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Ohne Worte Mut machen

17. September 2010

Cyrille Kéré aus Burkina Faso ist in keiner Organisation aktiv, trainiert keine Nachwuchsmannschaft. Trotzdem hat der junge Mann viel erreicht: Als Taubstummer meistert er sein Leben.

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Cyrille Kéré aus Burkina Faso ist taubstumm (Foto: Katrin Gänsler)
Die Hände sind die Sprache von Cyrille Kéré...Bild: Katrin Gänsler

In Burkina Fasos Hauptstadt Ouagadougou ist es gewaltig laut. Schwere Lastwagen brummen über die Straßen. Irgendwo hupt immer ein Autofahrer, und die unzähligen Rollerfahrer sorgen für viel Krach. Cyrille Kéré bekommt von alledem nichts mit. Mucksmäuschenstill ist sein Leben. Denn der 20-jährige Mann ist gehörlos. "Durch eine Krankheit bin ich damals taub geworden. Ich war etwa drei Jahre alt", erinnert er sich. Vielleicht hatte er Meningitis, eine Krankheit, die in ganz Afrika nach wie vor häufig für den Verlust des Gehörs sorgt. Doch so genau weiß er das nicht.

Mit den Fingern sprechen

Straßenverkehr in Ouagadougou (Foto: Katrin Gänsler)
...vom Straßenlärm in Ouagadougou bekommt er nichts mit.Bild: Katrin Gänsler

Wenn der junge Mann davon erzählt, dann fliegen seine Finger über Gesicht und Oberkörper. Doch wer die Gebärdensprache nicht versteht, kann die vielen Zeichen und Bewegungen nicht deuten, meistens lassen sie sich nicht einmal erahnen. Und das ist für ihn ein riesiges Problem. Denn gleichzeitig mit seinem Gehör ist er auch stumm geworden. Deshalb muss auch Rafael Ouédragogo für ihn übersetzen. Er arbeitet seit 20 Jahren mit Gehörlosen, und für ihn sind die vielen Zeichen mittlerweile eine Sprache, wie jede andere auch.

Cyrille weiß die Hilfe zu schätzen. Im Alltag muss er sich alleine durchschlagen. Besonders anfangs war das eine schreckliche Erfahrung. Denn als er nach der langen Krankheit endlich wieder nach Hause kam, konnte er nicht mehr richtig mit den anderen Kindern spielen. "Niemand verstand mich. Und ich saß nur noch zu Hause."

Als dumm abgestempelt

Cyrille Kéré bei der Arbeit (Foto: Katrin Gänsler)
Die Arbeit gibt ihm Selbstvertrauen.Bild: Katrin Gänsler

Das Schicksal teilt er mit vielen anderen Gehörlosen. Für sie gibt es oft weder Arbeit noch eine Ausbildung. Stattdessen müssen sie mit vielen Vorurteilen kämpfen und werden oft als dumm abgestempelt. Cyrille hatte jedoch Glück und wurde bei einer der wenigen Spezial-Schulen angemeldet. Er übte, lernte das Alphabet und hatte wieder Kontakt zu anderen Kindern. Allerdings musste Cyrille gleich doppelt lernen. Denn hinter den neuen Zeichen haben sich ausschließlich französische Wörter versteckt, eine Sprache, die weder er noch seine Eltern anfangs verstanden. Doch Cyrille ist erfinderisch gewesen. "Ich habe die Sprache meinem Bruder beigebracht." Und der übersetzte die Zeichen dann zurück in Worte.

Genau dieses Ereignis hat dem jungen Mann jede Menge Motivation gegeben. Nach der Grundschule ging er zur weiterführenden Schule und hatte ein Ziel: "Ich wollte Tischler werden." Damit verbindet er nicht nur Broterwerb. Ein eigener Beruf bedeutet Unabhängigkeit von der Familie, und er vermeidet hoffentlich auch, dass er auf der Straße landet und um Almosen betteln muss.

Im Moment ist Cyrille auf einer seiner Baustellen unterwegs. Gemeinsam mit seinem Kollegen Honoré Tiendrebogo soll er in einem Klassenraum neue Decken einziehen. Honoré kann ebenfalls nichts hören. Vielleicht läuft deshalb die Zusammenarbeit so gut – schließlich können sie miteinander kommunizieren. So gut funktioniert es allerdings längst nicht immer. Mitunter sitzt er auch wochenlang zu Hause und wartet auf ein neues Angebot.

Es lohnt sich zu kämpfen

Werbung für Gebärdensprache (Foto: Katrin Gänsler)
Werbung für die GebärdenspracheBild: Katrin Gänsler

Umso mehr strahlt er über seinen aktuellen Auftrag. Er bringt Geld, macht aber noch etwas ganz anderes. Da Cyrille gerade für das Gehörlosenzentrum Cefise arbeitet, trifft er viele andere Jugendliche und junge Erwachsene, die in einer ganz ähnlichen Situation sind. Und ihnen macht er Mut. In Gebärdensprache erklärt er immer wieder, dass es sich lohnt. Wer ehrgeizig genug ist, muss nicht auf der Straße sitzen. Und er kann trotz aller Schwierigkeiten in Burkina Faso überleben – ganz egal, ob er nun sprechen kann oder nicht.

Autorin: Katrin Gänsler

Redaktion: Katrin Ogunsade