Deutsche beim Klimaschutz eher zögerlich
30. März 2023Es war eine herbe Niederlage, die die deutsche Klimaschutzbewegung da am vergangenen Sonntag einstecken musste: Mir erheblichem, auch öffentlich wirksamem Aufwand hatte sie in Berlin eine Volksabstimmung darüber organisiert, ob die Hauptstadt schon 2030 und nicht, wie bislang geplant, 2045 klimaneutral werden soll. Etwas über 600.000 Stimmen hätten die Initiatoren, das Bündnis "Klimaneustart", zusammenbringen müssen, damit die frühere Klimaneutralität hätte Gesetz werden können in der Stadt.
Ein herbe Niederlage
Doch am Ende waren es gerade einmal 442.000 Berliner, die die Idee gut fanden. Schlimmer noch für die Aktivisten: Fast genauso viele Menschen, etwa 423.000, stimmten mit Nein. Dabei hatten auch die Organisatoren selbst erwartet, dass diese Skeptiker eher gar nicht abstimmen würden, als sich die Mühe zu machen, ins Wahllokal zu gehen. Klimaneutralität bedeutet, dass keine klimaschädlichen Gase ausgestoßen werden, die über jene hinausgehen, die durch die Natur aufgenommen werden. Die Emissionen etwa von Autos mit Verbrenner-Motoren, Heizungen und Flugzeugen müssten deshalb um rund 95 Prozent im Vergleich zu 1990 gesenkt werden. Deutschland als Ganzes hat das Ziel, bis 2045 klimaneutral zu werden, die Europäische Union bis 2050.
Entsprechend groß war nach der Niederlage bei der Volksabstimmung der Frust bei den Klimaaktivisten. Die bekannteste Sprecherin der Klimaschutzbewegung „fridaysforfuture", Luisa Neubauer, sagte: "Wir lassen uns nicht aufhalten von den Kritikern und Nörglern."
Immer weniger glauben an die Energiewende
Was ist los mit den Deutschen? Noch in fast jeder Umfrage betonen die Menschen die Wichtigkeit des Klimaschutzes. Aber wenn die Forderung mit konkreten Schritten unterfüttert wird, zögern die Menschen. Und sie trauen den Versprechungen der Politik immer weniger, dass der Klimaschutz wirklich ernst genommen wird. Nur zehn Prozent der Befragten einer aktuellen Umfrage des renommierten Forsa-Instituts glauben, dass der Energiebedarf des Landes vollständig von erneuerbaren Energien gedeckt werden kann. Erstaunlich dabei: Weit weniger Menschen glauben an die Energiewende als noch vor zwölf Jahren. Da hatte die gleiche Frage ergeben, dass rund 39 Prozent der Befragten meinten, dass Deutschland sich sehr wohl allein mit erneuerbaren Energien versorgen könne.
Latif: "Pandemie und Krieg zermürben die Leute"
Für den Klimaforscher Mojib Latif, Seniorprofessor der Christian-Albrechts-Universität in Kiel und seit Januar 2022 Präsident der Akademie der Wissenschaften in Hamburg, ist das alles kein Wunder. Er sagt im Gespräch mit der DW: "Der Klimaschutz ist für die Menschen im Moment nicht mehr prioritär. Die Menschen sind erschöpft von der Pandemie, den Kriegsmeldungen aus der Ukraine und den steigenden Energiepreisen." Und Latif zieht eine Parallele zu den Ereignissen vor 16 Jahren. Damals, 2007, erhielten der frühere US-Vizepräsident und Klimaaktivist Al Gore und der UN-Klimarat IPCC den Friedens-Nobelpreis, der Klimaschutz war auch in Deutschland in aller Munde. Dann kam 2008 die weltweite Finanzkrise und verdrängte die Reduktion der Treibhausgase aus den Schlagzeilen. Latif: "Wir gewinnen die Menschen nicht für den Klimaschutz, nur weil sie gute Menschen sind." Aktuelles Beispiel: Lange Wochen verursachte zuletzt der Plan des deutschen Wirtschafts- und Klimaschutzministers Robert Habeck von den Grünen Verunsicherung, bereits vom kommenden Jahr an neue Gas- und Ölheizungen zu verbieten. Jetzt hat die Regierung den Entwurf entschärft und spricht davon, "möglichst" viele Heizungen auf die klimaschonenden, aber teuren Wärmepumpen umzurüsten. Mojib Latif nennt ein anderes Beispiel, dass durch die Politik eher schlecht kommuniziert wird: ein mögliches Tempolimit von 100 oder 130 Stundenkilometern auf deutschen Autobahnen. Latif: "Zumeist wird das Tempolimit auf Autobahnen in Deutschland nur unter dem Gesichtspunkt der Einschränkungen debattiert. Wieviel Energie dabei gespart wird, wird kaum angesprochen."
Mohn: "Maßnahmen müssen für alle gleich sein"
Carel Mohn, Chefredakteur von "klimafakten.de", einer Plattform, die kontinuierlich über Klimafragen informiert, ergänzt im Gespräch mit der DW: "Die Menschen nehmen zunächst in ihrem persönlichen und gesellschaftlichen Umfeld wahr, dass es der sozialen Norm entspricht, für Umweltschutz, Naturschutz und Klimaschutz zu sein. Menschen orientieren sich an solchen Normen, was eine Erklärung dafür ist, dass entsprechende Aussagen in Umfragen deutlich unterstützt werden. Aber wenn die Politik konkrete Maßnahme ergreift, müssen die schon gut und vor allem mit einer positiven Aussage vermittelt werden." Mohn weiter: "Die Menschen müssen den Sinn der Maßnahmen verstehen - wozu natürlich auch gehört, dass sie verständlich kommuniziert und erklärt werden. Die Maßnahmen sollen praktisch umsetzbar sein (oder als solches wahrgenommen werden), der Umsetzungsaufwand sollte vertretbar sein. Und die Maßnahmen sollten für alle gelten und alle gleichermaßen und in fairer Weise belasten."
Genau das war bei Habecks Heizungs-Plänen offenbar nicht der Fall. Die Menschen hatten das Gefühl, dass vor allem die Mieter und die kleinen Eigenheimbesitzer auf den hohen Kosten für eine Umrüstung sitzen bleiben könnten. So bleibt es, wie gut gemeint auch immer die Vorschläge der Politik sein mögen, ein großes Problem, wie die Menschen bei Klimaschutz-Maßnahmen genau mitgenommen werden.
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