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Deutsche Schulen nutzen kaum Computer

Gaby Reucher20. November 2014

Neue Medien werden an deutschen Schulen zu wenig eingesetzt. Zu diesem Ergebnis kommt eine weltweite Studie, die Schüler aus 24 Ländern befragt hat. Sind deutsche Lehrer Computermuffel?

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Schlechtgelaunter Teenager vor dem Laptop (Foto: Fotolia/Antonioguillem)
Bild: Fotolia/Antonioguillem

30 Jahre Abitur, ein Wiedersehen in der alten Schule. Der neue Schulleiter führt durch das Gebäude, zeigt die Mensa für den Ganztagsunterricht und den neuen Inklusionsraum, wo behinderte und nichtbehinderte Kinder gemeinsam lernen. Die übrigen Klassenräume sehen nicht viel anders aus als vor 30 Jahren. Die Stühle nach vorne ausgerichtet, mit Blick auf die grüne Tafel. Ein ehemaliger Schüler fragt nach: "Wie sieht es denn bei Ihnen mit den Whiteboards aus?" Schließlich sei ja im Moment viel die Rede von elektronischen Medien im Unterricht. Der Direktor muss passen. "Nein, damit arbeiten wir hier in der Regel nicht", erklärt er.

Das Gymnasium ist kein Einzelfall. Die Ausstattung mit neuen Medien ist in Deutschland von Schule zu Schule sehr unterschiedlich. Während bei den einen Whiteboards in jeder Klasse die Tafel längst ersetzt haben und Schüler an ihren Plätzen mit Tablets arbeiten können, hinken andere Schulen dem digitalen Zeitalter noch weit hinterher. In einer internationalen Studie wurde jetzt erstmals getestet, wie gut Schüler mit neuen Medien im Internetzeitalter umgehen können. Bei der Studie "Internatioal Computer Information and Literacy Study" (ICILS) wurden Achtklässler aus 24 Ländern getestet und befragt. Der unterschiedliche Umgang an deutschen Schulen mit Computern und Co. spiegelt sich auch in der Studie wider: Was den allgemeinen Umgang mit neuen Medien anbelangt, liegen deutsche Schüler im Mittelfeld. Am besten schnitten die Tschechische Republik, Kanada und Australien ab.

Schlechte Ausstattung an vielen Schulen

"Das ist besser, als ich gedacht hätte", sagt Sven Kommer, Pädagogikprofessor an der Rheinisch Westfälisch technischen Hochschule (RWTH) Aachen und Vorsitzender der Initiative "Keine Bildung ohne Medien". Er kennt viele Schulen, für die elektronische Medien noch ein Fremdwort sind. Besorgt sieht er deshalb eine andere Zahl der Studie, nämlich dass rund 30 Prozent der deutschen Schüler nur geringe PC-Kenntnisse haben. "Die sind dann später kaum berufstauglich, denn selbst der Automechaniker kommt heutzutage nicht ohne digitale Technik aus." Besonders davon betroffen seien Kinder mit Migrationshintergrund und Kinder aus sozial schwächeren Familien.

Max, Philip und Marija aus der 7b des Neuen Gymnasiums Rüsselsheim (Hessen) arbeiten am 30.01.2013 in einem Klassenraum an ihren Tablet-PC's. (Foto:dpa)
So digital wie am Neuen Gymnasiums Rüsselsheim sieht es längst nicht in jedem deutschen Klassenzimmer ausBild: picture-alliance/dpa

In Deutschland war das Institut für Schulentwicklungsforschung der Technischen Universität Dortmund an der Studie beteiligt. 142 Schulen wurden unter die Lupe genommen. Das Team um Professor Wilfried Bos und Professor Birgit Eickelmann von der Universität Paderborn wollte herausfinden, wie Schüler mit computerbasierten Tests zurechtkommen, was Lehrer und Schulleiter zur Ausstattung an ihrer Schule sagen und wie die neuen Technologien im Unterricht angewendet werden. Dabei kam heraus, dass die Nutzung der neuen Technologien selbst dann, wenn Schulen in dieser Hinsicht gut ausgestattet sind, im internationalen Vergleich weit unterdurchschnittlich ist. Während international 53,6 Prozent der Achtklässler den Computer wöchentlich nutzen, hinkt Deutschland mit 31,4 Prozent weit hinterher. Vorreiter sind Australien und Dänemark. Das sei zu wenig, um die Kompetenzen der Schüler weiter auszubauen, heißt es im Resumee der Studie.

