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Der neue Stasi-Aufklärer

14. März 2011

Roland Jahn tritt sein Amt als "Bundesbeauftragter für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR" an. Der frühere Regime-Kritiker könnte zum Abwickler seiner eigenen Behörde werden.

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Roland Jahn (Foto: dapd)
Roland JahnBild: dapd

Roland Jahn ist nach Joachim Gauck und Marianne Birthler der dritte und womöglich letzte Verwalter des Stasi-Erbes, das aus 111 Kilometern archivierten Geheimdienst-Akten besteht, fast 1,5 Millionen Fotos sowie 34.000 Ton- und Filmdokumenten. Ende Januar wurde der 57-jährige Journalist von den Abgeordneten des Bundestages mit großer Mehrheit gewählt. Auch aus der Fraktion "Die Linke" gab es teilweise Zustimmung, obwohl sie überwiegend ein kritisches bis ablehnendes Verhältnis zur Stasi-Unterlagen-Behörde hat. Die Aversion ist vor allem dem Umstand geschuldet, dass die Spitzeltätigkeit etlicher aus der DDR stammender Linker nur deshalb aufgedeckt werden konnte, weil die Akten nach dem Fall der Berliner Mauer geöffnet wurden.

Ausbürgerung wider Willen

Eine besonders dicke Akte legte die Stasi über Roland Jahn an. Er war - ebenso wie seine Amtsvorgängerin Marianne Birthler und der erste Behörden-Leiter Joachim Gauck - der Stasi ein Dorn im Auge, weil er sich in der DDR für Bürgerrechte einsetzte. Jahn traf der Bannstrahl des Ministeriums für Staatssicherheit, kurz Stasi, besonders heftig: Weil er gegen die Ausbürgerung des Liedermachers Wolf Biermann protestierte, wurde der aus Jena stammende Student der Wirtschaftswissenschaft 1977 exmatrikuliert.

Als er 1982 öffentlich Sympathie mit der polnischen Gewerkschaftsbewegung "Solidarnosc" bekundete, wurde er unter anderem wegen "Herabwürdigung der öffentlichen Ordnung" zu 22 Monaten Haft verurteilt. Dank internationaler Proteste und Berichten in westdeutschen Medien kam Jahn schnell wieder frei. Gemeinsam mit anderen Oppositionellen engagierte er sich fortan für einen sozialen Friedensdienst in der DDR. Die Stasi verlor daraufhin endgültig die Geduld und schob Jahn gewaltsam in den Westen ab. Von Westberlin aus setzte er seinen Kampf gegen das realsozialistische System auf der anderen Seite der Mauer fort. 1987 startete Jahn mit Unterstützung weiterer Dissidenten "Radio Glasnost", seit Anfang der 1990er-Jahre arbeitet er für das Politik-Magazin "Kontraste" im öffentlich-rechtlichen ARD-Fernsehen.

Verfolgung auch im Westen

Die Stasi, von der Jahn bis zuletzt auch im Westen verfolgt wurde, war in den zwei Jahrzehnten seiner TV-Tätigkeit immer wieder sein Thema. In seiner künftigen Rolle als Chef der Stasi-Unterlagen-Behörde schließt sich ein Kreis. Dabei wird dem unbeugsamen Regimegegner die heikle Aufgabe zufallen, den eigenen Arbeitplatz abzuschaffen. Denn bis 2019 sollen die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, das Stasi-Erbe ins Bundesarchiv in Koblenz einzugliedern. Diesen Zeitplan hat die Bundesregierung in ihrem Gedenkstätten-Konzept bereits 2008 skizziert. Schon unter Marianne Birthlers Leitung ist die Zahl der Mitarbeiter von ursprünglich mehr als 3000 auf rund 1800 gesunken. Sollte Roland Jahn in fünf Jahren für eine zweite Amtszeit kandidieren und gewählt werden, würde er zwangsläufig als Abwickler der Stasi-Unterlagen-Behörde in die Geschichte eingehen.

Die Aufarbeitung der Stasi-Vergangenheit wird damit allerdings keineswegs beendet sein, denn der Zugang zu den Akten soll auch im Bundesarchiv offen bleiben. Gegen mögliche Versuche, daran etwas zu ändern, würde Roland Jahn sicherlich zu Felde ziehen. Schließlich hat er sich nicht mit einer Diktatur angelegt, um in einer Demokratie die große Akte namens "Stasi" endgültig zu schließen.

Autor: Marcel Fürstenau
Redaktion: Kay-Alexander Scholz / Klaus Dahmann