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Malawischer Poldi

Jana Pareigis / Redaktion: Klaudia Pape 6. März 2009

Millionen afrikanischer Kinder träumen davon, als Fußballer entdeckt zu werden. Daniel Chitsulo hat es geschafft. Als einziger Fußballer seiner Heimat Malawi spielt Chitsulo in der deutschen Profiliga.

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Daniel Chitsulo läuft in dunkler Trainingskleidung über das Fußballfeld.
Als Kind stundenlang Fußball gespieltBild: DW / Pareigis

Trotz der Kälte trägt Daniel Chitsulo an diesem tristen Mittwochmorgen Shorts beim Fußballtraining seines Vereins Rot Weiss Ahlen. Konzentriert läuft er über das Mittelfeld, nimmt seinem Gegner den Ball ab und passt ihn einem Mannschaftskollegen zu. Der nur 1,70 Meter große Chitsulo spielt in der 2. Bundesliga. Doch mit dem Kicken angefangen habe er als Achtjähriger mit Freunden auf den Straßen Malawis, erinnert sich der drahtige Fußballer nach dem Training.

In Afrika ist Fußball der Massensport. Überall werde gebufft, egal wie arm das Land sei oder wie schlecht die Bedingungen, erklärt der österreichische Spielerberater Nick Neururer. „Die Kinder lernen schon von der Pike auf, mit dem Ball umzugehen, und spielen jeden Tag stundenlang. Einfach aus Freude am Spiel. Und dadurch sind sie technisch oft besser als die europäischen Spieler“, stellt Neururer fest.

Ein Traum wird wahr

Daniel Chitsulo zeigt in seiner Wohnung auf einen Bilderrahmen mit Familienfotos
Chitsulos Wohnung ist voll mit Erinnerungen an MalawiBild: DW / Pareigis

Auch Chitsulo war so gut, dass der damalige malawische Nationaltrainer, ein Deutscher, auf ihn aufmerksam wurde. „Er hat mich als Jugendlicher angesprochen und gefragt, ob ich nach Deutschland kommen möchte, um beim 1. FC Köln ein Probetraining zu machen“, erzählt der 25-Jährige. Da habe er natürlich sofort „Ja“ gesagt, auch wenn seine Mutter meinte, er sei zu jung, um alleine nach Europa zu fliegen. Chitsulo sitzt auf dem dunklen Sofa seiner bescheidenen Wohnung und zeigt auf einen großen Bilderrahmen, der hinter ihm an der Wand hängt. Er ist voll mit Fotos seiner Familie in der malawischen Hauptstadt Lilongwe. „Es ist immer mein Traum gewesen, in Europa Fußball zu spielen.“ Doch nur schweren Herzens habe er seine Heimat verlassen, sagt Chitsulo und reibt sich die Augen. „Wenn ich jetzt daran denke, wie ich meine Familie zurücklassen musste, muss ich fast weinen.“

Anfangs war es in Deutschland nicht leicht für ihn. Er kannte keinen und hatte vorher noch nie jemanden Deutsch sprechen gehört. Am liebsten wäre er gleich wieder nach Hause geflogen, doch der FC Köln bot ihm einen Vertrag an. „Und mein Vater sagte zu mir am Telefon: Das ist die Chance deines Lebens“, erinnert sich Chitsulo. Er hörte auf seinen Vater und blieb.

Afrikanische Fußballtalente in Europa

Daniel Chitsulo steht beim Fußballtraining auf dem Spielfeld. Ein anderer Spieler läuft an ihm vorbei.
"Die Konkurrenz ist groß"Bild: DW / Pareigis

Afrikanische Spieler sind ein fester Bestandteil der internationalen Fußballszene geworden. „Nach dem großen Boom südamerikanischer Fußballer, der in den 1960er und 70er Jahren begonnen hat, kommen seit etwa 20 Jahren auch immer mehr afrikanische Fußballer in den europäischen Ligen zum Zug“, beobachtet der Spielerberater Neururer.

Doch gerade junge ausländische Spieler, die die Sprache noch nicht beherrschen, seien ein gefundenes Fressen für Betrüger, meint Chitsulo. Er hat es am eigenen Leib zu spüren bekommen. „Der Manager, der für mich damals den Transfer nach Deutschland organisiert hat, lies mich einen Vertrag unterschreiben, den ich nicht verstanden habe. Und ich war noch nicht mal 18 Jahre alt“, erzählt er kopfschüttelnd. Erst mit einem Anwalt sei er aus der Sache herausgekommen.

Rassismus im Stadium

Heute, neun Jahre später, fühlt sich der Stürmer aber auch in Deutschland zu Hause. Und will nach seiner Spielerkarriere weiter hier leben. Allerdings hat er mit Rassismus zu kämpfen - auch beim Fußball. „Wenn ich bei Auswärtsspielen mit der Mannschaft spazieren gehe, dann gucken Leute komisch. Und im Stadium beschimpfen mich die Zuschauer als „einen Affen“, erzählt der malawische Fußballer ernst. Doch er will sich von den rassistischen Sprüchen nicht ablenken lassen. „Ich versuche mich dann zu konzentrieren und meine Arbeit zu machen. Das ist zwar schwer, aber in dem Moment denke ich: Ich bin ein Profi und nur hier wegen des Fußballs.“

In seiner Freizeit engagiert sich der höfliche 25-Jährige in Schulen gegen Ausgrenzung. Und der Kontakt mit anderen afrikanischen Spielern in Deutschland hilft ihm selber mit schwierigen Situationen umzugehen. „Die Treffen sind mir sehr wichtig, um zu besprechen, was man hier in Deutschland so erlebt.“

In Malawi ein Star

Daniel Chitsulo steht auf dem Bahnsteig des Ahlener Hauptbahnhofes.
Hin- und hergersissen zwischen Ahlen und LilongweBild: DW / Pareigis

In seiner Heimat Malawi ist „Dani“, wie ihn dort jeder nur nennt, ein Star. Er sei für die Menschen so etwas wie der malawische Lukas Podolski, sagt Chitsulo verlegen lächelnd. „Wenn ich nach Hause komme, muss ich immer viele Autogramme schreiben. Und früher, wenn die Leute wussten, dass ich nach Malawi komme, sind sie zum Flughafen gefahren und haben Lieder für mich gesungen.“

Jedes Jahr fliegt Chitsulo für mehrere Wochen in seine Heimat, ruft alle paar Tage aus Ahlen seine Eltern, Geschwister und Freunde an und schickt seiner Familie regelmäßig Geld. Und auch für die Nationalmannschaft Malawis spielt er noch. Eigentlich würden in den besten afrikanischen Nationalmannschaften nur noch Fußballer spielen, die bei europäischen Vereinen ihr Geld verdienten, erklärt Neururer. „Das ist zum Beispiel in Nigeria der Fall, oder im Senegal oder Kamerun.“ Das malawische Team sei zwar nicht so gut, stellt Chitsulo selbstkritisch fest. „Aber ins malawische Stadium reinzulaufen und 50.000 Menschen jubeln und weitere 20.000 Menschen stehen draußen und wollen auch noch rein: Das ist ein sensationelles Gefühl!“