Untreue und Betrug
8. Oktober 2011Sie stellen fiktive Rechnungen aus, nehmen Waren mit, verschleiern Verluste oder lassen sich bestechen. Es sind häufig Mitarbeiter, die bereits über zehn Jahre in einem Betrieb beschäftigt sind und die sich durch Betrug oder Untreue auf Kosten ihrer Arbeitgeber bereichern. Nicht selten sind sie auch in höheren Positionen zu finden, hier vor allem im Vertrieb oder Finanzbereich. Das geht aus einer Studie des Beratungsunternehmens KPMG hervor, das dazu quer durch alle Branchen 300 Führungskräfte befragt hat.
Die Täter, so Frank Hülsberg, Wirtschaftsprüfer und Partner von KPMG, kennen aufgrund ihrer langen Zugehörigkeit alle ablaufenden Prozesse im Betrieb sehr gut. Sie wissen auch, wie das Kontrollsystem funktioniert - und wo es Lücken gibt.
Die Gründe für das kriminelle Handeln der Arbeitnehmer sind vielfältig. Leistungsdruck, Geldgier, persönliche Bereicherung spielen eine nicht unerhebliche Rolle. Einige rechtfertigen ihr Tun auch damit, dass sie eben schon lange in der Firma sind und sich für den Betrieb regelrecht aufgeopfert haben: "Mit dieser inneren Rechtfertigung, nämlich ich habe es mir verdient, schädigen sie tatsächlich das Unternehmen", sagt Hülsberg im Gespräch mit DW-WORLD.DE.
Laxe interne Kontrollen
Besonders betroffen von Betrug und Untreue, sagt Wirtschaftsprüfer Hülsberg, seien die Automobil- und die Maschinenbaubranche. Opfer von Computerkriminalität werden meist Unternehmen der Elektronik-, Software- und Medienbranche.
Die potenzielle Gefahr, die von eigenen Mitarbeitern ausgeht, wird der Studie zufolge häufig unterschätzt. Dabei sehen immer mehr deutsche Unternehmen die Wirtschaftskriminalität als große Gefahr für die Wirtschaft insgesamt an. Obwohl die Unternehmen in den letzten Jahren massiv in ihre Kontrollsysteme investiert hätten, fehle nicht selten die Kontrolle der Kontrolle, sagt Frank Hülsberg.
In drei von vier Fällen nutzten die Täter laxe interne Überprüfungen aus: "Zum anderen: In mehr als einem Viertel der Fälle gab es rechtzeitige Hinweise aus so genannten Hinweisgebersystemen, also von Mitarbeitern im Betrieb." Deren Mithilfe sei wichtig, aber in Deutschland ziemlich unpopulär. Ohne eine "Art Überwachungsstaat" ins Leben rufen zu wollen, ein derartiges Hinweissystem sei sehr nützlich, rät der Wirtschaftsprüfer. Kontrollen und interne Richtlinien sind in den meisten deutschen Großunternehmen inzwischen Chefsache. Wie aus der KPMG-Studie hervorgeht, hat fast die Hälfte, rund 45 Prozent, der Firmen ein eigenes Vorstandsressort "Compliance" eingerichtet oder der Vorstandschef ist direkt damit befaßt.
Warnsignale nicht beachtet
Frank Hülsberg nennt es erschütternd, dass es in mehr als der Hälfte der bekannt gewordenen Fälle vorher eindeutige Warnsignale gegeben habe. Aber sie hätten keine Beachtung gefunden.
Da seien Mitarbeiter beispielsweise während ihres Urlaubs häufig im Betrieb erschienen, weil sie Angst vor Entdeckung gehabt hätten. Oder der Lebensstil eines Beschäftigten sei so aufwendig gewesen, dass er in keiner Weise zu seinem Einkommen gepasst habe: "In nur sechs Prozent der Fälle, die wir untersucht haben, war es so, dass Warnsignale wirklich ernst genommen wurden." Das sei umso fataler, als die überwiegende Mehrheit der Betrüger, Mehrfachtäter seien. Diese Zahlen haben sich nach Angaben Hülsbergs gegenüber der Untersuchung aus dem Jahre 2007 noch einmal deutlich verschlechtert.
Schaden in Millionenhöhe
Der Schaden, der durch kriminelle Handlungen entsteht, kann für ein Unternehmen enorm, ja sogar Existenz bedrohend sein. Die Studie zeigt: durchschnittlich liegt der Schaden pro Fall bei einer Million Euro. Was aber in der Million nicht erfasst sei, das seien die Folgeschäden, der Ansehensverlust des Unternehmens, sagt Frank Hülsberg: "Die Folge kann sein, dass man als Lieferant für zukünftige Aufträge gesperrt wird."
Ob Betrug beim Einkauf oder der Griff in die Firmenkasse, die Schäden durch Wirtschaftskriminalität nehmen in Deutschland rasant zu. Obwohl sich die Fallzahlen im vergangenen Jahr nach Angaben des Bundeskriminalamtes (BKA) kaum geändert haben, ist der Gesamtschaden um rund 36 Prozent auf 4,6 Milliarden Euro gestiegen.
Autorin: Monika Lohmüller
Redaktion: Henrik Böhme