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Der Kampf ums Kinderzimmer

Laurafabienne Schneider-Mombaur20. September 2003

250 Millionen Kinder zwischen 5 und 14 Jahren verbringen ihre Kindheit nicht im eigenen Kinderzimmer. Sie knüpfen, nähen, waschen und schleppen. Zum Weltkindertag 2003 kämpft die UNICEF wieder gegen das Vergessen.

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"Kinderrechte sind Menschenrechte" - unter diesem Motto veranstaltet die UNICEF 2003 den WeltkindertagBild: AP

Sie sind noch so klein, dass sie hinter den großen Maschinen verschwinden. Ihre Füße reichen vom Stuhl nicht einmal bis auf den Boden. Ihre Augen haben wenig von der Welt gesehen, und doch sehen sie traurig und müde aus. Über 250 Millionen Kinder zwischen 5 und 14 Jahren sitzen schätzungsweise weltweit hinter Webstühlen, in Minen oder Handwerksbetrieben. 250 Millionen Kinder - das entspricht etwa der Bevölkerung der Vereinigten Staaten.

Die Arbeitskräfte mit den kleinen Händen und den ernsten Gesichtern sind über die ganze Welt verteilt. Es gibt 250 Millionen Kinderarbeiter - und doch scheinbar keine Lobby, die sie vertritt. Ihre leisen Stimmen gehen im Lärm der Arbeit unter.

Kinderarbeit in Afghanistan
Kinder müssen in Minen arbeiten, weil sie noch klein und wendig sind. Die Folge: gesundheitliche und psychische SchädenBild: AP

Der Weltkindertag des Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (UNICEF) ist für diese Kinder ein Sprachrohr. Auf Demonstrationen und anderen Veranstaltungen werden die Wahrheiten in die Welt geschrien. Unter dem Motto "Kinderrechte sind Menschenrechte" macht die UNICEF auch dieses Jahr auf die globalen Misstände aufmerksam.

Auf der Suche nach der verlorenen Kindheit

Zum Beispiel auch auf Anjali. Sie knüpft in Indien bis zu 16 Stunden am Tag Teppiche. Das Zimmer ist düster und die Luft schlecht. Anjali bewegt ihren Webstuhl, als hätte sie ihr Leben lang nichts anderes getan.

Sie hat ihr Leben lang fast nichts anderes gemacht. Früher hat sie billiges Spielzeug hergestellt, mit dem auf anderen Kontinenten lachend ein paar Kinder spielen. An einem Schultisch saß sie aber noch nie und auch in einem eigenen Kinderzimmer hat sie noch nicht gespielt. Ihre Familie verdient wenig, deshalb muss Anjali für sich und ihre drei kleinen Geschwister sorgen. Sie weiß zwar, wie man Zwirn knotet und Muster webt, aber das Kindsein hat Anjali nie gelernt.

Top 3 der "Arbeitgeber"

Anjali gehört zu schätzungsweise 153 Millionen Kindern, die allein in Asien illegal arbeiten. Hier ist die Zahl der Kinderarbeiter am höchsten. Auf dem bevölkerungsreichsten Kontinent muss jedes fünfte Kind hart arbeiten. Darauf folgen Afrika mit 80 Millionen arbeitenden Kindern und Südamerika mit 17 Millionen. Ein Großteil ist gerade einmal im Grundschulalter. Vier von fünf Kindern erhalten keinen Lohn für die anstrengende Arbeit und meist nicht mal einen Dank.

Anjali bekommt zwar für ihre Mühen etwas Geld, der Arbeitgeber macht mit ihr dennoch ein sehr gutes Geschäft: Weil das indische Mädchen auf jede Rupie angewiesen ist, arbeitet sie gegen sehr geringe Bezahlung und lässt sich leichter ausbeuten. Denn Kinder führen Aufgaben meist bereitwilliger aus als Erwachsene.

Aufzucht eines Vidomegons

Indien: Kinderarbeit
Die so genannten Vidomegons sind keine exotischen Haustere, sondern Kinder, die in fremden Familien hart arbeiten müssenBild: AP

Nach einer UNICEF-Studie leben in den beiden größten Städten Benins in 65% der Haushalte "Vidomegons". Vidomegons sind keine exotischen Haustiere, sondern Kinder. Sie schuften meist den ganzen Tag, waschen, kochen, putzen und müssen nachts zum Teil auf dem Flur schlafen. "Kind, das bei jemanden untergebracht ist", heißt Vidomegon übersetzt. Doch laut UNICEF wird ein großer Teil der Kinder vernachlässigt und darf nicht einmal zur Schule gehen. Millionen Kinder, die so jeden Tag schuften, tauchen in keiner Statistik auf, weil diese Art von Kinderarbeit nicht immer sichtbar ist.

Nicht jede Form von Arbeit ist schlecht für Heranwachsende. Kleine Aufgaben können die Kinder übernehmen. Das hilft ihnen Verantwortung zu übernhemen und Persönlichkeit zu entfalten. Sobald die Kinder aber viele Stunden schleppen, knüpfen, putzen, nähen, und das auf engstem Raum, kann man von Kinderarbeit sprechen. Wenn die Arbeit schlecht oder gar nicht bezahlt wird und den Kindern verbietet zur Schule zu gehen- dann ist es illegal und damit Ausbeuterei.

In den meisten Ländern ist Kinderarbeit unter einem bestimmten Alter verboten. Dennoch setzen sich viele Arbeitgeber über die nationalen Konventionen hinweg. Zu den krassesten Formen der Kinderarbeit gehören immer noch Kinderprostitution und die Zwangsrekrutierung als Kindersoldaten. Allein in der Demokratischen Republik Kongo kämpften bis zu 15.00 Kinder, knapp 3.000 davon gehören der Armee an.

Kindersoldaten in Kongo
Kein Computerspiel, sondern in Kongo die Realität: Hier müssen Kinder auf andere Menschen schießenBild: AP

Big-Brother is watching you

Noch gibt es keinen "Big-Brother", der alle Regionen der Welt überwacht und die Kinder schützt. Die UNICEF und mit ihr die "UN-Konvention über die Rechte des Kindes" sind ein erster Schritt dorthin. 187 Staaten der Erde haben bislang die UN-Konvention unterschrieben.

Unter dem Motto "Kinderrechte sind Menschenrechte" kämpfen die UNICEF und andere Gruppen auch zum diesjährigen Weltkindertag für die Rechte der Kleinen. Jedes Kind hat nach der UN-Charta ein "Recht auf besondere Fürsorge und Unterstützung". Unterstützung brauchen die Kinder überall auf der Welt, vor allem aber in den Schwellen- und Entwicklungsländern. Denn Kinder werden noch immer zu häufig übersehen. Nicht nur wegen ihrer Größe, sondern vor allem, weil sie nicht von allen Erwachsenen ernst genommen werden.