Deutscher in chinesischem Gefängnis
13. Juli 2012Ende März kam plötzlich die chinesische Polizei zu Nils Jennrich und nahm ihn fest. Seitdem sitzt er im Pekinger Gefängnis Nummer Eins. Ihm und seiner chinesischen Kollegin Lydia Chu wird vorgeworfen, Kunst geschmuggelt zu haben. Versuche, sie auf Kaution freizubekommen, scheiterten.
Jennrich arbeitete bis zu seiner Festnahme in Peking für die Kunstspedition Integrated Fine Art Solution (IFAS). Er leide sehr unter den Haftbedingungen, so IFAS-Chef Torsten Hendricks gegenüber der Deutschen Welle. "Er ist seit drei Monaten in einer Zelle mit fünfzehn Mann bei einer Temperatur von etwa 40 Grad ohne irgendeine Klimaanlage. Das nimmt einen Menschen natürlich sehr mit in so einer Umgebung." Bislang habe er aber keinen persönlichen Kontakt zu Jennrich gehabt. Nur die Anwälte und Mitarbeiter der Deutschen Botschaft hätten mit ihm sprechen können. Über die Situation der chinesischen Kollegin Lydia Chu wisse er nichts, so Hendricks. "Ich nehme an, ihr geht es noch schlechter, aber wir haben keinen direkten Kontakt zu ihr und können auch nicht über die Botschaft nachfragen, wie bei Herrn Jennrich."
Vage Vorwürfe
Für die Haft gibt es keine richterliche Anordnung, auch eine offizielle Anklage gibt es bislang nicht. Nach chinesischem Recht ist eine Inhaftierung auch ohne Anklage bis zu sieben Monate möglich. Gerade eben wurde die Haft bis zum 4. August verlängert. Die Vorwürfe gegen den 32-jährigen sind vage: Jennrich und seine Kollegin sollen Beihilfe zum Schmuggel von Kunstwerken geleistet haben. Die chinesischen Behörden lassen aber offen, um welche Kunstwerke es sich dabei handelt. Jennrich soll beim Import den Wert der Objekte zu niedrig angegeben haben und so den Zoll um zehn Millionen Yuan, rund 1,3 Millionen Euro, betrogen haben. Die chinesische Regierung verteidigt das harte Vorgehen gegen den deutschen Kunstspediteur. "Wir behandeln den Fall nach chinesischem Recht", so ein Sprecher des chinesischen Außenministeriums.
Die Spedition weist die Vorwürfe gegen ihre Mitarbeiter zurück. Für die Einfuhrabgaben seien die Kunden zuständig, sagt Torsten Hendricks. Für die Spedition, die nur für den Transport der Objekte zuständig ist, sei der Wert der Kunst schwer einzuschätzen. Deshalb müssten die Kunden den Wert für den Zoll belegen.
Torsten Hendricks kann die Vorwürfe der chinesischen Behörden auch aus anderem Grund nicht nachvollziehen. "Wir sind ein ausländisches Unternehmen. Das heißt, wir können die Verzollung nicht mal mehr eigenständig in China durchführen", so Hendricks. Das mache ein chinesischer Zollagent. "Die Verzollung von jeglichen Gegenständen in ganz China kann nur von einem hundertprozentig chinesischen Unternehmen durchgeführt werden."
Jennrich ein Bauernopfer?
Derzeit führt die chinesische Regierung eine Kampagne gegen reiche Chinesen. Viele legen ihr Geld in Kunst an, die sie im Ausland kaufen. Durch zu niedrig angegebene Werte beim Import hinterziehen sie Einfuhrsteuern. Jennrich könnte ein Bauernopfer der chinesischen Justiz sein, so die Vermutung seiner Mutter gegenüber dem Radiosender NDR1 Welle Nord. Auf offizieller deutscher Seite gibt es erhebliche Irritationen über den Umgang mit Jennrich. Der deutsche Botschafter Michael Schaefer hat Jennrich bereits zweimal besucht. Auch die Bundesregierung hat sich mittlerweile zu dem Fall geäußert. "Wir nehmen diesen Konsularfall sehr ernst und beobachten ihn auch sehr genau", so ein Sprecher des Auswärtigen Amts am Freitag in Berlin.
Der Einsatz der Botschaft für bessere Haftbedingungen und eine Freilassung auf Kaution waren bislang vergeblich. "Informellen Einfluss zu nehmen ist natürlich immer möglich, aber damit verbindet sich kein Rechtsanspruch", erklärt Thomas Weigend, Professor für internationales Strafrecht an der Universität Köln.
Diese Woche findet in München der Rechtsdialog zwischen Deutschland und China statt. Dann könnte Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger den Fall beim Treffen mit dem obersten chinesischen Justizpolitiker Song Dahan ansprechen. Sonst droht das Schicksal von Jennrich die Regierungskonsultationen von Bundeskanzlerin Angela Merkel Ende August in Peking zu überschatten.