Der Preis eines Vetos
7. Oktober 2002Als ständiges Mitglied des UN-Sicherheitsrates kann Russland eine Resolution, die Gewalt gegen den Irak legitimiert, blockieren. Vor allem der wahrscheinliche Sturz des irakischen Präsidenten Hussein wird im Kreml und in der russischen Ölindustrie mit Sorge betrachtet. Denn es ist ungewiss, was mit den Ölkonzessionen russischer Firmen, die mit Hussein ausgehandelt wurden, nach einem Regimewechsel geschieht.
Schwerer Schlag
Die Unternehmen konnten durch das Ölembargo gegen den Irak ihre milliardenschweren Investitionen bisher noch nicht in Gewinn ummünzen. Die Sorge, dass sich die Investitionen in irakische Ölfelder nach einem Sturz Husseins in Nichts auflösen, ist daher umso größer. Dies wäre nicht nur für die russische Ölindustrie ein schwerer Schlag, sondern auch für die russische Regierung. Die ist an dem größten Ölförderer des Landes, Lukoil, mit 14 Prozent beteiligt. Dessen Vorsteuergewinn ist im ersten Halbjahr 2002 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 41 Prozent eingebrochen.
Medienberichten zufolge hat Russlands Präsident Putin dem Chef von Lukoil, Vagit Alekperov, bereits garantiert, dass auch nach einem Sturz des irakischen Präsidenten die Rechte an einem der weltweit größten Ölfelder in Irak nicht verloren gingen. Diese Zusage dürfte Thema von Verhandlungen zwischen Russland und der US-Regierung werden, bevor Putin einem Militärschlag gegen den Irak zustimmen sollte.
Öl als Druckmittel
Ein weiterer Vorteil Russlands in den Verhandlungen mit Washington könnten die Ölvorräte im eigenen Land sein. Denn die USA bereiten sich auf eine mögliche Unterbrechung der Ölzufuhr im Falle eines neuen Golfkrieges vor. Russisches Öl könnte diesen Engpass überbrücken und die USA generell unabhängiger von der Förderung der OPEC machen. Entsprechende Verhandlungen zwischen Russland und den USA wurden für diese Woche angekündigt.
Während Russlands Interessen in der Irak-Frage relativ offensichtlich sind, bleibt die Frage, wie die USA die Zustimmung der Vetomächte China und Frankreich erhalten können. Beide Länder sind einem Krieg gegen den Irak abgeneigt.
Professor Dr. Horst Fischer, akademischer Direktor am Institut für Friedenssicherungsrecht und Humanitäres an der Universität Bochum sieht zumindest keine offensichtlichen Interessen, die einen entsprechenden Handel ermöglichten. Im Gegenteil: China zeichnete sich in der Vergangenheit als Waffenlieferant für den Irak aus. Ein Regimewechsel in Bagdad könnte ein Versiegen dieser Einnahme-Quelle bedeuten. Fischer geht daher davon aus, dass China bei seinem Nein zu einer härteren UNO-Resolution gegen den Irak bleibt.
Ausgang ungewiss
Frankreich unterhält traditionell gute Beziehungen in die arabische Welt. Die Frage, die Frankreichs Präsidenten Chirac interessieren könnte, wäre, ob die Wirtschaftsbeziehungen mit dem Irak weiterhin bestehen bleiben würden.
Wie weit US-Präsident Bush mit Zugeständnissen an die Mitglieder im UN-Sicherheitsrat tatsächlich gehen wird, bleibt jedoch offen. Denn es gilt als sicher, dass sowohl das amerikanische Abgeordnetenhaus als auch der Senat eine Resolution unterstützen werden, die dem Präsidenten die Möglichkeit für einen militärischen Alleingang gegen den Irak gibt. Das würde Bush in seinen Entscheidungen in der Irak-Frage unabhängig von der UNO machen.