"Der Reichtum unserer Unterschiede"
28. November 2017Bei seiner ersten offiziellen Rede in Myanmar verwendete das Kirchenoberhaupt am Dienstag den Begriff "Rohingya" nicht. In der Hauptstadt Naypyidaw mahnte er aber zur Achtung "jeder ethnischen Gruppe". Es gelte, Konflikte durch Dialog zu lösen und nicht mit Gewalt. Zuvor hatte sich Franziskus in Rangun mit Vertretern verschiedener Religionen getroffen und dafür geworben, den "Reichtum unserer Unterschiede" etwa in religiösen oder ethnischen Fragen zu erkennen. Unter den 17 Teilnehmern waren sechs Christen, fünf Buddhisten, drei Muslime, zwei Hindus und ein Jude. Am Mittwoch folgt ein Besuch in einem wichtigen buddhistischen Kloster mit einer Rede vor dem obersten Rat der buddhistischen Mönche des Landes.
"Zum Nachdenken anregen"
Für Timo Güzelmansur, den Leiter der Christlich-Islamischen Begegnungs- und Dokumentationsstelle (CIBEDO) in Frankfurt, ist das eine konsequente Haltung: "Der Papst zeigt erstmal aus christlicher Tiefenhaltung, wie man mit Not, wie man mit Problemen umgehen kann. Und vielleicht findet das auch Anklang bei Menschen, bei tiefreligiösen muslimischen Menschen, auch über das eine oder andere in den eigenen Reihen nachzudenken und vielleicht so zu einer Weiterentwicklung zu gelangen", sagt er der Deutschen Welle.
Der 80-jährige Papst absolviert derzeit seine 19. Auslandsreise. Dabei bildet die interreligiöse Begegnung, in aller Regel mit Muslimen, einen roten Faden. In Jordanien, Palästina und Israel, in Albanien und der Türkei (jeweils 2014), in Bosnien-Herzegowina und der Zentralafrikanischen Republik (2015), in Ägypten (2017), nun in Myanmar und Bangladesch. Und noch vor wenigen Tagen fiel auf, dass der Beiruter Kardinal Bechara Boutros Rai in den Wirren um den libanesischen Regierungschef Hariri nach Riad reiste, dort dem saudischen König und Kronprinz Mohammed bin Salman begegnete – und wohl Hariris Rückkehr anbahnte. Rais Besuch, eine spektakuläre Reise.
"Neue Wege"
Der katholisch-muslimische Dialog hatte 2006 mit der sogenannten Regensburger Rede des damaligen Papstes Benedikt eine Krise erlebt. Dem folgten aber Jahre später Vorstöße islamischer Gelehrter und neue Gespräche. Gleichwohl zeigen sich katholische Repräsentanten oft erschüttert angesichts der Gräuel des sogenannten Islamischen Staates, der sich gegen Muslime ebenso wendet wie gegen Andersgläubige oder Nichtglaubende.
Nun unter Franziskus bekommt der interreligiöse Dialog und das Werben für Religionsfreiheit eine neue Intensität. Güzelmansur, dessen Einrichtung als Fachstelle der katholischen Deutschen Bischofskonferenz auch den interreligiösen Dialog fördern will, sieht eine Entwicklung, die mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-65), dem wichtigsten Kirchentreffen der Neuzeit, begonnen habe. Wenn der Papst sich heute für den Dialog mit den Muslimen stark mache, sei das eine konsequente Fortführung des Konzils. "Er macht aber auch vor, wie Dialog gehen kann. Er zeigt neue Wege und mutige Wege, die auch von anderen gegangen werden können." Wenn Franziskus bei seinen pastoralen Reisen und Ansprachen an die Peripherie, an die Ränder gehe, suche er auch die Minderheiten in den besuchten Ländern auf. Er wolle ihnen eine Stimme geben und auf ihre Nöte hinweisen.
Aiman Mazyek: Das finden wir gut
Auf diesen steten Dialog mit Vertretern anderer Religionen hebt Aiman Mazyek ab, Vorsitzender des Zentralrats der Muslime in Deutschland. Er sehe einen "sehr dicken, roten Faden" in diesem Pontifikat auf dem interreligiösen Gespräch. Das sei diesem Papst ja nicht erst seit wenigen Tagen ein Anliegen. "Dass er das ernst meint, finden wir gut", so Mazyek zur Deutschen Welle.
Mit Blick auf die aktuelle Reise sieht Mazyek einen Fokus darauf, dass Franziskus die Vertreibung und Verfolgung der Muslime anspricht "und die sehr lasche Art der Regierung Myanmars, damit umzugehen". Da könne es nicht genug Unterstützung von internationaler Seite geben.
Ab Donnerstag ist Franziskus in Bangladesch zu Gast. Der Erzbischof der Hauptstadt Dhaka, Kardinal Patrick D'Rozario, betonte im Vorfeld, Franziskus werde von allen Menschen des Landes willkommen geheißen, nicht nur den Katholiken oder der Politik, auch von anderen Religionsvertretern. Nur rund 400.000 der 160 Millionen in aller Regel muslimischen Bangladeschis sind katholisch. Die Visite werde auch den interreligiösen Dialog voranbringen.
Wie ernst und grundsätzlich das Streben des Franziskus nach Dialog ist, unterstrich in diesen Tagen die Nummer zwei des Vatikans, Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin. Das interreligiöse Gespräch stehe im Dienst der Sorge um den Frieden in der Welt, sagte er vor der Reise. Schon mehrfach hat Franziskus davon gesprochen, dass sich die Welt "in einem Dritten Weltkrieg" befinde. "Die Religionen", so Parolin, "können einen wichtigen Beitrag für den Frieden leisten. (…) Dazu müssen sie sich aber zusammentun und gemeinsam darauf hinarbeiten."