Der schwierige Weg zum Neuanfang im Irak
15. Dezember 2005Die Wahl am Donnerstag (15.12.) gilt als letzte Etappe eines politischen Neuanfangs im Irak. Ein Rückblick auf das, was zwischen dem Sturz Husseins und der jetzigen Parlamentswahl geschah:
Anfang Mai 2003: US-Präsident George W. Bush hatte seine Siegeserklärung im Irakkrieg auf dem Flugzeugträger "Abraham Lincoln" gerade eben elf Tage zuvor fernsehwirksam in Szene gesetzt, da musste er einräumen, dass die Dinge nicht ganz so liefen, wie er sich das vorgestellt hatte.
US-Verwalter drängt auf Demokratisierung des Irak
Förmlich über Nacht wurde jedenfalls der pensionierte General Jay Garner ersetzt, der kurz zuvor als erster US-Verwalter für den Irak ernannt worden war. Garner war möglicherweise Opfer von Intrigen im Weißen Haus geworden, fest steht aber auch, dass der hemdsärmlige Militär die Dinge anders behandeln wollte als Paul Bremer, der eisenharte Diplomat mit Wüstenstiefeln, der fortan Statthalter des Präsidenten in Bagdad war.
Garner drängte von Anfang an darauf, den Irakern Wahlen zu ermöglichen und ihnen so viele eigene Kompetenzen zuzugestehen wie nur irgend möglich. Er mischte sich unter die Stammesführer, versuchte, sie von den Vorzügen einer raschen Demokratisierung zu überzeugen, aber im Weißen Haus schien dies auf Argwohn und Widerstand zu stoßen.
Weißes Haus will Einflussnahme im Irak sichern
Dort wollte man die Weichen stellen für eine dauerhafte Einflussnahme im Irak. Zu diesem Zweck kehrte Bremer mit eisernem Besen: Alte Strukturen - wie die Staatspartei, die Armee und große Teile der Verwaltung wurden zerschlagen, an ihre Stelle sollten neue Kräfte treten und die wiederum sollten zielstrebig für die Interessen der Amerikaner arbeiten.
Nach seiner Absetzung meinte Garner resignierend, das amerikanische System sei vorzüglich, aber man müsse doch auch akzeptieren, dass nicht jeder dies so sehe. Diese Worte sollten sich bei den ersten Versuchen als wahr erweisen, eine irakische Übergangsregierung aufzubauen.
Die "Provisorische Koalitions-Autorität" (CPA) unter der Führung Paul Bremers ernannte einen so genannten "Regierungsrat" aus handverlesenen Repräsentanten verschiedener Stämme, verschiedener Religionsgemeinschaften und anderer Teile des Volkes. Bremer übte jedoch weiterhin die absolute Macht aus: Er konnte ernennen, entlassen und entscheiden wie es ihm gefiel.
Erster Entwurf einer vorläufigen Verfassung
Im März 2004 unterzeichnete der Regierungsrat aber doch wenigstens den ersten Entwurf einer vorläufigen Verfassung, die die außer Kraft gesetzte Verfassung aus der Zeit Saddam Husseins ablösen sollte.
Mit der Zeit wuchs der Druck, dass Wahlen abgehalten werden sollten. Eine gewichtige Kraft hinter dieser Forderung war das geistliche Oberhaupt der Schiiten, Großayatollah Ali Sistani. Er hatte die Schiiten ermahnt, Ruhe zu bewahren, denn Wahlen würden natürlich ihnen zur Macht verhelfen, weil sie etwa 60 Prozent der Bevölkerung darstellen.
In Washington war man von einer Machtübernahme durch die Schiiten zwar nicht gerade begeistert, weil deren Verbindungen zum Iran bekannt waren. Aber schließlich stimmte man zu: Man werde die Souveränität in die Hände der Iraker legen.
Interims-Regierung bereitet Wahlen vor
Am 30. Juni 2004 sollte das geschehen, aber um die Gewalttäter zu irritieren, wurde die Übergabe um drei Tage vorgezogen: Der Regierungsrat wurde aufgelöst und an seine Stelle trat eine Interims-Regierung, deren Hauptaufgabe es sein sollte, erste Wahlen für das Frühjahr 2005 vorzubereiten. Mit dem Ende des Regierungsrates war auch das Ende der CPA gekommen und das Ende der Regentschaft von Paul Bremer. Sein Nachfolger wurde der ehemalige UN-Botschafter John Negroponte.
Trotz wachsender Gewalt gelang es der Interims-Regierung, Wahlen für den 30. Januar 2005 vorzubereiten. Die meisten Sunniten hielten sich - aus Furcht oder auch aus Überzeugung - den Wahlen fern, aber zum ersten Mal hatte der Irak ein frei gewähltes Parlament und - nach wochenlangem Gerangel - auch eine neue Regierung. Beides aber waren immer noch keine endgültigen Institutionen: Die neue Übergangsregierung sollte die Verfassung vorbereiten und bis zum Herbst zur Abstimmung bringen und dann Wahlen am 15. Dezember auf der Grundlage dieser neuen Verfassung abhalten.
Verfassung liegt vor
Es war ein harter Kampf, aber die Verfassung liegt inzwischen vor, selbst wenn sie in einigen Punkten wohl noch überarbeitet werden muss. Die Sunniten haben sich inzwischen mit der Idee angefreundet, dass Wahlen auf der Grundlage von inzwischen 18 Wahlbezirken ihnen nicht jede Macht nehmen werden, und nach jüngsten Umfragen zeigen viele Iraker trotz aller Gewalt und trotz aller Fehler der letzten zweieinhalb Jahre einigen Optimismus, dass die Zustände sich verbessern.
Wenn alles gut geht, dann wird der Irak Anfang nächsten Jahres ein demokratisch gewähltes Parlament und eine eigene Regierung haben. Und Washington einen Grund mehr, den Aufenthalt im Irak nicht über das Allernotwendigste hinaus auszudehnen.