Papst veröffentlicht sein erstes Lehrschreiben
26. November 2013Es kommt einer Regierungserklärung gleich, was das Katholische Kirchenoberhaupt im Vatikan veröffentlichte, und was nicht wirklich überrascht: Denn der Papst entwirft das Modell einer "Kirche im Aufbruch". Er wünscht sich eine "arme Kirche für die Armen", die mehr Selbstkritik übt und weniger Pomp pflegt. Offen soll die Kirche sein - "für den Dialog mit allen", heißt es in dem rund 180 Seiten starken Apostolischen Schreiben "Evangelii gaudium", zu deutsch: "Freude des Evangeliums". Das Papier trägt den Untertitel "Über die Verkündigung des Evangeliums in der Welt von heute". Anlass für die Veröffentlichung des Papstschreibens ist das soeben zu Ende gegangene "Jahr des Glaubens".
Darin versucht das Kirchenoberhaupt eine Balance zwischen Tradition und Reform: Eine selbstkritische Kirche müsse für zeitgenössische Entwicklungen offen sein, ohne von ihren Grundprinzipien abzuweichen.
Zugleich warnt Franziskus vor unrealistischen Erwartungen an das Papstamt: Er glaube nicht, "dass man vom päpstlichen Lehramt eine endgültige oder vollständige Aussage zu allen Fragen erwarten muss, welche die Kirche und die Welt betreffen", schreibt das Kirchenoberhaupt. Mit Blick auf die Kompetenzen der Bischöfe betont Franziskus die "Notwendigkeit einer heilsamen 'Dezentralisierung'". Die Bischöfe sollten die im Kirchenrecht vorgesehenen Mitspracheregelungen nutzen. Im Dialog mit den Gläubigen sollte sie alle anhören und nicht nur einige, die ihnen "Komplimente machen".
Bischofskonferenzen stärken
Um eine Reform des Papstamtes hatte sich bereits Papst Johannes Paul II. bemüht. Franziskus zufolge gibt es bis heute nur ungenügende Fortschritte. Vor allem die Forderung des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-65) nach einer Stärkung der Bischofskonferenzen bei Entscheidungsprozessen habe sich nicht erfüllt, beklagt er.
Im Zusammenhang mit dem Streit um den Ausschluss wiederverheirateter Geschiedener von der Eucharistie (Abendmahl) mahnte Franziskus, "die Türen der Sakramente dürfen nicht aus irgendeinem beliebigen Grund geschlossen werden". Die Eucharistie sei "nicht eine Belohnung für die Vollkommenen". Diese Überzeugungen hätten "pastorale Konsequenzen", welche die Kirche "mit Besonnenheit und Wagemut in Betracht ziehen" müsse.
Bislang sind wiederverheiratete Geschiedene von der Eucharistie in der katholischen Kirche ausgeschlossen. In Deutschland fordert etwa die Diözese Freiburg eine liberalere Haltung in dieser Frage. Hoffnungen auf eine Lockerung des Verbots hatte Papst Franziskus geweckt, als er im Sommer auf dem Rückflug vom Weltjugendtag in Brasilien zu neuen Lösungen für den Umgang der katholischen Kirche mit wiederverheirateten Geschiedenen aufrief. Dagegen verteidigt zuletzt der Präfekt der vatikanischen Glaubenskongregation, der deutsche Erzbischof Gerhard Ludwig Müller, den Ausschluss wiederverheirateter Geschiedener von der Kommunion.
"Verbeulte Kirche ist mir lieber"
Der Papst formuliert, was seiner Überzeugung nach erste Christenpflicht ist, nämlich die Hinwendung zu notleidenden Menschen: "Mir ist eine 'verbeulte' Kirche, die verletzt und beschmutzt ist, weil sie auf die Straßen hinausgegangen ist, lieber", schreibt er, " als eine Kirche, die aufgrund ihrer Verschlossenheit und ihrer Bequemlichkeit, sich an die eigenen Sicherheiten zu klammern, krank ist." Deshalb müssten Christen konkrete Hilfe zu leisten. Dazu gehört es laut Franziskus, die Ursachen für Armut zu beseitigen. Als wichtigste Ursache aller sozialen Übel und der Gewalt benennt der Papst die ungleiche Verteilung des Reichtums in der Welt. Das derzeitige Wirtschaftssystem sei "in der Wurzel ungerecht" und eine Regulierung der Märkte überfällig.
Für die Verkündigung des Evangeliums schlägt Papst Franziskus "neue Wege" und "kreative Methoden" vor. Er möchte auch die Kirchenstrukturen auf den Prüfstand stellen: "Eine übertriebene Zentralisierung kompliziert das Leben der Kirche und ihre missionarische Dynamik, anstatt ihr zu helfen", schreibt der Pontifex. Die nationalen und regionalen Bischofskonferenzen möchte er stärken. Und selbst eine "Reform des Papsttums" schließt er nicht aus. Die Laien in der katholischen Kirche sollen mehr Verantwortung in der Kirche tragen, was bisher an einem teilweise "ausufernden Klerikalismus" scheitere. Auch Frauen möchte der Papst stärker in kirchliche Entscheidungen einbeziehen.
Zustimmende Reaktionen aus Deutschland
Bischöfe in Deutschland würdigten das Apostolische Schreiben als "prophetischen Aufruf an die Kirche". Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Robert Zollitsch, sprach von einer "beeindruckenden Analyse der derzeitigen Situation". Der Papst zeige in klarer und erfrischender Sprache, wie die Kirche einen neuen Aufbruch wagen könne. Der Münchener Kardinal Reinhhard Marx erklärte in München, das Papstschreiben ermutige dazu, sich neu auf den Weg einer ganzheitlichen Evangelisierung zu wagen.
Sd/DPA/KNA/EPD