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Designbiennale erstmals in London

Judith Leeb9. September 2016

London hat zwei renommierte Design-Sammlungen - das Victoria and Albert Museum und das Design Museum - sowie ein erfolgreiches Design Festival. Jetzt bekommt die britische Hauptstadt erstmals eine Design Biennale.

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Kind vor "Wunschmaschine" auf der Design Biennale London. (Foto: dpa/T.Akmen)
Die gläserne "Wunschmaschine" (Wish Machine") transportiert alleBild: picture-alliance/dpa/T.Akmen

Die Ambitionen sind hoch: "Utopia by Design" heißt das Motto der ersten Design Biennale in London. Um nichts weniger als die Rolle des Designs in der Gestaltung der Zukunft geht es – und das überall auf der Welt. 37 Nationen sind durch Designer oder Künstler vertreten, die ihre jeweils eigene Vision präsentieren. Ben Evans, Artdirektor der Biennale erklärt die Konzeption: "Wir wollten eine möglichst große Vielfalt. Manche Beiträge sind skultpural, manche experimentell oder ziemlich technisch, andere dagegen vermitteln neue Erfahrungen."

Orangefarbener Eingang zur 1. Design Biennale London. (Foto: DW/Judith Leeb)
Die Design Biennale findet zum ersten Mal in der Kulturmetropole London stattBild: Judith Leeb

Weltausstellung der Kreativität

London nahm sich die Biennalen Venedigs zum Vorbild – jedes zweite Jahr will die britische Hauptstadt in Zukunft eine Weltausstellung der teilnehmenden Nationen veranstalten. Zur Premiere kamen auch Künstler aus in der 'Designszene weniger bekannten Ländern wie Indonesien, Libanon, Italien und Südafrika. Ben Evans freut sich, dass auch kleinere Nationen wie Albanien dabei sind.

"War Ihnen bekannt, dass das Land die einzige Nation ist, das einen Künstler – Edi Rama - zum Ministerpräsidenten hat?", fragt er. "Wir Briten wissen wenig über diese Kultur, wenige von uns machen dort Urlaub. Für solche Länder ist diese Biennale eine gute Plattform, Geschichten zu erzählen und die eigene Kultur einem großen Publikum bekannter zu machen."

Außenwirksamkeit mittels Design

Designer Konstantin Grcic. Foto: DW/Judith Leeb
Designer Konstantin Grcic in LondonBild: Judith Leeb

Designer Konstantin Grcic (Foto), der auf der Londoner Biennale den deutschen Pavillion gestaltet hat, beobachtet, dass Design seinen "schlechten, inflationären Ruf der Fassade und des Make-Ups" verloren hat. "Jetzt kommt der Begriff Design in unseren Sprachgebrauch zurück, um ganz viele Dinge und Prozesse zu beschreiben", sagt er im DW-Interview. "Nicht nur das Machen von Dingen, sondern auch das Erfassen von Problemen, das Strukturen schaffen, Dinge ordnen und sortieren ist gemeint. Und ich finde, es ist eine totale Aufwertung."

Eine Aufwertung, die sich in zunehmendem ökonomischen Profit niederschlägt. Das sieht man nirgendwo so deutlich wie in Großbritannien, bestätigt Biennale-Direktor Ben Evans: "Der britische Designsektor, mit seinen über zwanzig verschiedenen Ausrichtungen wie Mode, Möbel, Gameentwicklung, etc. ist nach der Finanzbranche die wichtigste ökonomische Stütze unseres Landes."

Politische Förderung

Auch der Design-Standort Deutschland nutzt diese Gelegenheit der Außenwerbung für die deutsche Kreativwirtschaft. Das allein zeigt schon das Novum, dass der deutsche Beitrag vom Auswärtigen Amt und dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie gemeinsam gefördert wird. Grcic wurde dazu als international bekannter Designer eingeladen. Er wollte keinen spezifisch deutschen Beitrag gestalten, sondern beschäftigte sich indirekt mit dem in Deutschland drängenden multinationalen Thema der Migration. Mit seiner Installation "Utopie heißt woanders", einem Zitat des amerikanischen Schauspielers John Malkovich, hinterfragt er die grundsätzliche Darstellbarkeit von Utopie.

