Grüne Ziele längst gesellschaftsfähig
4. April 2011Neunzig Prozent der Deutschen beteiligen sich aktiv an der Mülltrennung. Papier, Glas und Kunststoffe werden gesammelt, um sie in Recycling-Verfahren wieder zu verwerten. Ziel ist, Umwelt und Ressourcen zu schonen.
Als die Initiative Anfang der 1980er Jahre gestartet wurde, hatte niemand mit dieser hohen Unterstützung gerechnet. 30 Jahre später verzeichnet die Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) immerhin schon 26 Prozent Käufer in Deutschland, die sich generell nur noch umweltverträgliche Produkte leisten. Das sind immerhin 14 Millionen Menschen, die darauf achten, dass Produkte umweltverträglich hergestellt und auch problemfrei in den Wirtschaftskreislauf zurückgeführt werden. Neben Lebensmitteln, Kosmetik, Modeartikeln und Verpackungen kommt in jüngster Zeit verstärkt auch der Tourismus auf den Prüfstand. Reiseveranstalter verzichten zum Beispiel auf Inlandsflüge und setzen dafür eher auf die Bahn. Auch bei Auslandsreisen spielen Umweltschutz und soziales Engagement am Urlaubsort eine zunehmende Rolle.
Verbraucher setzen Politik, Industrie und Werbung unter Druck
Christian Hupertz, Geschäftsführer der Agentur "grey-worldwide" bestätigt: "Sie können heute kein Waschmittel mehr absetzen, dass nicht biologisch abbaubar ist und das gilt für immer mehr Waren." Besonders im Lebensmittelbereich orientiert sich der Kunde an der regionalen Herkunft. Der Absatz von Obst und Gemüse, das aus aller Welt eingeflogen wird, um auch Weihnachten Erdbeeren zur Verfügung zu haben, stagniert derzeit. Die Messe "goodgoods" in Hamburg wird vom 27. bis 29 Mai 2011 zeigen, dass Verbraucher künftig noch verstärkter auf umweltgerechte Produkte achten werden.
Die Industrie versucht zu reagieren. Nachdem in den Chefetagen zum Beispiel in der Automobilbranche lange Zeit das Bemühen um "Nachhaltigkeit" milde belächelt wurde, setzt sich die Erkenntnis durch, dass sich mit umweltschonender Technik eine Menge Geld verdienen lässt. Die in zur Zeit Hannover stattfindende weltgrößte Messe für Industriegüter registriert einen Anstieg von rund 30 Prozent unter den deutschen Anbietern von Technologien, die die Umwelt schonen und alternative Energien effizient nutzen. Deutschland ist mit 30 Milliarden Euro inzwischen der zweitgrößte Investor in erneuerbare Energien nach den USA und China.
Umwelt-Trend mit Grenzen
Der von der Politik der letzten Bundesregierungen unterstützte Umwelt-Trend stößt bei der Bevölkerung jedoch nicht immer auf Zustimmung. Jüngstes Beispiel ist das mit zehn Prozent Biosprit versetzte Benzin mit der Bezeichnung E10. Es wird vom Verbraucher abgelehnt. Die Gefahr, dass Motoren beschädigt werden, wenn sie den Treibstoff E10 erhalten, wollten viele Autohersteller mit schriftlichen Garantien nicht entkräften. Die Mineralölgesellschaften bleiben bislang auf dem Benzin mit erhöhtem Anteil aus regenerativen Energieträgern sitzen.
Ähnlich problematisch verlief die Entwicklung der von der europäischen Kommission eingeführten "Sparglühlampen". Sie verbrauchen nachweislich weniger Energie und halten länger. Ihre Produktion wurde von der EU-Kommission in Brüssel verordnet. Glühlampen der traditionellen Bauart werden inzwischen schrittweise aus dem Verkehr gezogen. Die Verbraucher verweigern allerdings die Anwendung der neuen Sparlampen, weil die Hersteller hohe Quecksilberanteile einräumen mussten, deren Entsorgung die Umwelt wieder belastet.
Beobachter leiten daraus aber keine negative Einstellung der Verbraucher ab. Im Gegenteil: So reduzierte die Bundesregierung die hohen staatlichen Subventionen für Solardächer zur Stromgewinnung. Dennoch hält die Nachfrage nach Solarzellen weiter an. Einzig bei den Vorschriften für die energetische Modernisierung von älteren Häusern zeigt sich ein Investitionsstau - aus Geldmangel, nicht weil es an Einsehen in die Notwendigkeit solcher Maßnahmen mangeln würde. Beim Bau neuer Häuser werden die Gesetze zur Resourcenschonung längst eingehalten.
"Grün" färbt ab
Die Grünen konnten bei den letzten Landtagswahlen die Zustimmung der Bürger zu ihrer Politik verdreifachen. Politikwissenschaftler und Meinungsforscher erklären das Rekordergebnis mit der Tatsache, dass Ziele der grünen Politik längst in der deutschen Gesellschaft fest verankert sind. Richard Hilmer vom Forschungsinstitut infratest dimap geht noch weiter: "Das entscheidende ist, dass die einst radikal erschienene Forderung der Grünen, die Atomkraft komplett abzuschaffen, in der bürgerlichen Mitte, also auch bei Konservativen angekommen ist.
Ausschlaggebend dafür seien nicht nur die Atomkatastrophe in Japan, sondern die insgesamt über Jahrzehnte gestiegene Anerkennung für umweltbewusstes Handeln. "Die Verantwortung für grüne Ziele ist vor allem in der älteren Generation, den 45 bis 60-jährigen stark verankert," fügt Peter Wippermann vom Trendbüro Hamburg hinzu.
Selbst die CDU, der Kritiker vorwerfen, alles zu unterlassen, was den Industriestandort Deutschland belasten könnte, fordert in ihrer Mainzer Erklärung aus diesem Jahr den raschen "Umbau der Wirtschaftsweise vom Ressourcenverbrauch hin zur Rerssourcenschonung". Um die hohen Kosten dafür aufzufangen, soll es weitere Anreize für Investitionen in diesem Bereich geben.
Für ein ökologisch verträgliches Wirtschaften setzen sich inzwischen alle übrigen Parteien ein und nehmen so die einst von den Grünen entworfenen Ziele in ihre Programme auf. Seit der Katastrophe im japanischen Kernkraftwerk Fukushima geschieht dies in immer höherem Tempo und in noch größerem Umfang als bisher. Antrieb für diese Haltung geben aber die Deutschen selbst. 60 Prozent von ihnen befürworten einen raschen Ausstieg aus der Kernenergie, selbst wenn dies das Leben oder den Lebensstandard in Deutschland beeinträchtigen sollte.
Autor: Wolfgang Dick
Redaktion: Manfred Böhm