Deutschland im Visier des Oslo-Attentäters?
25. Juli 2011In einem über 1500 Seiten langen Online-Manuskript hat der mutmaßliche Attentäter der Anschläge von Oslo und Utøya, Anders Behring Breivik, offenbar auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ins Visier genommen. Wie die "Hamburger Morgenpost" am Montag (25.07.2011) berichtete, sind darin auch Politiker der SPD, der Linken und der Grünen aufgelistet. Der Verfassungsschutz bestätigte dem Blatt, dass in dieser Sache ermittelt werde. Es gehe darum, "mögliche Kontakte" Breiviks zur rechten Szene in Deutschland zu prüfen.
Hamburgs Innensenator Michael Neumann (SPD) bestätigte der "Bild"-Zeitung, "Kontakte der Hamburger rechten Szene nach Skandinavien" seien bekannt. Ob auch speziell der Attentäter Verbindungen in die Hansestadt pflegt, werde momentan geprüft.
Manifest im Internet veröffentlicht
Das Manifest mit dem Titel "2083" scheint Breivik über Jahre verfasst zu haben. Es ist teilweise als Tagebuch geführt, enthält unter anderem Anleitungen zum Bombenbau und Schilderungen über die Vorbereitung des Anschlags. Zudem macht es seine Fremden- und Islamfeindlichkeit deutlich. Er ruft darin zur Rettung Europas vor Islamisierung und Marxismus auf. In einer Analyse heißt es, Breivik vermische in seinem Manifest rechtes Gedankengut mit Stoff von Fantasy-Romanen und Computerspielen. Er betrachtet sich als Art Kreuzritter, der Europa "reinigen" will - vom "Aufstieg des Multikulturalismus" und Einfluss der Marxisten. Er habe insgesamt neun Jahren an diesem "Projekt" geabeitet. Nach Angaben der Polizei handelt es sich beim mutmaßlichen Täter um einen "christlichen Fundamentalisten" mit Kontakten zu rechtsextremen Kreisen.
Bei den beiden Anschlägen am Freitag in Oslo und anschließend auf der Insel Utøya waren mindestens 93 Menschen getötet worden. Laut Polizei sagte Breivik in ersten Vernehmungen aus, die Taten allein begangen zu haben. In Norwegen und im Nachbarland Schweden wollen die Menschen an diesem Montag der Opfer mit Schweigeminuten gedenken.
Politiker: Terrorakt kaum zu verhindern
Auch in Deutschland bleibt der Anschlag das zentrale Thema. Der Vorsitzende des Bundestags-Innenausschusses, Wolfgang Bosbach, hält ähnliche Attentate wie in Norwegen auch hierzulande für möglich. "Man kann das nicht ausschließen, weil es auch bei uns solche hasserfüllten Gruppen und Personen gibt", sagte der CDU-Politiker der Onlineausgabe der "Mitteldeutschen Zeitung". Das rechtsextreme Milieu insgesamt sei nach dem gescheiterten NPD-Verbotsverfahren 2003 sogar "eher problematischer geworden. Das macht uns Sorgen." Gegen Terrorakte dieser Art lasse sich aber wenig tun, so Bosbach weiter. "Das Hauptproblem besteht darin, dass die Sicherheitsbehörden radikalisierte Einzeltäter nicht auf dem Schirm haben. Denn sie hinterlassen keine Spuren."
Der SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz äußerte sich ähnlich. "Vor so einem Einzeltäter kann man sich nicht schützen, weil er aus dem Nichts auf einmal präsent ist", sagte er. Zudem gebe es auch in Deutschland Personen mit einem ähnlichen Profil wie der mutmaßliche Attentäter. Dennoch lasse sich daraus jedoch keine unmittelbare Gefahr ableiten.
Polizei verteidigt sich
Die Polizeiführung verteidigte sich unterdessen weiter gegen den Vorwurf, sie habe bei dem Anschlag am Freitag nicht schnell genug reagiert. Der Polizeioffizier Johan Frederiksen widersprach Informationen, wonach der Schütze auf der Insel Utøya erst nach anderthalb Stunden überwältigt wurde. Zwischen der ersten Meldung der örtlichen Polizei an die Osloer Polizei um 17.30 Uhr und dem Hilfeersuchen um 17.38 Uhr seien acht Minuten vergangen, sagte Frederiksen. Um 18.25 sei dann ein Sondereinsatzkommando aus der Hauptstadt auf Utøya eingetroffen und habe Breivik zwei Minuten später überwältigt.
Der mutmaßliche Attentäter äußerte am Sonntag den Wunsch, "in Uniform" vor dem Richter erscheinen zu dürfen. Zudem wünsche der 32-Jährige, dass die Sitzung am Montag öffentlich sei, damit er sich der Öffentlichkeit erklären könne, sagte sein Anwalt Geir Lippestad dem norwegischen Fernsehsender NRK. Er wisse allerdings nicht, um welche Uniform es sich handele, fügte der Anwalt hinzu. Breivik soll heute in Oslo vor einem Haftrichter erscheinen.
Autorin: Naima El Moussaoui (dapd, afp, dpa)
Redaktion: Marion Linnenbrink