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"Deutschland ist tief verletzt"

Zhang Danhong
3. August 2017

Auto, Bier und Fußball - drei Dinge, um die Chinesen Deutschland beneiden. Nun hat der gute Ruf des deutschen Autos im Reich der Mitte Kratzer bekommen - erst vom Dieselgate, nun vom Kartellgate.

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Symbolbild Autos deutscher Herstellung in China
Bild: imago/T. Frey

Der Kartell-Vorwurf gegen VW, Daimler und BMW war auch Thema in den staatlichen Medien Chinas. Meistens sind es Berichte, die sich auf deutsche Medienberichte berufen. Nach Kommentaren muss man schon gezielt suchen. Das liegt wahrscheinlich daran, dass solche Nachrichten überhaupt nicht zu dem Bild passen, das die Chinesen sonst von Deutschland, von den Deutschen und vor allem von deutschen Autos haben. 

Einer der wenigen Kommentare ist in der "Jugendzeitung" erschienen und trägt den Titel "Deutschland ist tief verletzt". Zu den Verletzten zählten in erster Linie die Autobauer selber, dann kämen die Verbraucher. "Die Autokäufer können davon ausgehen, dass sie einen überteuerten Preis gezahlt haben", so der Kommentator. Unzufrieden seien auch die Zulieferer, weil sie meinten, "vom Auto-Kartell unter Druck gesetzt worden zu sein und so Verluste erlitten zu haben".

"Der eigentliche Schwerverletzte ist aber die deutsche Wirtschaft", glaubt der Autor. "Der Kartell-Skandal ist noch erschütternder als die Diesel-Affäre, zeigt er doch, wie die Autobauer über 20 Jahre lang den Markt und die Verbraucher veräppelt haben." Das Kartellgate stürze die deutsche Autoindustrie in die größte Vertrauenskrise und füge auch dem Ruf von "Made in Germany" schwere Schäden zu.

"Kartell ist notwendig und leicht zu organisieren" 

Ein anderer Kommentar, der auf einer Internetseite www.autohome.com publiziert wurde, beleuchtet zuerst die Kartellgeschichte Deutschlands. "Kartelle sind in Deutschland keine Seltenheit. Man könnte sagen, dass die Deutschen ein "Monopol-Gen" in sich tragen", schreibt der Autor. 1911 seien hierzulande 550 bis 600 Kartelle gezählt worden. Hermann Göring hätte sogar die Kartellbildung zur Wirtschaftspolitik gemacht. Von der Geschichte zur Realität: "Unter den marktwirtschaftlichen Voraussetzungen ist die Trennlinie zwischen Monopol und Wettbewerb hauchdünn." Der Kommentator stellt sich die Autobranche wie einen Fleischmarkt vor. Da unterbieten sich die paar Fleischverkäufer gegenseitig. Die Preise fallen. Sie müssen entweder ein Preiskartell bilden, um nicht unterzugehen; oder die Kleinen werden von den Großen geschluckt. So oder so würde ein Monopol entstehen.

Der Autor zeigt also Verständnis für das deutsche Auto-Kartell. Dass Konkurrenten eine Allianz bilden, sei auch einfacher als man denkt. Das Interesse der Unternehmen treibe sie dazu. Dass auf dem deutschen Automarkt im Grunde nur drei wichtige Akteure übrig geblieben sind, erleichtere die Absprachen zusätzlich.

Dass die zu erwartende Milliardenstrafe die Autobauer in den Ruin stürzt, davon geht der chinesische Branchenkenner nicht aus. "Es ist aber vorauszusehen, dass die Skandalserie die hundertjährige Autogeschichte Deutschland überschatten wird."

Deutsche Autos? Was denn sonst?

Sympathie für deutsche Autos schwingt auch in den Userkommentaren mit. "Skandal hin, Skandal her, wenn ich demnächst ein Auto kaufe, dann wird es wieder 'Made in Germany' sein", "es ist nur eine Software, die verfälscht ist. Das sagt nichts über die Qualität deutscher Autos aus" oder "Was die Herstellung von Autos betrifft, brauchen wir die Deutschen nicht zu kritisieren. 20 Jahre können wir noch von ihnen lernen". Andere schieben die Verantwortung auf andere: "Es ist zu billig, auf die Unternehmen draufzuhauen. Es ist doch die Politik, die unerreichbare Emissionswerte festlegt und die Firmen zu Tricksereien zwingt" oder "Es sind doch die Umweltorganisationen, die die Autorbauer in die Enge treiben."

Aber auch Häme und Schadenfreude mischen sich in die Diskussion. "Die Deutschen sind bekannt für ihren Perfektionismus, das gilt auch für die Trickserei", "Es ist Zeit, dem Mythos um deutsche Autos Adieu zu sagen" oder "Packen wir unsere Devisenreserven aus und übernehmen die deutschen Marken."

Ebenso macht sich eine gewisse Ratlosigkeit breit: "Wenn die Ehrlichkeit nicht mal in Deutschland zählt, wessen Produkte kann man noch trauen?"