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Deutsch jenseits von "Blitzkrieg"

Linda Csapo16. August 2006

Längst sind es nicht mehr nur zackige Militärausdrücke aus der Nazizeit, die ihren Weg in fremde Sprachen gefunden haben. Germanismen zieren andernorts zunehmend auch Werbeslogans, Feuilletons und sogar Wörterbücher.

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"Wörterwanderung": Ein internationaler Wettbewerb des Deutschen Sprachrates

Ob als Franglais, Denglisch oder Chinglish – dass englische Ausdrücke einen unaufhaltbaren Siegeszug in die Sprachterritorien dieser Welt angetreten haben, wird nur jemand bezweifeln, der überhaupt nicht up-to-date ist. Für die Internet-Community galt dies ohnehin schon seit jeher, aber Englisch ist mittlerweile auch in Werbung, Film und Fernsehen ein solcher Eye- und Earcatcher geworden, dass mancherorts die eigene Muttersprache bereits als regelrecht altmodisch gilt. Die deutsche Medienlandschaft nimmt sich da nicht aus: Laut einer Studie der Universität Hamburg hat sich der englischsprachige Anteil von in Deutschland ausgestrahlter, gedruckter oder plakatierter Werbung zwischen 1980 und 2004 von drei auf dreißig Prozent verzehnfacht.

Deutsche Ausdrücke als schicker "ersatz"

Doch seit einiger Zeit hat gerade im englischsprachigen Raum eine diametral entgegensetzte Bewegung eingesetzt: Was bei uns als verstaubt angesehen wird, gilt dort zunehmend als schick - besonders "bildungsbürger" schmücken ihre Schrift und Sprache hie und da immer häufiger mit einem irgendwie deutsch klingenden "ersatz". Die "New York Times" schreibt in ihren Bücherrezensionen mittlerweile wie selbstverständlich über "bildungsromane", deren "leitmotifs" nicht selten vom "weltschmerz", "kulturkampf" oder gar dem "lumpenproletariat" handeln. "Schadenfreude" empfinden die Engländer und Amerikaner alleine schon mangels echter muttersprachlicher Alternative - ähnliches gilt für "wunderkind", "glockenspiel" und den "rollmop" [sic]. Die "angst" dagegen ist mittlerweile so fest als dunklere, psychologische Variante des englischen "fear" etabliert, dass sie als solche bereits seit längerem in angelsächsischen Wörterbüchern zu finden ist.

"Meist sind es Journalsiten, die diese Ausdrücke als Erste benutzen, weil sie interessant klingen möchten", so Jeremy Butterfield, Direktor der Wörterbuch-Sparte des Verlags HarperCollins in Glasgow. Diese werden dann im Lauf der Zeit von den Lesern übernommen und etablieren sich über kurz oder lang in bestimmten Zirkeln, die so etwas eben als "zeit-geisty" erachten.

Weltweite "Wörterwanderung"

Doch deutsche Sprachfragmente hat es bei weitem nicht nur in den angloamerikanischen Raum verschlagen – sie sind in unterschiedlicher Ausprägung weltweit zu finden: Der Deutsche Sprachrat und das Goethe-Institut rufen in ihrem Wettbewerb "Wörterwanderung" dazu auf, deutsche oder deutsch-stämmige Ausdrücke und Wörter in fremden Sprachen aufzuspüren – bislang gab es an die 3000 Einsendungen aus über 50 verschiedenen Sprachräumen. "Deutsche Sprachexporte sind ein vollkommen natürlicher Prozess und eigentlich nichts Neues", erklärt Wettbewerbskoordinator Rolf Peter vom Deutschen Sprachrat. Anhand des Wettbewerbs wolle man dies nun hervorheben und zeigen, dass bei weitem nicht nur die allseits bejammerten Anglizismen um sich greifen.

Bei deutschen Sprachwanderungen seien laut Peter bestimmte Wellenbewegungen zu beobachten: Immer dann, wenn Deutsche auf einem bestimmten Feld weltweit Maßstäbe gesetzt hätten - sei es im Ingenieurswesen, in den Geisteswissenschaften, im Naturschutz - seien auch entsprechende Fachausdrücke exportiert worden, die sich dann langsam den Weg in die jeweilige Alltagssprache gebahnt hätten. "Gängige Beispiele sind Sigmund Freuds 'über'-Begriff als trendige Steigerungsform in der englischen Sprache, oder 'le waldsterben' im Französischen", so Peter weiter.

Heidenspaß für Etymologen

Der Wettbewerb, der noch bis zum 30. September läuft, hat aber auch weitaus kuriosere Ausdrücke ans Tageslicht gebracht. Aus Südafrika schickte ein Teilnehmer die Bezeichnung für U-Boot in der Sprache Afrikaans ein: das "Kanitzeen"-Boot ist auf "ich kann es nicht sehen" zurückzuführen – wenn das Boot in den Tauchgang startet. "Nosukaputt" bedeutet Narkose auf Kisuaheli, "vasistas" steht für Oberlichtfenster im Französischen – ein Heidenspaß für Etymologen!

Auch eine kleine Rache für den Anglizismenschwall der letzten Jahrzehnte ist unter den Einsendungen dabei: Das vermeintliche Englisch-Derivat "Handy" - das in Wahrheit eine deutsche Wortneuschöpfung ist - hat seinen Weg bereits zurück in die falsche Heimat gefunden und ist an der Ostküste der USA als Bezeichnung für Mobiltelephon angeblich schon fest etabliert.

Weitgehend positiv besetzt

Bemerkenswert an den Einsendungen sei laut Peter schließlich noch, dass bislang nahezu keine negativ konnotierten Begriffe dabei wären. Der tschechische "líbesbríf", der polnische "wihaister" (für Dingsbums), das norwegische "nachspiel" (für Absacker) – insgesamt liefe es eher auf Angenehmes bis Drolliges hinaus. "Gewiss, einige Ausdrücke aus der Vergangenheit werden wir wohl nie ganz los werden," sagt Peter. Aber die deutsche Sprache genieße im Ausland schon lange einen weit besseren Ruf, als wir selbst immer glauben.