Geist des Reformators
24. Juli 2009Berühmt ist die Wartburg bei Eisenach als Zufluchtsort Luthers: Am 4. Mai 1521 begab sich Martin luther sich hier unter dem Pseudonym Junker Jörg in freiwillige Schutzhaft, auf der Flucht vor der Reichsacht durch den Wormser Reichstag. Rund 500 000 Touristen besuchen die zum UNESCO-Kulturerbe gehörende Wartburg in jedem Jahr. Die Menschen wollen die Lutherstube sehen, obwohl in Junker Jörgs Klause, die man am Ende eines jeden Wartburg-Rundgangs besichtigen kann, außer dem Fußschemel aus einem Wal-Wirbel und der Wandvertäfelung nichts mehr aus Luthers Zeiten erhalten ist. Die Stube war schon bald zum Wallfahrtsort geworden, Souvenirjäger setzten in 400 Jahren dem Original zu. Doch bis heute halten die Besucher in diesem kärglichen Raum Ausschau nach dem Geist Martin Luthers. Hier ist der Ort, an dem er 1521 in nur zehn Wochen das Neue Testament aus dem Griechischen in die deutsche Sprache übertrug. Eine Meisterleistung wegen der kurzen Zeit, vor allem aber wegen des Ergebnisses.
Was man zur Lutherbibel wissen sollte
Mit einer Sonderausstellung würdigt die Wartburg-Stiftung zurzeit die erste lutherische Vollbibel und ihre Entstehungsgeschichte. Luther hatte seine Übersetzung auf der Wartburg begonnen, sie erschien jedoch erst 1534 – vor 475 Jahren - im Druck. Ihre schnelle Verbreitung verdankt sie dem neuen Buchdruckverfahren Johannes Gutenbergs, der in Europa eine Medienrevolution auslöste. "Dies Buch in aller Zuge, Hand und Herzen", ist der Titel der Ausstellung, der sich auf ein Lutherwort bezieht. "Ach wenn doch jede Stadt ihren eigenen Dolmetscher hätte und dies Buch allein in aller Zunge, Hand, Augen, Ohren und Herzen wäre!", hatte Luther an einen Ordensbruder geschrieben, der ebenfalls an einer Übersetzung der Bibel arbeitete.
Die Ausstellung zeigt bibliophile Kostbarkeiten, darunter Prachtbibeln der Fürsten, Original-Manuskripte Luthers. Allerdings ist nur das Manuskript der zwölf Jahre später verfassten Übersetzung des Alten Testaments erhalten. Und natürlich zeigt das Wartburg-Museum stolz sein Exemplar einer Lutherbibel. Es wurde in Wittenberg gedruckt und weist zahlreiche handschriftliche Notizen und Randbemerkungen, sowohl von Luther selbst als auch von seinen Mitstreitern wie Melanchthon und Bugenhagen, auf.
Die erste deutsche Bibel und das Lutherdeutsch
Gleich zu Beginn klärt die Schau über ein weitverbreitetes Vorurteil auf: Die Annahme, mit Luther habe es die erste deutsche Bibel gegeben, stimmt nicht. Zu sehen ist eine Übersicht von immerhin achtzehn deutschen Bibeln, die es schon vor Luther gegeben hat und die zugleich dokumentieren, welchen Bedarf es gab, die Heilige Schrift in der deutschen Sprache zu lesen.
Besonders viel Raum widmet die Schau dem sprachlichen Problem, mit dem Luther bei seiner Übersetzung konfrontiert war: Eine verbindliche deutsche Sprache existierte noch nicht, es galt dennoch Missverständnisse möglichst zu vermeiden. Das sogenannte "Lutherdeutsch" war eine Kunstsprache, ein Amalgam mit unterschiedlichen Wurzeln. Luther selbst war im Ost-mittelhochdeutschen zu Hause, sprach aber auch Niedersächsisch und hatte durch seine Reisen viele Varianten des Deutschen kennengelernt. So hieß beispielsweise das alemannische "Kleid" im Schwäbischen "Hess". Um das Verständnis des Lutherdeutsch zu erleichtern hefteten die Buchdrucker in Basel beispielsweise ein Glossar dazu, wo Begriffe, die in Basel als ausländisch galten, übersetzt wurden. Mit diesen Glossaren verbreitete sich der Wortschatz über das ganze Heilige Römische Reich.
Werdegang der Bibel
Auf unterhaltsame Weise werden die Besucher auch mit den praktischen Seiten der Bibelübersetzung vertraut gemacht: Von der Entstehung des Übersetzungsmanuskripts über die Illustrationen aus der Cranach-Werkstatt bis zur Gutenbergpresse und dem Gießgerät der Wittenberger Druckerei.
Auch klärt die Schau darüber auf, welche Bedeutung die Heilige Schrift für Luther hatte, was das Neue seiner Übersetzung war und welches Anliegen er damit verband.
Die Lutherstube: Ausgangspunkt und Höhepunkt
Im Wehrgang zur Lutherstube runden zeitgenössische Bibelausgaben, darunter die Hundertwasser-Bibel die Ausstellung ab. Der Höhepunkt jedes Wartburg-Rundgangs und auch dieser Bibelausstellung wartet am Ende: die Lutherstube. Wartburg-Führerin Hendrike Döbert hat schon Massai-Krieger aus Afrika oder evangelische Aborigines aus Australien in Luthers Arbeitszimmer geführt. Manche Besucher, sagt sie, fallen vor Ehrfurcht auf die Knie. Sie alle suchen den Geist des Reformators, dessen Ideen sich in Form des evangelischen Glaubens in die ganze Welt verbreiteten.
Redaktion: Sigrid Hoff
Redaktion: Klaus Krämer