Der Hassprediger streitet alles ab
11. Dezember 2014Auf diesen Tag hat Dimitri Bontinck lange gewartet. Nach zwei Monaten und acht Prozesstagen stellt das Gericht in Antwerpen den Mann zur Rede, der den Sohn Bontincks indoktriniert und wie viele andere belgische Jugendliche in den Krieg nach Syrien geschickt haben soll. Beschuldigt ist Fuad Belkacem. "Die ganze Welt will wissen, was Belkacem sagt und ich natürlich auch", erklärt der Vater vor dem Prozess.
"Oberster Hassprediger" hat das Wort
Fuad Belkacem ist der Hauptangeklagte und Gründer der mutmaßlichen Terrorgruppe "Sharia4Belgium“ (Archivbild oben). Der Mann hat sich in Belgien einen Namen als oberster Hassprediger des Landes gemacht. Er wird in Handschellen und in einem Sicherheitsanzug von zwei Beamten in den Gerichtsaal geführt. Zur Zeit sitzt der gelernte Automechaniker eine zweijährige Haftstrafe ab, weil er zum Hass gegen Nicht-Muslime aufgerufen hat. Als er den Saal betritt, lächelt er mild seinen Anhängern auf den Besucherrängen zu. Diese Jugendlichen bleiben demonstrativ sitzen, als dann der Richter den Saal betritt.
"Kein Salafist, kein Dschihadist, kein Terrorist"
Mit ruhigen Worten erklärt Belkacem dem Gericht, dass er niemanden nach Syrien geschickt habe. Er hätte seine Mitglieder niemals in Gefahr gebracht, schon gar nicht seine besten Leute. Einer belgischen Mutter, deren Kind noch in Syrien kämpft, wird das zu viel. Rosana Rodrigues beschimpft Belkacem mitten in der Verhandlung als Verbrecher und wird umgehend von den zivilen Sicherheitskräften aus dem Saal geführt. Belkacem spricht ungerührt weiter und schließt mit den Worten: "Ich bin kein Salafist, ich bin kein Dschihadist und auch kein Terrorist. Ich bin ein orthodoxer Muslim, nicht mehr und nicht weniger."
Dann haben die Mitangeklagten Michael Delefortrie, Mohamed El Youssoufi und Elias Taketloune das Wort. Sie erklären, dass sie nicht im Auftrag der Organisation "Sharia4Belgium" nach Syrien gereist sind und heute ihre Entscheidung bereuen. Michael Delefortrie fügt beim Verlassen des Gerichts noch hinzu: "Die Regierung sollte die Menschen vor den wirklich gefährlichen Bürgern schützen. Vor Pädophilen oder Mördern, aber nicht vor denen, die nur auf der Straße reden und für ihre Sache einstehen."
Beweislage denkbar dünn
Für Dimitri Bontinck ist das der reinste Hohn. Von Bedauern könne ja wohl keine Rede sein, ärgert sich der Vater. "Wenn 350 junge Belgier nach Syrien gegangen sind und wahrscheinlich zehn Prozent von ihnen die Reise mit dem Tod bezahlt haben, dann kann man doch nicht einfach sagen, das tut mir leid“, sagt Bontinck. Der Belgier machte im Mai 2013 Schlagzeilen, als er selbst nach Syrien aufbrach, um seinen damals 18jährigen Sohn aus dem Krieg nach Hause zu holen. Der Sohn, Jejoen Bontinck, ist nun der Hauptzeuge der Staatsanwaltschaft und sitzt zugleich selbst auf der Anklagebank. Die Verteidiger betonten erneut, dass der junge Mann für sie ein Lügner sei und sich ständig in Widersprüche verstricke. Viele Beobachter bezweifeln, ob das Gericht am Ende genügend Beweise in der Hand hat. Haben die Angeklagten tatsächlich Terrororganisationen wie den "Islamischen Staat" oder die Al-Nusra-Front unterstützt?
EU sagt Dschihad-Reisenden Kampf an
Für die Staatsanwaltschaft spricht, dass die neue Regierung in Belgien eine deutlich schärfere Gangart gegen mutmaßliche Terroristen fordert. Dazu wurden bereits entsprechende Gesetzesänderungen auf den Weg gebracht. Auch wenn die für den Prozess nicht mehr bindend sind, gehen Beobachter von einem Urteil mit Signalwirkung aus. So geschah es bereits in ähnlichen Prozessen in Frankreich, Deutschland und Großbritannien. Rückendeckung bekommt Belgien auch von den Innenministern der EU, die auf ihrem jüngsten Treffen in Brüssel das Thema Dschihad-Kämpfer ganz oben auf der Tagesordnung hatten. Die Zahl der Kämpfer aus Europa, die in den Irak und nach Syrien reisen, steigt laut Bundesinnenminister Thomas de Maizière weiter an. Die Minister verständigten sich deshalb vergangene Woche nicht nur auf einen schnelleren Informationsaustausch über die sogenannten Dschihad-Reisenden, sondern auch auf eine bessere strafrechtliche Verfolgung der Rückkehrer.
In Antwerpen fordert die Staatsanwaltschaft für die meisten Angeklagten fünf Jahre Haft. Der Hauptangeklagte soll bis zu 15 Jahre ins Gefängnis. Im bislang wichtigsten Terrorprozess des Landes sind übrigens nur acht der 46 Angeklagten vor Gericht anwesend. Die anderen sind entweder noch in Syrien oder bereits tot. Das Urteil wird für den 14. Januar erwartet.