Freiheit für deutsche Journalisten?
25. November 2010Bereits seit etwa sieben Wochen sitzen zwei Reporter der deutschen Zeitschrift "Bild am Sonntag" im Iran in Haft. Die Reporter hatten vergangenen Monat versucht, mit dem Sohn und dem Anwalt von Sakineh Mohammadi Aschtiani zu sprechen, die wegen Ehebruchs zum Tode durch Steinigung verurteilt worden war. Kurz darauf wurden die beiden Männer in der nordwestiranischen Stadt Täbris festgenommen.
Ihnen wird unter anderem vorgeworfen, dass sie mit dem Ziel, Spionage zu betreiben in die islamische Republik eingereist seien. "Der Vorwurf wurde bestätigt", sagte der Justizchef der Provinz Ost-Aserbaidschan, Malekadschdar Scharifi, vergangene Woche. "Die Deutschen kamen mit Touristenvisa in den Iran, aber ihre Aktivitäten hier haben gezeigt, dass ihr Ziel Spionage und die Übermittlung von Informationen war, und dies ist bewiesen worden", so Scharifi weiter. Dem widersprach der iranische Oberstaatsanwalt Gholam-Hussein Mohseni-Edzehi nun. "Solange der Hergang, der zur Verhaftung der beiden Deutschen geführt hat, nicht aufgeklärt ist, geht das Rechtsverfahren gegen sie weiter", erklärte er. Von Spionage sprach der Oberstaatsanwalt auf seiner Pressekonferenz am Montag (22.11.2010) nicht. Er sagte jedoch, die beiden Journalisten blieben in Haft, solange das Verfahren andauere.
Deutsche Bemühungen
Unterdessen hat der deutsche Außenminister Guido Westerwelle am Mittwoch (24.11.2010) seine Erwartungen an die iranischen Behörden deutlich gemacht. Er wolle, dass die beiden deutschen Reporter so schnell wie möglich nach Deutschland zurückkehren können. Außerdem müsse es möglich gemacht werden, dass sie konsularisch betreut werden. Nach Angaben der Nachrichtenagentur Reuters ist bereits Anfang der Woche der Nahost-Beauftragte der deutschen Bundesregierung zu entsprechenden Gesprächen in den Iran gereist.
Ominöser Fernseh-Auftritt
Vergangene Woche wurden die Reporter im iranischen Fernsehen gezeigt. Während die Gesichter der Deutschen deutlich zu erkennen waren, wurden ihre Worte jedoch von einer Sprecherstimme überlagert.
Dem Sprecher zufolge räumten sie ein, "Fehler" gemacht zu haben. Zudem hätten sie die in Deutschland lebende Sprecherin des Komitees gegen Steinigung, Mina Ahadi, für ihre Inhaftierung verantwortlich gemacht. Einer der beiden Journalisten soll demnach gesagt haben, er hätte "keine Informationen über den Fall" gehabt, "aber Frau Ahadi wusste Bescheid und hat mich in den Iran geschickt, da meine Festnahme ihr zu Bekanntheit verhelfen sollte". Die angebliche Aussage des zweiten Deutschen lautet: "Ich gebe zu, dass ich einen Fehler gemacht habe, da ich keine Informationen über den Fall hatte und von Frau Ahadi ausgenutzt wurde."
Erzwungene Aussagen?
Ahadi selbst wies die Vorwürfe zurück: "Ich habe die Journalisten nicht in den Iran geschickt, ich habe mit ihnen über die Risiken gesprochen und ihnen geholfen, die Kontakte herzustellen", sagte sie. Ahadi vermutet, die Aussagen der inhaftierten Deutschen seien "unter Druck" entstanden. Die Fernsehsendung, in der der Bericht ausgestrahlt wurde, sei dafür berüchtigt, dass Menschen nach mehreren Wochen Haft öffentlich ein Schuldeingeständnis abliefern müssten. "Ich verteidige die beiden Journalisten", sagte Ahadi. Sie betonte, dass sie den Reportern keinesfalls ihre angeblichen Aussagen vorwerfe.
Angebliches Schuldeingeständnis im Fall Aschtiani
In der besagten iranischen Sendung wurden nicht nur die beiden Deutschen gezeigt, auch Aschtiani selbst kam in dem Bericht zu Wort. Allerdings wurde das Gesicht der 43-Jährigen gänzlich unkenntlich gemacht, und auch ihre Stimme war nicht zu hören. Nach Angaben des staatlichen Fernsehens war das eine Folge der Simultanübersetzung von aserbaidschanischem Türkisch in Farsi. "Ich bin eine Sünderin", soll Aschtiani in die Kamera gesagt haben. Auch ihr Sohn, Sadschdschad Kadersadeh, sowie ihr Anwalt Hutan Kian kamen zu Wort; allerdings sind auch sie nicht zu erkennen. Kadersadeh soll dem Sprecher zufolge eingeräumt haben, Anwalt Kian habe ihm erzählt, dass seine Mutter vor ihrer Aussage gefoltert worden sei und er ihm leider geglaubt habe. Der Mann, der in dem Bericht als Anwalt Kian vorgestellt wird, gibt ebenfalls zu, gegenüber der internationalen Presse im Fall Aschtiani Lügen verbreitet zu haben.
Dennoch hält der Vorsitzende des iranischen Menschenrechtsrats eine Begnadigung der zum Tode verurteilten Aschtiani für möglich. In einem Fernsehinterview mit dem englischsprachigen Sender Press-TV sagte Mohammad Dschawad Laridschani am Montag, das iranische Justizsystem habe sich sehr dafür eingesetzt, den Fall Aschtiani erneut zu prüfen. Er sehe eine "gute Chance", dass Aschtiani am Leben bleibe. Zwar nannte Laridschani für seine Einschätzung keine Gründe. Doch ist er der Bruder des Chefs der iranischen Justizbehörde, Ayatollah Sadeg Laridschani, und des Parlamentspräsidenten Ali Laridschani.
Autorin: Carloin Hebig / Michaela Paul (afp, dapd, dpa)
Redaktion: Diana Hodali / Thomas Latschan