Mensch als Ware
20. März 2012Aus Berichten der Internationalen Organisation für Migration (IOM) geht hervor, dass mehr als die Hälfte der Opfer des weltweiten Menschenhandels aus Ost- und Südostasien stammen. Jedes zweite Opfer ist ein Kind. Der Profit aus dem Menschenhandel beläuft sich auf mindestens 25 Milliarden Euro jährlich und wird damit nur noch vom Drogenhandel übertroffen.
Trotzdem haben viele Menschen keine klare Vorstellung davon, was Menschenhandel überhaupt ist. "Das fehlende Bewusstsein für das Thema ist eines der größten Hindernisse bei der Bekämpfung des Menschenhandels", schreibt das monatliche Magazin der Vereinten Nationen 'UN-Chronicle'.
Juristisch gesehen bezeichnet Menschenhandel jede Art der Anwerbung, des Transports und der Beherbergung von Menschen zum Zweck der Ausbeutung. Die Opfer werden als Arbeitskräfte ausgebeutet, als Prostituierte, Kindersoldaten, Hausbedienstete, in Zwangsehen oder zur Entnahme von Organen.
Versprechen einer rosigen Zukunft
Warum begeben sich die Opfer - oft freiwillig - in die Hände der Menschenhändler? Wieso zahlen sie im Vorfeld zum Teil horrende Summen an ihre späteren Peiniger?
Laut ARTIP, einem Gemeinschaftsprojekt mehrerer südostasiatischer Staaten zur Bekämpfung des Menschenhandels, sind die Hauptgründe Armut und Ungleichheit.
Menschenhandel vollzieht sich fast immer von ärmeren in reichere Länder. Thailand ist dafür ein gutes Beispiel, denn es ist zugleich Ausgangs- und Zielland für den Menschenhandel: Thailänder werden in der Regel nach Australien, Europa, Japan und Nordamerika gehandelt. In Thailands Unternehmen und Haushalten wiederum werden Menschen aus Birma, Kambodscha, Thailand und Laos ausgebeutet.
Die Opfer verfügen häufig über eine schulische Grundausbildung, wie die Globale Initiative gegen den Menschenhandel unter Beteiligung der Vereinten Nationen (UN.GIFT) in einer Studie festgestellt hat. Die Menschenhändler nutzen die Hoffnungen der Menschen aus und behaupten, dass es ihnen oder ihren Kindern in den Zielregionen wirtschaftlich besser gehen würde. Sie malen den Opfern eine rosige Zukunft aus.
Menschenhandel verstärkt sich selbst
Neben der Armut ist die Geschlechterdiskriminierung ein weiterer Grund für den Menschenhandel. In vielen Gesellschaften wird Frauen weniger Wert beigemessen als Männern. In der Folge werden sie schlechter ausgebildet, erhalten schlechter bezahlte Arbeit und werden durch Gesetze benachteiligt. Frauen sind häufig Opfer von Missbrauch und Gewalt. Sie verlassen ihre Heimat in der Hoffnung, den erniedrigenden Lebensumständen zu entkommen.
Doch auch Männer werden Opfer ihrer Geschlechterrollen. Der Weltmigrations-Report der IOM registriert einen globalen Zuwachs beim Menschenhandel von Männern und Jungen. Ein Viertel bis ein Fünftel der Opfer ist männlich. In vielen Gesellschaften ist es die Aufgabe der Männer, die Familie zu ernähren. Können sie das nicht, weil es keine oder nur schlecht bezahlte Arbeit gibt, begeben sie sich in die Hände von Menschenhändlern, in der Hoffnung so die Familie unterstützen zu können.
Weitere Faktoren, die den Menschenhandel begünstigen, sind Gewalt und Konflikte, wie etwa der Bürgerkrieg in Birma, fehlende Möglichkeiten einer legalen Migration und das Fehlen von sozialen Netzen.
Besonders tückisch ist, dass der Menschenhandel sich selbst verstärkt. ARTIP erklärt diese Dynamik an zwei Beispielen: Wenn ein Fischfarmer in Thailand Kinder aus Birma als Sklaven einsetzt, hat er einen Vorteil gegenüber seinen Konkurrenten. Die sehen sich gezwungen, ebenfalls Menschen zur Zwangsarbeit zu rekrutieren. Ähnliche Effekte gibt es bei der Kinderprostitution. Ist ein Ort für Kinderprostitution bekannt, kommen immer mehr Kunden. Der "Bedarf" an Kindern steigt.
Wiedereingliederung in die Gemeinschaft
Selbst wenn die Menschen nach jahrelanger Ausbeutung in ihre Heimatländer zurückgekehrt sind, leiden viele lebenslang an den Folgen der Zwangsarbeit. Durch Mangelernährung und Erschöpfung ist ihr Gesundheitszustand oft verheerend. Drogenmissbrauch ist weit verbreitet. Viele Frauen, die zur Prostitution gezwungen wurden, haben schwere seelische Traumata erlitten. In vielen Gesellschaften sind sie zudem stigmatisiert.
Die Vereinten Nationen und einige Nationalregierungen haben das Problem erkannt. Das US-amerikanische Gesundheitsministerium hat einen Leitfaden herausgegeben, der beim Umgang mit Opfern des Menschenhandels Hilfestellung geben soll. Allerdings fehlt es vor allem in den am stärksten vom Menschenhandel betroffenen Ländern an Geld, um den Betroffenen zu helfen. Dies gilt insbesondere für viele Regionen Afrikas.
Konventionen gegen den Menschenhandel
Der Kampf gegen den Menschenhandel steht seit Jahren auf der Agenda der Vereinten Nationen: Bereits 1949 einigten sie sich auf eine Konvention gegen den Frauenhandel. Im Jahr 2000 wurde dann das sogenannte Menschenhandels- oder Palermo-Protokoll verabschiedet, das der Bekämpfung des international organisierten Menschenhandels größere Priorität einräumt.
Die Erfolge in der Strafverfolgung sind allerdings gering. Der Menschenhandel-Report des US-Außenministeriums von 2011 listet für das Jahr 2010 weltweit 6017 Anklagen und 3619 Verurteilungen auf - angesichts von mehr als zwölf Millionen Opfern eine verschwindend kleine Zahl.