Vatikan rügt deutsche Katholiken
13. September 2019Der Vatikan warnt die deutsche Kirche vor Entscheidungen zu Reizthemen wie Zölibat und Frauen in der Kirche und sieht auch die Beteiligung von Laien an Entscheidungen kritisch. Das geht aus einem von der Deutschen Bischofskonferenz veröffentlichten Schreiben des Präfekten der Kongregation für die Bischöfe, Kardinal Marc Ouellet, hervor. In dem Gutachten lässt der Vatikan kaum ein gutes Haar am geplanten Reformprozess der katholischen Kirche in Deutschland.
Die Deutsche Bischofskonferenz (DBK) will zusammen mit dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK), ab dem ersten Advent den sogenannten synodalen Weg starten. Im ZdK sind die Laien - also die ganz normalen Gläubigen - vertreten. Beim sogenannten synodalen Weg soll in Gesprächsforen offen über Themen wie Macht, Sexualmoral, Lebensformen der Priester oder die Rolle der Frau in der Kirche gesprochen werden. Die Vorbereitungen befinden sich in der Schlussphase, an diesem Wochenende sollen in Fulda weitere Beratungen stattfinden. All diese Punkte haben nach Expertenmeinung strukturell dazu beigetragen, dass sexueller Missbrauch in der Kirche über so lange Zeit ungestraft stattfinden konnte.
Die Kirche nicht "demokratisch strukturiert"
Der Vatikan äußert jedoch erhebliche Zweifel daran, ob die deutsche Kirche diese Themen überhaupt behandeln darf. Solche Diskussionen überschreiten die Zuständigkeit einer Teilkirche, heißt es in dem Gutachten des Päpstlichen Rates. "Wie kann eine Versammlung einer Teilkirche über Themen der Weltkirche beschließen und wie kann sich eine Bischofskonferenz von einer Versammlung dominieren lassen, von der die meisten Mitglieder keine Bischöfe sind?" Der synodale Vorgang müsse sich demnach "im Leib einer hierarchisch strukturierten Gemeinschaft" vollziehen. Zwar könnten sich Laien an den Beratungen beteiligen, doch "die Entscheidung ist eine Verantwortung des Amtes", heißt es in dem Schreiben.
Dabei bezieht sich Kardinal Ouellet, der das Gutachten in Auftrag gegebenen hat, ausdrücklich auf einen im Juni von Papst Franziskus veröffentlichten Brief an die Katholiken in Deutschland, der von der Bischofskonferenz als Ermutigung für eine offene Diskussion gesehen wurde. Das jetzt veröffentlichte Schreiben des Vatikans lässt dagegen keinen Spielraum mehr für Interpretationen. Sehr kritisch sieht der Päpstliche Rat die Beteiligung des Zentralkomitees der deutschen Katholiken an dem Reformprozess. Der Päpstliche Rat betonte, die katholische Kirche sei "nicht demokratisch strukturiert". Entscheidungen würden letztlich von den Bischöfen getroffen.
"Maske des Reformers fällt"
Die Deutsche Bischofskonferenz schlägt nach dem veröffentlichen Vatikan-Gutachten versöhnlichere Töne an. DBK-Sprecher Matthias Kopp wies in einer Reaktion darauf hin, dass sich der Päpstliche Rat auf einen Satzungsentwurf beziehe, der nicht mehr aktuell sei. Die aktuelle Fassung enthalte einige der kritisierten Punkte nicht mehr. Wie verlautet, soll in wichtigen Fragen allein das Votum der Bischöfe ausschlaggebend sein. Der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, will laut Mitteilung kommende Woche nach Rom reisen, um "etwaige Missverständnisse" auszuräumen.
Anders äußerte sich ZdK-Präsident Thomas Sternberg. Er betonte, man werde den "synodalen Weg" gemeinsam mit den Bischöfen fortsetzen: "Glaubt irgendjemand, man könne in einer solchen Krise der Kirche das freie Gespräch, das nach Ergebnissen und notwendigen Reformschritten sucht, unterdrücken?"
Kirchenrechtsexperte Thomas Schüller schätzt allerdings die Erfolgsaussichten der deutschen Katholiken als nicht besonders hoch ein: "Der synodale Prozess kann damit nicht wie geplant durchgeführt werden." Für den Experten steht fest: "Die Maske des Reformers fällt Franziskus vom Gesicht." Für die katholische Kirche in Deutschland könnte das alles fatale Folgen haben, befürchtet er: "Die Letzten, die noch bereit waren, ernsthaft mitzudiskutieren, werden sich frustriert abwenden."
lh/se (dpa, afp, epd)