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Deutschland vor dem UN-Menschenrechtsrat

Claudia Witte1. Mai 2013

Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Umgang mit Migranten: In Sachen Menschenrechte kann Deutschland mehr tun - so sehen es im UN-Menschenrechtsrat viele Mitglieder. Die Bundesregierung will deren Empfehlungen prüfen.

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Der UN-Menschenrechtsrat in Genf (Foto: Reuters)
Bild: Reuters

1 Minute 14 Sekunden - das ist nicht gerade viel Zeit, um die Menschenrechtslage in Deutschland differenziert kommentieren zu können. Aber mehr Redezeit war aufgrund des großen Interesses an der Anhörung der Bundesrepublik im Rahmen des Länderüberprüfungsverfahrens vor dem Menschenrechtsrat in Genf nicht drin.

Undiplomatisch schnell kam deshalb der türkische Botschafter Oguz Demiralp zur Sache: "Wachsende fremdenfeindliche Tendenzen und die Ermordung von zehn Menschen durch die Terrororganisation NSU führen dazu, dass die drei Millionen in Deutschland lebenden Türken sich zunehmend unsicher fühlen." Die Türkei machte mit ihrer Kritik klar, dass auch ein Rechtsstaat wie Deutschland beim Schutz der Menschenrechte mehr tun kann und muss.

Markus Löning, der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung und Leiter der deutschen Delegation in Genf, räumte ein, dass es sich bei der NSU-Mordserie um "eine der schlimmsten Menschenrechtsverletzungen der letzten Jahre, Jahrzehnte in Deutschland" gehandelt habe. An den türkischen Botschafter gewandt, bat er um Geduld: "Deutschland ist den letzten Jahrzehnten deutlich offener und deutlich vielfältiger geworden, aber das ist ein schwieriger gesellschaftlicher Prozess, der dort zu gestalten ist, der mit vielen Verwerfungen verbunden ist, mit positiven aber eben manchmal auch mit negativen Aspekten."

Während der Sitzung des Menschenrechtsrats zu Deutschland auf dem Podium u.a. Delegationsleiter Markus Löning und Botschafter Hanns Schumacher (Foto: Claudia Witte/DW)
Sitzung des Menschenrechtsrats: 200 Empfehlungen für DeutschlandBild: StV-DB

Was hilft gegen Rassismus?

Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und die Lage der Migranten, dies waren die großen Themen, die sich durch die Mehrzahl der Redebeiträge zogen. Die Anhörung verdeutlichte, wie sehr diese Fragen das Deutschlandbild im Ausland prägen. Der Vertreter Großbritanniens, Ian Duddy, erntete zustimmendes Kopfnicken im Saal, als er Deutschland aufrief, "eine umfassende Strategie zum Kampf gegen Rassendiskriminierung auf Bundes-, Länder- und Lokalebene zu entwickeln" und er mahnte einen breit gefassten Rassismus-Begriff an, "der indirekte, strukturelle und institutionelle Diskriminierung umfasst." China hingegen empfahl Internetkontrolle und Medienzensur gegen das, was Botschaftssekretär Yang Chuanhui als "anhaltenden schwerwiegenden Rassismus" diagnostizierte: "Die chinesische Delegation empfiehlt, dass Deutschland vorbeugende Maßnahmen gegen die Verbreitung rassistischer und fremdenfeindlicher Äußerungen in den Medien und im Internet trifft."

96 Staaten haben das Wort ergriffen und zusammen genommen 200 Empfehlungen abgegeben. Darunter befinden sich auch Empfehlungen von Ländern, die in Deutschland Menschenrechte anmahnen, die sie selbst zu Hause aufs gröbste verletzen. Wenn Nordkorea fehlende Rede- und Versammlungsfreiheit beklagt, Russland übermäßige Polizeigewalt kritisiert und Pakistan in Deutschland religiöse Toleranz vermisst, dann sagt das nach Ansicht zahlreicher Beobachter mehr über die kritisierenden Länder aus als über die Lage der Menschenrechte in Deutschland.

Das große Sichten und Ordnen

Im Länderexamen des Menschenrechtsrats überprüfte Staaten haben die Möglichkeit, Empfehlungen ad hoc zur Umsetzung zu akzeptieren oder sie abzulehnen. Der deutsche Botschafter in Genf, Hanns Schumacher, hält nicht viel von solchen, wie er sagt, "Schnellschüssen". Es gebe viele gleichlautende, aber auch einige überflüssige Empfehlungen. "Insofern müssen diese 200 jetzt gesichtet werden, durchgeschaut werden und es muss gesehen werden, wie wir sie thematisiert zusammenfassen können, in der Hoffnung, sie möglichst alle vollständig zu erfüllen." Bis zum Herbst 2013 will die Bundesregierung festlegen, welche Empfehlungen sie im Sinne einer Selbstverpflichtung annimmt und welche nicht.

Vertrat Deutschland in Genf: Markus Löning, Menschenrechtsbeauftragter der Bundesregierung (Foto: Claudia Witte/DW)
Menschenrechtsbeauftragter Löning: "Ein schwieriger gesellschaftlicher Prozess"Bild: Claudia Witte

Entwaffnende Selbstkritik

Die Anhörung Deutschlands vor dem Menschenrechtsrat hob sich in zweierlei Hinsicht von den Pflichtübungen ab, die viele andere Länder in Genf absolvieren. Da war zum einen der selbstkritische Unterton, den Markus Löning als Delegationsleiter anschlug. "Ich danke Ihnen dafür, dass Sie das Thema in dieser Deutlichkeit und in dieser Klarheit auch angesprochen haben", erwiderte er etwa auf die vielfach geäußerte Besorgnis über den deutschen Umgang mit Migranten. "Es wird uns Anlass sein, dieses Thema noch mal in aller Sorgfalt, in aller Ruhe auch zu erwägen und gründlich zu überlegen, ob wir hier wirklich den vollen Umfang der politischen Antworten schon gefunden haben."

Und noch in einem weiteren Punkt legte die Anhörung Deutschlands die Messlatte für andere Staaten im Überprüfungsverfahren höher: Die deutsche Regierung und die deutsche Zivilgesellschaft traten nicht gegeneinander an, sondern suchten den Schulterschluss. Sie äußerten in vielen Fragen unterschiedliche Auffassungen, verloren aber ihr gemeinsames Anliegen nicht aus den Augen, wie Beate Rudolf, die Direktorin des Deutschen Instituts für Menschenrechte betont. "Das ist hier ja keine Imagekampagne, das Verfahren ist ja eins zur Verbesserung der Menschenrechtslage in allen Staaten der Welt, hier jetzt eben der Lage in Deutschland." Die richtige Arbeit gehe ja jetzt er los, meint sie. "Insofern ist es wichtig wie die Regierung mit den Empfehlungen umgehen wird, die in dem Verfahren jetzt gemacht werden und da hoffen wir eben auf eine öffentliche Debatte."