Deutsche Autohersteller im Aufwind
5. Juli 2014Die deutsche Automobilindustrie denkt gerne in Superlativen. Der Erfolg gibt ihr oftmals Recht, doch seit dem Ausbruch der Finanz- und Wirtschaftskrise haben sich selbst Konzerne wie Daimler, BMW und Volkswagen an einen rauen Wind gewöhnen müssen. 2009 wurden in Westeuropa noch knapp 14 Millionen PKW verkauft, 2013 waren es nur noch 11,6 Millionen. In diesem Jahr stehe nun zumindest wieder eine 12 vor dem Komma, prognostiziert der Präsident des Verbandes der Automobilindustrie (VDA), Matthias Wissmann.
Damit sei das Potenzial, das Westeuropa allein habe, um seine Flotten zu erneuern, noch nicht einmal ausgereizt. "Da spreche ich gar nicht von sonstigen dramatischen Wachstumsschüben." Die Einschätzung basiere zudem auf Zahlen aus Südeuropa. Je mehr sich die Lage und Psycholgie dort erhole und stabilisiere, desto mehr würden sich "die Zahlen auch langsam in ganz Westeuropa wieder in vertretbare Größenordnungen" entwickeln.
Gute Exportzahlen
"Vertretbar", das ist ein Begriff, der bescheiden anmutet. Und doch misst der VDA der Entwicklung auf dem europäischen Markt eine große Bedeutung bei.
Jedes zweite Auto, das in Westeuropa neu zugelassen wird, ist eine deutsche Konzernmarke. Wenn es in Europa aufwärts geht, dann sind die deutschen Autobauer mit die ersten, die davon profitieren. "Die Wachstumslokomotive für unseren Export ist derzeit die EU", stellt Wissmann fest.
Bis zum Mai sei die PKW-Ausfuhr in die EU-Länder um 16 Prozent gestiegen. Auch der Export nach Asien erhöhte sich um knapp 16 Prozent, während die Ausfuhr in die USA lediglich um zwei Prozent zulegen konnte. Insgesamt stieg der Export aus Deutschland im ersten Halbjahr um sieben Prozent auf 2,2 Millionen Automobile.
Der VDA hat seine Exportprognose von bisher zwei auf fünf Prozent erhöht. Und das, obwohl der Absatz nach Südamerika, Indien, die Türkei und Russland zum Teil deutlich zurückgegangen ist. 2014, so Wissmann, sei "ein Jahr des automobilen Wachstums". Die guten Ausfuhrzahlen haben die Produktion im Inland deutlich angekurbelt. Sie legte bis Juni um sechs Prozent zu. In absolute Zahlen übersetzt heißt das, dass in Deutschland in diesem Jahr voraussichtlich 5,65 Millionen PKW produziert werden, von denen 77 Prozent ins Ausland exportiert werden.
Weitaus mehr Autos produzieren die deutschen Konzerne allerdings an ihren ausländischen Standorten. Dort soll die Fertigung in diesem Jahr um fünf Prozent auf 9,15 Millionen PKW steigen.
Wo bleiben die Elektroautos?
Wissmann warnt allerdings vor zu viel Euphorie: "Diese ganzen Erfolge sind kein sanftes Ruhekissen. Wir sehen an mehreren Stellen Risiken, die auf den Produktions- und Exportstandort Deutschland zukommen." Er nennt unter anderem "die dramatisch gestiegenen Energiekosten", auch die jüngst entschiedene "zusätzliche Belastung der Eigenstromerzeugung", bei der sich Unternehmen, die selbst Strom erzeugen, auch an den Kosten der Energiewende beteiligen müssen. Nicht zuletzt müssten die Standorte die Rentenbeschlüsse über höhere Sozialabgaben mit finanzieren.
Die Industrie leistet, die Politik bremst, diesem Muster folgt Wissmann auch bei der Bewertung der nach wie vor in den Kinderschuhen steckenden Elektromobilität. Eine Million Fahrzeuge sollen nach den Plänen der Bundesregierung bis 2020 auf deutschen Straßen unterwegs sein. Eine Utopie? VDA-Präsident Wissmann wertet es schon als Erfolg, dass in diesem Jahr erstmals mehr als 10.000 elektrisch angetriebene Fahrzeuge hierzulande neu zugelassen werden.
Das liegt seiner Ansicht nach vor allem an der Attraktivität der 16 Serienmodelle, die deutsche Hersteller in diesem Jahr auf den Markt bringen. Im kommenden Jahr sollen 13 weitere dazu kommen. In keinem anderen Land hätten die Kunden eine größere Auswahl. Die deutsche Automobilindustrie stehe damit unter den Anbieternationen auf der "Pole Position" und habe ihre Aufgabe erfüllt.
Forderungen an die Politik
Jetzt finden die Automobilbauer sei die Politik am Zug. "Wir hinken auf dem Weg zum Leitmarkt Deutschland im internationalen Vergleich noch hinterher. Hier haben wir noch nicht überall die richtigen Rahmenbedingungen", kritisiert Wissmann die Bundesregierung. Deshalb sei es wichtig, dass der Verkehrsminister "zeitnah" ein erstes Elektromobilitäts-Gesetz auf den Weg bringe, das für eine eindeutige Kennzeichnung von Elektrofahrzeugen sorge und bundesweite Sonderrechte für Elektrofahrzeuge, zum Beispiel die Öffnung von Busspuren oder bevorzugte Parkräume, einführe. "Diesem richtigen Schritt müssen weitere folgen."
Vielleicht würde die Fahrt mit dem eigenen Auto dann auch in Deutschland wieder attraktiver werden. Das leichte Plus bei den Neuzulassungen von zwei Prozent im Vergleich zum letzten Jahr ist allein auf Zuwächse bei den Firmenwagen zurückzuführen. Die Deutschen, so analysiert Wissmann, würden ihr Geld derzeit lieber in den Kauf von Immobilien stecken. Das Geschäft mit den Privatkunden liefere im Moment "keinen Grund für Freudentänze".