1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
PolitikEuropa

Der Kampf um die humanitären Korridore

8. März 2022

Die Menschen in den von Russland belagerten ukrainischen Städten brauchen dringend gesicherte Fluchtwege. Doch humanitäre Korridore erfordern ein Mindestmaß an Vertrauen. Das macht es in diesem Krieg so schwer.

https://p.dw.com/p/4890I
Buskonvois warten rund um Mariupol vergebens darauf, Zivilisten aus der belagerten Stadt in Sicherheit bringen zu können
Buskonvois warten rund um Mariupol vergebens darauf, Zivilisten aus der belagerten Stadt in Sicherheit bringen zu könnenBild: Smoliyenko Dmytro/Ukrinform/abaca/picture alliance

Russlands UN-Botschafter Wassili Nebensja hat vor dem Sicherheitsrat in New York eine erneute Feuerpause in der Ukraine angeboten. Nach Angaben des russischen Verteidigungsministeriums wurden inzwischen fünf humanitäre Korridore geöffnet, um Bürger aus Kiew, Tschernihiw, Sumy, Charkiw und Mariupol in Sicherheit zu bringen. Die meisten dieser humanitären Korridore führen jedoch nach Russland oder Belarus - was die Ukraine ablehnt.

Menschen fliehen über behelfsmäßige Brücken aus der zerstörten Stadt Irpin in der Nähe von Kiew
Die Zerstörungen in den belagerten Städten sind allgegenwärtig - wie hier in IrpinBild: Efrem Lukatsky/AP Photo/picture alliance

Solche Korridore seien jedoch nötig, um humanitäre Hilfe in die umkämpften Gebiete in der Ukraine zu bringen, sagte UN-Nothilfekoordinator Martin Griffiths vor dem UN-Sicherheitsrat. Zivilisten warteten verzweifelt auf Hilfe und seien insbesondere auf "lebenswichtige medizinische Versorgung" angewiesen.

Das Beispiel Mariupol

Derweil sorgen die anhaltenden russischen Angriffe für enorme Zerstörung und weiteres Blutvergießen. Die Lage in den umzingelten ukrainischen Städten ist katastrophal. Und sie verschärft sich an jedem Tag weiter, denn Stromleitungen und Heizkraftwerke werden in diesem Krieg ebenso wenig verschont, wie etwa die Wasserversorgung.

Eine Woche nach dem russischen Angriff auf die Ukraine blühte erstmals kurz die Hoffnung auf, als sich die Kriegsgegner auf sogenannte humanitäre Korridore einigten. Es blieb bei der Ankündigung, wie das Beispiel Mariupol in der südlichen Ukraine zeigt.

Keine sicheren Wege

Am Samstag sollten lange genug die Waffen ruhen, um 200.000 Menschen die Möglichkeit zu geben, die Stadt zu verlassen. Doch bis zum frühen Nachmittag waren alle Evakuierungsversuche gescheitert. Die Stadtverwaltung von Mariupol musste sie "aus Sicherheitsgründen" verschieben, weil die russischen Truppen weiterhin die Stadt und deren Umgebung bombardierten.

Ein weiterer Evakuierungsversuch am Sonntag schlug ebenfalls fehl, obwohl die örtlichen Behörden mit den russischen Truppen eine elfstündige Waffenruhe vereinbart hatten. Doch die Aktion wurde angesichts der andauernden russischen Angriffe bereits am Mittag abgebrochen. Das Rote Kreuz beklagte das "Fehlen einer detaillierten und funktionierenden Übereinkunft".

Der Präsident der Ukraine, Wolodymyr Selenskyj, bei seiner Videoansprache von Montag
Präsident Wolodymyr Selenskyj bei seiner Videoansprache von MontagBild: UKRAINIAN PRESIDENT OFFICE via REUTERS

Am Montag beschuldigte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj die russischen Truppen, die vereinbarte Route, über die Lebensmittel und Medikamente in die belagerte Stadt Mariupol gebracht werden sollten, "vermint" zu haben. Zudem hätten russische Soldaten die Busse zerstört, mit denen die Zivilisten aus den umkämpften Gebieten gebracht werden sollten.

Keine sicheren Ziele

Russlands Verteidigungsministerium wirft dagegen der Ukraine vor, Abmachungen zur Schaffung von humanitären Korridoren nicht einzuhalten. Tatsächlich hatte die Regierung in Kiew alle russischen Vorschläge für Fluchtwege zurückgewiesen. Denn die Hälfte dieser Korridore für Zivilisten sollten - wie für Dienstag erneut vorgeschlagen - nach Russland oder nach Belarus führen, von wo aus die russische Armee am 24. Februar in die Ukraine einmarschiert war. "Das ist keine akzeptable Option", erwiderte die stellvertretende ukrainische Regierungschefin Iryna Wereschtschuk.

Menschen fliehen aus der Stadt Irpin in der Nähe von Kiew
Irpin, wenige Kilometer vor Kiew gelegen, ist längst kein sicherer Ort mehrBild: Emilio Morenatti/AP Photo/picture alliance

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron wurde noch erheblich deutlicher. Er warf Moskau "moralischen und politischen Zynismus" vor und sprach sogar von "Verlogenheit". Er "kenne keine Ukrainer, die nach Russland fliehen wollten", sagte Macron.

Mariupols Bürgermeister Wadym Boitschenko hatte am Wochenende gesagt, den Angreifern gehe es um nichts anderes, als die "Ukraine von den Ukrainern zu befreien".

rb/wa (AFP, AP, dpa, DW, Reuters)