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Profit für die Allgemeinheit

15. September 2010

Michael Succow ist erfolgreich bei der Schaffung neuer Schutzgebiete in Osteuropa und Asien. Der alternative Nobelpreis von 1997 hat dem Greifswalder Professor und seiner Stiftung die Türen zu den Mächtigen geöffnet.

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Michael Succow, Träger des alternativen Nobelpreises 1997 (Foto: dpa) Foto: Stefan Sauer/dpa
Professor Michael Succow: "Aktuell ist viel möglich"Bild: picture-alliance/dpa

Es ist Mitte September und Michael Succow macht Zwischenstation zu Hause in Greifswald. Der Biologieprofessor kommt gerade aus Kiew, voller Begeisterung für das, was dort geplant ist: Die Ukraine will nicht weniger als 47 Nationalparke einrichten, mit Halbwüsten, Küstengebirgen, Flussauen, Mooren und Steppen - eine Art Kompendium der vielfältigen ukrainischen Natur. Das Parlament hat das Programm schon beschlossen, was wohl nicht so schwer fiel: Riesige Flächen früheren Staatslandes liegen derzeit brach.

"Aktuell ist dort viel möglich", sagt Succow, und hat schon einmal Gebiete durchstreift, in denen man beispielhaft Schutzzonen nach EU-Standart einrichten könnte. Die absolute Wildnis an der Grenze zu Weißrussland, mit "unfassbar schönen, riesigen Mooren", wäre als strenges Schutzgebiet zu erhalten. Die Waldsteppen in der Zentralukraine eignen sich dagegen für ein Biosphärenreservat, in dem der Mensch im Einklang mit der Natur wirtschaftet. "Die Bürgermeister und Landräte sagen uns, riesige Gebiete sind frei, Ihr könnt sie für den Naturschutz haben."

Chancen, die man nutzen muss

Die turkmenische Wüste mit einem Kamel im Hintergrund (Foto: DW)
Turkmenistans erster Nationalpark steht vor der VollendungBild: DW

Das Leuchten in den Augen des 67-jährigen Landschaftsökologen verrät - eine solche Chance wird er sich nicht entgehen lassen und in den kommenden Wochen Himmel und Hölle in Bewegung setzen, um Geld für die Modellprojekte aufzutreiben. Beim Umweltministerium in Berlin, bei der EU in Brüssel, bei privaten Spendern. Der Milliardär Michael Otto hat ihm mit seiner Umweltstiftung oft unter die Arme gegriffen.

Succows eigene gemeinnützige Stiftung, klein aber fein, mit vielen engagierten und von ihm an der Greifswalder Universität ausgebildeten jungen Leuten, wird wissenschaftliche Hilfe leisten. Ebenso wie bei einem anderen aktuellen Projekt: Die Wiederherstellung von wachsenden Mooren in Weißrussland, die nicht nur als urwüchsige Lebensräume das Land schmücken, sondern als Speicher von CO2 und potentiell auch durch den Anbau von Energiepflanzen wie Schilf oder Erle zum Klimaschutz beitragen.

"Lieblingskind" Moor

Die "Moorvernässung" in Weißrussland ist eines von Succows "Lieblingskindern" und über die Kooperation mit dem international eher isolierten Regime kann er sich in diesem Punkt nicht beklagen. Zusammen mit den "hervorragend ausgebildeten weißrussischen Experten" managt die Succow-Stiftung die Restaurierung von 40.000 Hektar Moor. Auch im benachbarten Russland sieht Succow mittlerweile das Problembewusstsein wachsen. Schließlich hätten die jüngsten Torfbrände in der früheren Sowjetunion gezeigt, wie verheerend die einst als "Neulandgewinnung" gefeierte Trockenlegung von Mooren sein kann.

Zwei Feuerwehrleute bekämpfen einen Flächenbrand in Russland (Foto: dpa) Foto: MAXIM SHIPENKOV/EPA +++(c) dpa - Bildfunk+++
Russlands trockengelegte Moore brennenBild: picture alliance/dpa

Für die Ausweisung von Schutzgebieten weltweit hat Michael Succow 1997 den alternativen Nobelpreis bekommen. Heute bezeichnet er sich als "Geschäftsreisender für die Natur". Der Profit allerdings kommt nicht ihm, sondern der Allgemeinheit zugute. So wie im Falle des ersten Nationalparks in Turkmenistan, der voraussichtlich im Frühjahr 2011 von Staatspräsident Gurbanguly Berdimuhamedow persönlich eingeweiht werden soll.

Alternativer Nobelpreis öffnete Türen

Persönliche Kontakte sind ein Geheimnis des erfolgreichen Streiters für die Erhaltung der Natur, und die verdankt er auch dem alternativen Nobelpreis. Er hat ihm die Türen geöffnet zu den Mächtigen in Osteuropa und Mittelasien. Er habe bei vielen dieser Leute eine tief verwurzelte Liebe zur Natur angetroffen, sagt Michael Succow - in Aserbaidschan beispielsweise beim damaligen Präsidenten Haider Alijew. Mittlerweile sind zehn Nationalparks eingerichtet worden, und das Land ist durch Öl und Gas so reich, sich diese dauerhaft leisten zu können. Dagegen hat der Bürgerkrieg in Kirgistan vieles zunichte gemacht, was Succow mit seinem Freund, dem Schriftsteller Tschingis Aitmatow, in den 90er-Jahren in Gang gesetzt hatte.

Dass sich Michael Succow für sein emsiges Wirken besonders die postsowjetischen Transformationsländer ausgesucht hat, ist kein Zufall. Zum einen spricht er russisch. Zum anderen gelang ihm 1990, kurz vor der deutschen Einheit, als Vize-Umweltminister im Übergangskabinett Modrow ein legendärer Coup. Zusammen mit anderen Umweltaktivisten initiierte er auf dem Boden ehemaliger Truppenübungsplätze, Staatsjagdgebiete und nicht mehr gebrauchten "Grenzsicherungsräumen" der DDR die Einrichtung von 14 Großschutzgebieten, die heute noch Bestand haben.

Unbeliebt bei Jagdtouristen

Restauriertes Moor in Weissrussland (Foto: DW)
"Moorvernässung" in Weißrussland

Seine damalige Erfahrung besagt, dass man die Zeit vor einer Re-Privatisierung des Staatslandes nutzen muss, um dem Naturschutz zum Siege zu verhelfen. So war der Greifswalder Wissenschaftler in diesem Jahr neben acht anderen Ländern auch in Kuba unterwegs. Dort könne man mit dem Erhalt der Moore viel für den Klimaschutz tun, sagt er. Leider liege die Zusammenarbeit der EU mit Kuba auf Eis.

Sechs Reisen stehen noch auf dem Kalender für dieses Jahr, darunter ins russische Kaliningrad. In der dortigen Region ist Michael Succow drauf und dran, sich bei reichen Jagdtouristen aus Westeuropa und Moskau unbeliebt zu machen. Er will ihnen die Rominter Heide vor der Nase wegschnappen und sie in ein Naturschutzgebiet verwandeln. Die russischen Behörden scheint er mittlerweile auf seiner Seite zu haben. Eine Machbarkeitsstudie, finanziert durch die Deutsche Bundesstiftung Umwelt, liegt bereits in Succows Greifswalder Stiftung abrufbereit.

Autor: Bernd Gräßler
Redaktion: Kay-Alexander Scholz