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Politik

"Der gehört auf der Stelle abgeknallt"

19. Juni 2020

Deutschland verschärft den Kampf gegen Hasskommentare im Netz. Twitter und Facebook müssen Drohungen jetzt dem Bundeskriminalamt melden. Und auch der US-Präsident bekommt endlich Gegenwind von den sozialen Medien.

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Symbolbild | Hatespeech
Bild: imago-images/photothek/T. Trutschel

US-Präsident Donald Trump lässt kaum einen Tag vergehen, an dem er nicht auf seinem Twitter-Account (aktuell 30,5 Millionen Follower) gegen seine Gegner hetzt. Erst in letzter Zeit reagieren die großen Internet-Plattformen, auf denen er sich bislang ungehindert äußern konnte. Twitter etwa versah einen Tweet des Präsidenten mit einem Warnhinweis. In dem Tweet schrieb Trump nach ersten Ausschreitungen nach dem Tod des Afroamerikaners George Floyd durch Polizeigewalt: "Wenn Plünderungen beginnen, wird geschossen." Ein Aufschrei ging durch das liberale Amerika, denn mit diesem Satz hatte 1967 der damalige Polizeichef von Miami ein brutales Vorgehen gegen die schwarze Bevölkerung angekündigt.

Und auch Facebook reagierte endlich, nachdem der Konzern sich lange geweigert hatte, gegen Trumps Beleidigungen vorzugehen. So sperrte Facebook jetzt eine Anzeige des Wahlkampfteams des Präsidenten, die sich offenbar gegen linksgerichtete Gruppen richtete. Dazu wurde in dem Beitrag ein roter Winkel genutzt. In den Konzentrationslagern der Nationalsozialisten mussten politische Gefangene ebenfalls einen roten Winkel an ihrer Kleidung tragen.

Screenshot | Twitter Account US-Präsident Donald Trump
Über 30.5 Millionen Menschen folgen Donald Trumps Account auf Twitter Bild: twitter/realDonald Trump

Strafbare Inhalte melden, nicht nur löschen

In Deutschland ist die Regierung eines der Opfer, nicht Autor von Hasskommentaren im Netz. Die Bundeskanzlerin etwa betreibt, anders als der US-Präsident, gar keinen eigenen Twitter-Account. Aber eine Debatte wie in den meisten anderen Ländern der Welt darüber, was man in den sozialen Medien sagen darf und was nicht, gibt es auch hierzulande. In dieser Woche verabschiedete der Bundestag ein Gesetz, dass vorschreibt, dass soziale Netzwerke wie Facebook oder Twitter strafbare Inhalte an das Bundeskriminalamt melden müssen. Tun sie es nicht, können Bußgelder in Millionenhöhe verhängt werden.

Für eine Reihe von Delikten werden die Strafen erhöht. Mit bis zu drei Jahren Gefängnis kann schon bislang bestraft werden, wer etwa öffentlich zum Mord aufruft. Jetzt gibt es auch härtere Strafen für diejenigen, die zu Körperverletzungen aufrufen. Melden müssen die Netzwerke jetzt auch Fälle von Volksverhetzung und Gewaltdarstellungen, die Billigung von Straftaten, sowie die Verbreitung von Kinderpornografie.

Täglich Drohungen: Alltag für Politiker

Trotzdem bleibt in den sozialen Medien vieles möglich, was früher schlicht strafbar war. Beleidigungen, üble Nachrede und Verleumdung wird es weiterhin geben, denn immer noch bleibt es den Betroffenen überlassen, ob sie eine Strafverfolgung wünschen oder nicht. Für Politiker etwa, die jeden Tag mit Hass im Netz konfrontiert sind, ist das kaum leistbar.

Ein Beispiel gab dieser Tage Bundesjustizminister Christine Lambrecht (SPD), die zunächst gezögert hatte, sich nach einem besonders schweren Fall von Kinderpornografie für härtere Strafen auszusprechen - was sie mittlerweile korrigiert hat. Im Zweiten Deutschen Fernsehen (ZDF)  berichtete Lambrecht nun, dass auch sie persönlich massiv bedroht wird: "Ich bekomme Morddrohungen. Ich bekomme Androhungen von Gewalt, nicht nur mir gegenüber, sondern auch meinem Kind gegenüber, damit ich meine Meinung ändere."

Bundestag Christine Lambrecht Bundesministerin der Justiz und für Verbraucherschut
Justizministerin Christine Lambrecht wird im Netz massiv bedrohtBild: picture-alliance/dpa/K. Nietfeld

Zumeist kommen die Hasskommentare dabei aus der extremen rechten Ecke, wie das Bundeskriminalamt 2017 feststellte: In dem Jahr wurden 2270 Anzeigen zu strafrelevanten Hasskommentaren registriert, 74 Prozent davon ließen sich klar dem politisch rechtsextremen Spektrum zuordnen.

Frankreich: Verfassungsrat stoppt Gesetz gegen Hass im Netz

Viele Regierungen machen sich gerade auf, entschiedener gegen die Welle von Hass und Drohungen im Internet vorzugehen. Nicht immer mit Erfolg: In Frankreich hat jetzt der Verfassungsrat, oberster Hüter über die Verfassung, ein Gesetz gegen Hasskommentare in den sozialen Medien zurückgewiesen. Das Gesetz war erst im Mai beschlossen worden und sollte große Online-Plattformen verpflichten, Hasskommentare innerhalb von 24 Stunden nach einer Nutzer-Meldung zu entfernen. Andernfalls hätten Bußgelder von bis zu 1,25 Millionen Euro gedroht. Der Verfassungsrat argumentierte nun, das Gesetz könne Plattformen ermutigen, Inhalte zu entfernen,egal ob diese unerlaubt seien oder nicht. Und das würde das Recht auf Meinungsfreiheit verletzen.

Freie Meinungsäußerung oder Straftat?

Darum geht es stets in demokratischen Staaten: Was ist noch erlaubt, wann wird die Meinungsfreiheit auch im Netz zu stark eingeschränkt? Die großen Anbieter wie Facebook oder Twitter haben naturgemäß wenig Interesse, dass die Bestimmungen zu scharf ausfallen. Und die Politiker wollen sich nicht dem Vorwurf aussetzen, Diskussionen abzuwürgen. Die deutsche Ministerin Lambrecht sagte denn auch, die Regierung wolle weiterhin einen Diskurs im Netz: "Wir wollen Meinungsfreiheit. Deswegen darf es nicht sein, dass diejenigen,die sich für eine bunte Gesellschaft einsetzen, mundtot gemacht werden."

Was Drohungen im Netz anrichten können, zeigt auch der Mord an dem Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke vor einem Jahr. Der CDU-Politiker hatte sich schon lange für Flüchtlinge eingesetzt und wurde mutmaßlich von einem Rechtsextremisten erschossen, der dafür jetzt vor Gericht steht. Aber schon viele Jahre zuvor war Lübcke Hassobjekt der rechten Szene gewesen. Gleichzeitig zum Mordprozess steht jetzt ein Rentner aus Gelnhausen in Hessen vor Gericht, der im Internet schrieb, Lübcke "gehört auf der Stelle abgeknallt."  Was mit Worten im Netz beginnt, wird manchmal schreckliche Realität.