Nicht nur wissen wie's funktioniert

Fast jedes Kind in der weiterführenden Schule hat in Deutschland heute ein Handy oder zu Hause Zugang zu einem Computer. Die Jugendlichen können blitzschnell Nachrichten über WhatsApp schreiben oder Bilder auf Instagram hochladen und wissen, wie man ein Video bei YouTube einstellt. Aber lernen sie auch, sich in der Flut der Medienwelt zurechtzufinden? "Mit der Mediengesellschaft muss man umgehen können", meint Medienpädagoge Sven Kommer. "Man muss abschätzen können, wie zum Beispiel eine Trefferliste von Google zustande kommt und wie sie zu bewerten ist oder wie man die Medien zur Meinungsbildung nutzen kann". Um die Medienkompetenz ging es auch bei der ICILS-Studie. Bos und Eickmann betonen, dass es weltweit eine rasante technologische Entwicklung in allen Lebens- und Arbeitsbereichen gebe. Deshalb würde es auch immer wichtiger, medial vermittelte Informationen richtig auszuwählen, zu verstehen und zu nutzen.

Bildungsforscher Wilfried Bos (Foto: Stephanie Pilick/dpa)
Bildungsforscher Wilfried BosBild: picture-alliance/dpa/S. Pilick

Dass deutsche Schulen nicht gerade Vorreiter im Umgang mit digitalen Medien sind, ist nicht neu. Bereits 1996 gründete das Bundesministerium für Bildung und Forschung gemeinsam mit der Deutschen Telekom AG das Programm "Schulen ans Netz". Alle Schulen in Deutschland, damals 35.000 an der Zahl, sollten mit einem eigenen Internetanschluss versorgt werden. Die bundesweite Medieninitiative wurde 2012 eingestellt. Zwar haben die Schulen mittlerweile einen Internetanschluss, doch schon damals sagte die federführende Geschäftsführerin Maria Brosch, dass ein Internetanschluss alleine nicht ausreiche. "Es fehlen immer noch vernünftige Konzepte", sagt Sven Kommer von der Initiative "Keine Bildung ohne Medien". "Die Lehrer wissen gar nicht, was alles im Unterricht mit neuen Medien möglich ist."

Lehrer haben Angst vor neuen Medien

Aus seiner Praxis in der Lehrerausbildung weiß er, dass viele Lehramtsstudierende auch heute noch den neuen Medien gegenüber skeptisch sind. "Sie haben Angst, man könne mit Computerprogrammen nichts lernen und das ganze sei doch sowieso nur Spielerei." Das bestätigt auch die Studie. Ein Großteil der Lehrer äußert hierzulande die Sorge, dass Computer von Schülern nur genutzt würden, um Quellen zu kopieren. Selbst an der RWTH in Aachen gäbe es in der Lehrerausbildung nur ein Pflichtseminar, wo es um die Möglichkeiten des Medieneinsatzes ginge, beklagt Kommer. "Dabei gibt es weit mehr Möglichkeiten als digitale Vokabel- oder Mathetrainer." So könne man mit Smartphones oder Tablets eigene Filmgeschichten oder Podcasts produzieren. "Indem man ein Thema so aufbereitet, hat man auch wieder etwas über das Thema an sich gelernt."

Die 12-jährige Lotta hält am 31.03.2014 in Berlin einen Tablet-Computer und surft im Internet. (Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa)
Tablets gehören für viele Jugendliche zum AlltagBild: picture-alliance/dpa/B. von Jutrczenka

Als Ergebnis halten die Macher der Studie denn auch fest, dass es nicht reiche, dass Kinder in einer von Technologien geprägten Welt aufwachsen. Sie müssten auch im richtigen Umgang mit den Medien geschult werden, um vorhandene Kompetenzen weiter zu fördern. In die Ausbildung der Lehrer und in die Ausstattung von Schulen müsse daher noch viel stärker investiert werden.