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Deutschland exportiert Berufsausbildung

Peter Stützle11. Dezember 2012

Nirgends in Europa sind so wenige junge Leute arbeitslos wie hier. Als ein Grund gilt die duale Berufsausbildung in Betrieb und Berufsschule. Bildungsministerin Schavan will das System nun exportieren.

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Eine Auszubildender und ein Meister an der elektronischen Steuerung einer Werkzeugmachine. Foto: Waltraud Grubitzsch pixel
Bild: picture-alliance/dpa

"Wir haben die Grundlagen gelegt für eine europäische Ausbildungsallianz." Es waren große Worte, die Bundesbildungsministerin Annette Schavan zum Abschluss einer europäischen Berufsbildungskonferenz in Berlin fand. Über 50 Prozent liegt die Jugendarbeitslosigkeit in Griechenland und Spanien, und diese beiden Länder waren auch mit bildungspolitischem Spitzenpersonal in Berlin vertreten, ebenso wie Portugal, Italien, die Slowakei und Lettland. Mit einer praxisnäheren Berufsausbildung hoffen diese Länder, ihren Jugendlichen bessere Chancen bieten zu können.

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In einem Memorandum vereinbarten die sieben Länder konkrete Maßnahmen, um "ihre nationalen Berufsausbildungssysteme zu optimieren". Im Mittelpunkt steht dabei, die positiven Erfahrungen mit dem dualen Ausbildungssystem in Deutschland auf andere Länder zu übertragen. Austauschprogramme, die Bereitstellung deutscher Experten sowie die Einrichtung von 30 regionalen Ausbildungsnetzwerken unter deutscher Beteiligung in den Partnerländern gehören zu den Mitteln, um das zu erreichen. Zehn Millionen Euro stellt das deutsche Bildungsministerium dafür zur Verfügung, die "durch Mittel der Partnerländer ergänzt werden", wie es im deutschen Pressetext heißt. Nicht dort, aber im Memorandum selbst steht der Zusatz: "sofern nationale Mittel verfügbar sind".

Historisch gewachsene Unterschiede in Europa

Ganz einfach dürfte sich das Vorhaben allerdings nicht gestalten, wie bei der Vorstellung des Memorandums deutlich wurde. Zu unterschiedlich haben sich die Systeme der Berufausbildung in den letzten beiden Jahrhunderten entwickelt, als dass sie sich ohne weiteres angleichen ließen. Reformbedarf sehen alle auf der Konferenz vertretenen Länder, ihre Ideen allerdings haben meist nur Ansätze mit dem deutschen dualen System gemeinsam.

Im Mittelalter und der frühen Neuzeit war die Berufsausbildung noch überall in Europa sehr ähnlich. Jugendliche lernten bei einem Meister - von lateinisch Magister, Lehrer - ein Handwerk und gingen danach, nicht selten europaweit, auf die Walz, um das Wissen in ihrem Beruf zu erweitern. In Deutschland wurde dann um 1870 die Berufsschule eingeführt, in der begleitend zur Ausbildung im Betrieb theoretische Grundlagen und auch berufsbezogene Allgemeinbildung vermittelt wurden. So blieb es bis heute. Die Jugendlichen haben einen Ausbildungsvertrag mit einem Betrieb, der sie aber zeitweise für die Berufsschule freistellen muss.

In den meisten anderen europäischen Ländern dagegen wurde die Berufsausbildung zunehmend verschult oder akademisiert. Erst nach Abschluss der Berufsfachschule oder polytechnischen Hochschule sucht man dort einen Betrieb als Arbeitgeber, davor kommt man nur durch Praktika mit der Berufspraxis in Berührung. Während deutsche Jugendliche nach ihrer Lehrzeit oft vom Ausbildungsbetrieb übernommen werden, stehen sie in anderen Ländern nach Abschluss der Berufsausbildung häufig auf der Straße.

Die Minister Schavan und Crato lassen sich in einer Berliner Tischlerei die Berufsausbildung erklären. Foto: Kay Nietfeld/dpa
Bildungsministerin Annette Schavan und ihr portugiesischer Kollege Nuno Crato in einer Tischlerei, die sie während der Berliner Konferenz besuchten. Bei ihnen die Auszubildende Nadja Rezaei und Meister Tobias Kuppel.Bild: picture-alliance/dpa

Vage Vorstellungen der Partnerländer

Wie man in diesen Ländern zu einer stärkeren Verknüpfung von Praxis und Theorie kommen will, blieb unklar. Der portugiesische Bildungsminister Nuno Crato sprach davon, jüngeren Jugendlichen solle in Zusammenarbeit mit den polytechnischen Hochschulen eine praxisorientierte Ausbildung angeboten werden.  Der stellvertretende Bildungsminister Griechenlands, Theodoros Papatheodorou, kündigte im Rahmen eines Plans gegen Jugendarbeitslosigkeit, der gerade erarbeitet wird, Pilotmaßnahmen für ein duales System an. Die Sozialpartner, also Arbeitgeber und Gewerkschaften, sollten aktiv werden und solche Ausbildungsplätze anbieten. Die EU müsse schnell Finanzmittel dafür bereitstellen, betonte Papatheodorou.

Der spanische Bildungs-Staatssekretär Benzo Sáinz kündigte ein neues Modell dualer Ausbildung an, das eine Verbindung zwischen der "klassischen" - das heißt hier akademischen - Ausbildung und dem Arbeitsmarkt schaffen soll. Die italienische Unterstaatssekretärin im Bildungsministerium, Elena Ugolini, verwies darauf, dass die Regierung Monti die Verbesserung der Berufsausbildung zu einem ihrer Schwerpunkte gemacht habe. Man könne dabei auf einer Praxis aufbauen, die dem dualen System ähnlich ist und schon jetzt tausend Stunden im Betrieb vorsieht. Ähnlich vage blieben auch die Vertreter Lettlands und der Slowakei.

Deutscher Vorstoß nicht uneigennützig

Dass das Werben für die duale Berufsausbildung in Europa nicht ganz uneigennützig ist, daraus machte die deutsche Ministerin Schavan kein Hehl. Sie hofft so, angesichts des beginnenden Fachkräftemangels im alternden Deutschland, anderswo gut ausgebildete Kräfte für die eigene Wirtschaft zu gewinnen. Um die vereinbarten regionalen Ausbildungsnetzwerke zu schaffen, will sie zuerst deutsche Unternehmen ansprechen, die in den Partnerländern Betriebe unterhalten. Denn diese seien vertraut mit dem dualen System und könnten "Pioniere sein", wie Schavan sagte, für die allmähliche Verbreitung des dualen Systems. Es ist ein sehr langfristig angelegtes Projekt, das wurde klar, kein schnell wirkendes Mittel gegen Jugendarbeitslosigkeit.