Sind die Deutschen reich?
16. Februar 2012Während die Regierungen in der Krise jeden Cent zusammenkratzen, haben die Menschen in Deutschland erstmals mehr als 10 Billionen Euro Vermögen angehäuft. Zum Vergleich: Das ist so viel wie die Staatsschulden aller 27 EU-Mitglieder zusammen. Auf diesen Wert summiere sich das Geld- und Immobilienvermögen der privaten Haushalte im dritten Quartal 2011, wie der Bundesverband Deutscher Banken in Berlin auf Basis von Bundesbank-Daten mitteilte.
Vermögen wächst stetig
"Diese Monatsberichte sind für mich eine wahre Fundgrube", lobt der Finanzexperte und Geldhistoriker Bernd Sprenger im Gespräch mit der DW die regelmäßigen Publikationen der Deutschen Bundesbank.
Sprenger, der auch ein Buch über die Geldgeschichte Deutschlands von den Anfängen bis zur Gegenwart verfasst hat, blickt zurück: "Noch 1960, also 12 Jahre nach der Währungsreform, betrug das Geldvermögen gerade einmal 165 Milliarden D-Mark" (rund 80 Milliarden Euro, Anm. d. Red.). 30 Jahre später, kurz vor der Wiedervereinigung habe das Vermögen bereits rund 2,8 Billionen D-Mark betragen, also etwa 1,4 Billionen Euro. "Die Deutschen waren also schon sehr fleißig in den letzten 60 Jahren", fügt der Historiker schmunzelnd hinzu.
In der aktuellen Vermögensstatistik von rund 10 Billionen Euro sind laut Bankenverband Sachvermögen wie Autos, Möbel, Schmuck und Kunstsammlungen noch nicht eingerechnet. Zieht man die 1,5 Billionen Euro Kreditschulden ab, bliebe den Deutschen ein Nettovermögen von deutlich mehr als 8 Billionen Euro – ein Gesamtwert, der natürlich noch nichts über die Verteilung des Reichtums aussagt.
Sicherheit geht vor
Ein Gesamtguthaben von acht Billionen entspricht immer noch viermal der deutschen Staatsverschuldung von knapp 2,1 Billionen Euro. Die 17 Euro-Staaten kamen im dritten Quartal nach Angaben der Europäischen Statistik-Behörde Eurostat auf 8,2 Billionen Euro Schulden. Alle 27 Mitglieder der Europäischen Union stehen gemeinsam mit 10,3 Billionen Euro in der Kreide.
Die Deutschen setzten gerade beim Finanzvermögen auf Sicherheit: Von den knapp 4,7 Billionen Euro Geldvermögen entfallen mehr als zwei Drittel auf Bargeld, Spar- und Festgeldkonten sowie Ansprüche gegenüber Versicherungen. Nur fünf Prozent sind in Aktien investiert.
Höchstwert im Frühjahr 2011
Allein das Geldvermögen hat sich in den vergangenen 20 Jahren fast verdreifacht: Es stieg von 1.750 Milliarden Euro im ersten Quartal 1991 auf mittlerweile 4.662 Milliarden Euro. Der höchste Wert war im zweiten Quartal 2011 mit 4.725 Milliarden Euro erreicht worden.
"Auf lange Sicht ist das Vermögen der Deutschen kontinuierlich gewachsen", betont der Geldhistoriker Bernd Sprenger gegenüber der DW. Nur durch vorübergehende Rückschläge und drastische Einbrüche an den Finanzmärkten sei beispielsweise der Wert von Aktiendepots gesunken und damit auch das Gesamtvermögen geschrumpft. "Es lag aber nie daran, dass die Deutschen ihre Ersparnisse angerührt haben", so Sprenger. Es wurde schon regelmäßig gespart, der Wert der Ersparnisse sank lediglich durch Kursverluste.
Autor: Klaus Ulrich (mit dpa)
Redaktion: Monika Lohmüller