Der Sudan, plötzlich geschätzt
12. November 2018In den letzten Monaten hat der Ruf des Sudan eine erstaunliche Karriere hingelegt. Galt er bis vor einigen Monaten noch als regelrechter Schurkenstaat, steht er nun mehr und mehr im Ruf, ein - beinahe - akzeptabler Staat zu sein. In den Augen des US-Außenministeriums hat sich das ostafrikanische Land in Sachen Terrorbekämpfung, Konfliktbewältigung und humanitäre Hilfe zuletzt sehr kooperativ gezeigt - so sehr, dass US-Präsident Donald Trump persönlich vor wenigen Tagen erklärt hat, er wolle darüber nachdenken, das ostafrikanische Land von der US-Liste der terrorunterstützenden Staaten zu nehmen, auf die es in den frühen 1990er Jahren geraten war.
Der Sudan erfreut sich bereits seit geraumer Zeit US-amerikanischer Wertschätzung. Schon die Obama-Administration hatte dem Land ein Stopp des ebenfalls vor Jahren verhängten Embargos in Aussicht gestellt. Voraussetzung dafür waren vor allem ein verstärktes Engagement im Antiterrorkampf und eine Verbesserung der Menschenrechte.
Rehabilitation seit langem eingeleitet
Mit den Anstrengungen waren die USA offenbar zufrieden, so dass der Sudan absehbar von der US-Terrorliste verschwinden könnte. Das hätte unter anderem zur Folge, dass der Sudan beim Internationalen Währungsfonds wieder dringend benötigte Kredite aufnehmen könnte. Die Vorbereitungen für die allmähliche Rehabilitation laufen bereits seit Längerem. So hatte schon der bis Januar 2017 amtierende CIA-Chef John Brennan erklärt, der Sudan unterstütze bereits seit Langem keine terroristischen Organisationen mehr.
Der Optimismus des US-Außenministeriums hinsichtlich der Menschenrechtssituation im Sudan wird nicht von allen Beobachtern geteilt. "Die Menschenrechtslage im Sudan beurteilen wir weiterhin als sehr schwierig, in einigen Regionen - Stichwort Darfur - sogar als dramatisch", sagt Katja Müller-Fahlbusch, Fachreferentin für den Kontinent Afrika bei Amnesty International. "Die Angriffe auf zivile Oppositionelle, Studenten und vor allem Journalisten sind weiterhin sehr beunruhigend. Die Rede-, Presse- und Versammlungsfreiheit wird weiterhin massiv eingeschränkt." Auch Folter werde regelmäßig praktiziert, so Müller-Fahlbusch. "Es gibt unmenschliche Haftbedingungen, willkürliche Verhaftungen sind an der Tagesordnung. Insgesamt handelt es sich um eine menschenrechtlich sehr schwierige Lage."
Hoch im Kurs: sudanesische Söldnertruppen
Warum die USA dem Sudan dennoch so entgegenkommen und sogar das Reiseverbot für Sudanesen fallen lassen, deutete auf Twitter kürzlich der Washingtoner Bürochef der Internet-Seite "The Intercept" an. "Das Reiseverbot gegen den Sudan wird aufgehoben, weil die Vereinigten Arabischen Emirate in Washington harte Lobbyarbeit für diesen Schritt geleistet haben, und zwar im Austausch für die Unterstützung mit Söldnertruppen, die der Sudan in den Jemen schickt."
Saudi-Arabien - als engster Verbündeter der USA in der Golfregion - führt seit gut dreieinhalb Jahren Krieg gegen den Jemen mit katastrophalen Folgen für die Zivilbevölkerung. Die sudanesischen Söldnertruppen übernehmen jene Aufgaben, die die Piloten des saudischen Königsreich aus der Luft nicht leisten können oder wollen. Im Gegenzug für diese Arbeit hat die sudanesische Regierung unter Moutaz Mussah Abdallah nun offenbar Fürsprecher gefunden, die sich in Washington für das Land einsetzen.
"Dass die guten Worte absehbar zu Fortschritten bei den Menschenrechten führen, ist kaum wahrscheinlich", sagt Katja Müller-Fahlbusch. So sei die politische Situation am Horn von Afrika derzeit stark durch die Entwicklung in Äthiopien geprägt. In Äthiopien gebe die Situation zwar Grund zur Hoffnung: "Aber Blick auf die Nachbarländer - einschließlich Sudan - sieht die Lage alles andere als vielversprechend aus. Jüngste Berichte geben eher Anlass zur Befürchtung, dass sich die Menschenrechtslage eventuell sogar weiter verschlechtert."
Das Interesse der EU
Auch die europäische Union pflegt enge Beziehungen zur sudanesischen Regierung. Im November 2015 stellte die EU im Rahmen des Valletta Migrationsgipfels - auch Khartum-Prozess genannt - einen Fonds in Höhe von 1, 8 Milliarden Euro für die auf dem Gipfel vertretenen afrikanischen Staaten auf. Diese Mittel sollen in die Entwicklung dieser Staaten fließen. Das Ziel: den Menschen dieser Staaten Anreize zu geben, in ihrer Heimat zu bleiben und sich nicht in Richtung Europa aufzumachen.
Kritiker vermuten, dass es der EU in erster Linie darum gehe, die Migration zu unterbinden - und dafür auch die Hilfe der Empfängerstaaten in Anspruch zu nehmen. "Der Khartum-Prozess sandte ein klares Signal an die sudanesische Regierung, dass die Kontrolle der Migration die oberste Priorität der EU ist - und dass sie bereit ist, dafür zu zahlen", heißt es in der Zeitschrift "Dissent", die in der University of Pennsylvania Presse erscheint. "Die EU unterstützt die sudanesische Regierung wegen menschenrechtlicher Bedenken nicht direkt. Doch strömen über einhundert Millionen Euro an eine Reihe internationaler Organisationen im Sudan. Es ist unmöglich, nachzuvollziehen, wo die Gelder letztlich hinfließen."
Arbeit am Image
Vor dem Hintergrund der Migration ist der Sudan für die EU ein bedeutender Partner. "Im Rahmen der auf dem Valetta-Gipfel verabschiedeten Migrationsbekämpfung kooperiert die sudanesische Regierung dergestalt, dass sie Migranten und Flüchtlinge regelmäßig festnimmt und häufig ohne Gerichtsverfahren auf unbestimmte Zeit inhaftiert", sagt Katja Müller-Fahlbusch von Amnesty International. "Diese Verhaftungen erfolgen pauschal. Die Haftbedingungen sind sehr schlecht. Die notwendige Prüfung des Einzelfalles erfolgt nicht."
Der Sudan ist sowohl für die EU als auch die USA ein bedeutender Partner geworden. Globale Verwerfungen machen aus dem einst verpöhnten Staat ein Land, das sich auf dem internationalen Parket offenbar wieder sehen lassen können soll.