Deutscher Richter leitet Mladic-Prozess
1. Juni 2011Auf den 63-jährigen Juristen Christoph Flügge kommt in Den Haag eine gewaltige Aufgabe zu. Als Vorsitzender Richter im Völkermord-Verfahren gegen den serbischen Ex-General Ratko Mladic steht er künftig international im Rampenlicht. Der mutmaßliche Kriegsverbrecher Mladic war Donnerstag (26.05.2011) in dem Dorf Lazarevo knapp eine Stunde nördlich der serbischen Hauptstadt Belgrad entfernt verhaftet worden. Anfang Juni soll der Ex-General 16 Jahre nach Ende des Bosnien-Krieges dem UN-Tribunal überstellt werden. Dem bereits 1995 wegen Völkermords, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeklagten Mladic wird tausendfacher Mord vorgeworfen.
Zwei internationale Richterkollegen zur Unterstützung
Nur einen Tag nach der Verhaftung Mladics ernannte der Präsident des UN-Strafgerichtshofs für das ehemalige Jugoslawien, Mehmet Güney, den deutschen Richter Christoph Flügge zum Vorsitzenden Richter. Mit Unterstützung eines niederländischen und eines südafrikanischen Richterkollegen soll Christoph Flügge den Kriegsverbrecher-Prozess gegen den ehemaligen Kommandeur der bosnischen Serben, Mladic, leiten und ein Urteil fällen.
Seit zweieinhalb Jahren arbeitet der frühere Berliner Justizstaatssekretär am Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien (ICTY), und gilt inzwischen als guter Kenner des Völkerrechts. Ende 2008 war er in das Amt eines Richters beim ICTY von UN-Generalsekretär Ban Ki Moon berufen worden und trat die Nachfolge es deutschen Richters Wolfgang Schomburg an. In den vergangenen zwei Jahren saß er in mehreren Verfahren zur Aufarbeitung von Kriegsverbrechen auf dem Balkan mit auf der Richterbank. Unter anderem war er an der Urteilsfindung im Prozess gegen den früheren Polizeichef und stellvertretenden Innenminister Serbiens, Vlastimir Djordjevic, beteiligt. Im Februar wurde der Angeklagte zu 27 Jahren Haft verurteilt. Außerdem hatte er im vorgerichtlichen Verfahren gegen den früheren Serben-Führer Radovan Karadzic bereits mit einem der zentralen mutmaßlichen Kriegsverbrecher im ehemaligen Jugoslawien zu tun.
Ein Experte des Strafrechts
Seine juristische Karriere begann Christoph Flügge 1977 nach seinem Jura-Studium an der Freien Universität Berlin sowie in Bonn als Staatsanwalt in Berlin. Später war er als Strafrichter, Leiter der Berliner Strafvollzugsabteilung und schließlich als Staatssekretär beim Berliner Justizsenator tätig. Einen kleinen Knick erhielt seine Karriere, als er im Februar 2007 von der Berliner Justizsenatorin Gisela von der Aue als Staatssekretär entlassen und zwangsweise in den Ruhestand versetzt wurde. Im Rahmen der so genannten Medikamenten-Affäre in der Haftanstalt Moabit hatten einige inzwischen verurteilte Justizbedienstete aus der Gefängnisapotheke Arzneimittel unterschlagen. Dass dieser Skandal nicht eher aufflog, schrieb die Justizsenatorin ihrem Staatssekretär zu, und setzte ihn vor die Tür - trotz der Proteste zahlreicher Kollegen und des Bundesjustizministeriums.
Berater in Osteuropa
Die nächsten anderthalb Jahre nutzte Flügge seine Kenntnisse des Strafvollzugs und engagierte sich verstärkt als Berater in Osteuropa für die Demokratisierung des Strafvollzugs. Bis er Ende 2008 als Richter beim UN-Kriegsverbrecher-Tribunal in Den Haag begann.
Der Jurist mit SPD-Parteibuch bekennt sich klar zu einer liberalen Rechtsprechung und einem liberalen Strafvollzug. Das formulierte er einmal so: "Selbst der Straftäter, und sei er der übelste, hat noch eine Menschenwürde. Wir müssen also so mit ihm umgehen, wie wir von ihm ein Verhalten unsererseits erwarten würden."
Laut des amtierenden Präsidenten des Tribunals, Güney, werde der Prozess gegen den mutmaßlichen Kriegsverbrecher Mladic eineinhalb bis zwei Jahre dauern. So lange wird Christoph Flügge als Vorsitzender Richter im Völkermord-Verfahren also international im Rampenlicht stehen.
Autorin: Anja Fähnle (mit afp, dpa)
Redaktion: Klaudia Prevezanos