einem Gastbeitrag für das "Handelsblatt". Für den Minister ist klar: Es müsse gespart werden. Es sei zwar richtig, dass ein abrupter und unüberlegter Ausstieg aus den staatlichen Krisenprogrammen den Aufschwung gefährden könnte. "Doch eine kreditfinanzierte Stimulierung der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage darf nicht zum Dauerzustand mit Drogencharakter werden", betonte Schäuble in seinem Beitrag.
Streicht Deutschland seine Staatsausgaben zu radikal?
Vor allem aber wehrt sich die Bundeskanzlerin gegen das Buhmann-Image, mit dem die Deutschen derzeit international zu kämpfen haben. Den Vorwurf, Deutschland betreibe eine wachstumsfeindliche Politik und streiche seine Staatsausgaben zu radikal, bestreitet Merkel dieser Tage mit aller Macht. In einem Telefonat rechnete sie US-Präsident Barack Obama vor, dass Deutschland auch 2010 für die Weltkonjunktur überdurchschnittlich viel leistet. Das Sparpaket, das bis 2014 den Bundeshaushalt um 80 Milliarden Euro entlasten soll, senke zwar die öffentlichen Ausgaben, sei aber zugleich "ausgesprochen wachstumsorientiert", betonte die CDU-Chefin. Trotzdem: Mit Obama liegt die Kanzlerin weiterhin überkreuz, weil dieser fürchtet, die massiven Sparpakete in der EU könnten die zarte Weltkonjunktur abwürgen.
Angela Merkel wird sich mit hoher Wahrscheinlichkeit auf dem G-20-Gipfel auch bei anderen Konferenzteilnehmern unbeliebt machen. Die Kanzlerin will für eine Bankenabgabe kämpfen, die den Geldhäusern die Kosten künftiger Krisen zumindest teilweise aufbürdet. Das stößt aber trotz wochenlangen Werbens auf Missfallen beim Gastgeber Kanada, der dies als unnötig ansieht, weil Kanadas Banken ohne große Blessuren durch die Krise gekommen sind. Zumindest beim Thema Sparen hat Deutschland den kanadischen Ministerpräsidenten Stephen Harper auf seiner Seite: Der Staatschef hat die G-20 in einem Brief vorab zu einer Halbierung ihrer Haushaltsdefizite bis zum Jahr 2013 aufgerufen - und betont, dies sei lediglich ein "Minimalziel".
Gastgeber hat keine Lust auf Finanztransaktionssteuer
Ablehnend steht Gastgeber Kanada nicht nur einer Bankenabgabe gegenüber, sondern auch dem EU-Vorschlag für eine neue Steuer auf Finanztransaktionen. Zu beiden Punkten erwartet Angela Merkel kontroverse Diskussionen. Sie will aber um jeden Preis eine Beteiligung der Finanzbranche an den Kosten der Krise durchsetzen, schon um den Durst nach Ausgewogenheit in der Heimat zu stillen. "Wir wollen nicht, dass der Steuerzahler noch einmal für Exzesse an den Märkten aufkommen muss", kommentierte die CDU-Chefin in ihrem jüngsten Video-Podcast die Diskussion um eine Finanztransaktionssteuer. Bei diesem Punkt kann Merkel mit hoher Wahrscheinlichkeit auf die Hilfe des französischen Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy zählen. Zusammen mit der Kanzlerin will Sarkozy die Finanzmärkte einem strikten Kontrollregime unterwerfen.
Ein anderer Staatschef sorgt vor dem Gipfel für eine Überraschung: Angesichts des internationalen Drucks entschied der chinesische Präsident Hu Jintao, den Yuan aufzuwerten. Der Vorwurf an die Chinesen lautete bisher, ihre Währung künstlich niedrig zu halten, um chinesische Hersteller im internationalen Wettbewerb zu bevorteilen. Durch die Freigabe des Yuan hat Hu den strittigsten Diskussionspunkt des G20-Gipfels von der Agenda gestrichen. China war den Auswirkungen der Krise mit der Aufnahme von Krediten und hohen Staatsausgaben begegnet. Im Ergebnis wuchs die Wirtschaft und der Arbeitsmarkt blieb stabil, doch nur auf Kosten hoher Immobilienpreise und stark verschuldeter Banken.
Autor: Marcus Bölz (apn, dpa)
Redaktion: Hajo Felten