Virtuelle Designmasken auf der Biennale. (Foto: Jonathan Nicholson/ NurPhoto)
Virtuelle Designwelten auf der Biennale ziehen junges Publikum anBild: picture-alliance/dpa/J. Nicholson

Kaminfeuer als Traummaschine

Die Besucher in London sind eingeladen, auf komfortablen Grcic-Stühlen vor einem Kaminfeuer Platz zu nehmen und die Gedanken schweifen zu lassen. Auf einem Bildschirm lodern die Flammen. "Utopie ist nicht fassbar, man kann sie nicht illustrieren oder bauen. Sobald man das tut, ist es keine Utopie mehr, sondern das Bild oder die Form davon", erklärt Grcic."Was es auslöst, ins Feuer zu gucken, ist etwas, was uns Menschen, was alle Kulturen verbindet: 'Feuer is for free.' Das ist nichts, was sich nur manche leisten können und manche nicht", sagt der Designer im DW-Interview. "Es verbindet Kulturen und kann dich in eine Stimmung bringen, wo die Gedanken frei werden – es ist eine Traummaschine. Das Feuer ist natürlich, aber doch von Menschen gemacht".

Orangefarbener Pickup steht auf der Design Biennale. (Foto: dpa)
Auch ein Pickup kann zum Designobjekt werden: Beitrag aus dem LibanonBild: picture-alliance/dpa

Dass die Londoner Biennale von einigen Ländern zum Anlaß genommen wird, den "Wirtschaftsfaktor Design zu etablieren" beobachtet auch Grcic. Er absolvierte einen Großteil seiner Ausbildung in Großbritannien, wie einige andere der ausstellenden Designer. In England existiere eine "offenere Designauffassung", die "sehr stark das Individuelle fördert". In England sei es Gang und Gäbe, sich nach dem Studium mit einem eigenen Büro selbständig zu machen. Deutsche Industriedesigner dagegen, "die sehr guten Designer, die hinter Bosch und Erco, die kennt man alle nicht. Wenn Apple ein deutsches Unternehmen wäre, würden wir den Designernamen 'Jonathan Ive' nicht kennen".

London – die neue Design-Metropole

Ob diese pragmatische Designauffassung zum großen Erfolg der englischen Szene beigetragen hat? Martin Roth, Direktor des Victoria und Albert Museums Museums und Mitglied der Jury der Biennale, bestätigt das: "London ist d i e Designmetropole der Welt." Das habe sehr viel mit dem Interesse an Popmusikkultur zu tun. Aber auch damit, dass die staatlichen Museen für Besucher kostenfrei seien, und bereits in der Schule viel Wert auf Kreativität gelegt wird.

Spiegelnde Außenskulptur auf der Design Biennale London. (Foto: DW/Judith Leeb
Skulptur aus Albanien im Außenbereich der Design Biennale LondonBild: Judith Leeb

Außerdem, so Artdirektor Ben Evans, gehe eine große Sogkraft von London auf internationale Designer und Künstler aus: "Unsere Industrie ist davon abhängig, dass hier kreative Menschen aus aller Welt - und ganz besonders aus Europa - arbeiten. Kein Meeting in der Kreativbranche vergeht, ohne dass wir über die verheerende Wirkung des bevorstehenden Brexit sprechen."

Für die britische Kreativszene wäre ein abgeschottetes London ohne internationalen Austausch tödlich. Die Veranstalter hoffen, dass Kulturevents wie die neue internationale Design Biennale dazu beitragen, dass die britische Hauptstadt ihren Ruf als attraktive Kulturmetropole beibehält.

Die Design Biennale London findet bis zum 27.9.2016 statt, dazu gibt es ein umfangreiches Begleitprogramm.