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Der gefrorene Rasen von Turbine Potsdam

David Braneck in Potsdam
6. Februar 2023

Das Bundesligaspiel von Turbine Potsdam gegen Bayern München ist wegen eines gefrorenen und daher unbespielbaren Rasens abgesagt worden. Das ist nur ein Beispiel für die infrastrukturellen Probleme der Frauen-Bundesliga.

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Blick auf den Rasen des Stadions von Turbine Potsdam
Turbine Potsdam gegen Bayern München muss kurzfristig abgesagt werden. Grund: Unbespielbarkeit des PlatzesBild: Matthias Koch/IMAGO

Eigentlich wollte Turbine Potsdam den Neustart in der Fußball-Bundesliga mit einem beherzten Auftritt gegen den hoch favorisierten FC Bayern München angehen - und die magere Ausbeute von nur einem einzigen Punkt aus den ersten zehn Spielen ein bisschen aufbessern.

Doch Turbine muss sich weiter gedulden, denn das Spiel fand gar nicht statt: Es wurde gut eine Stunde vor dem Anpfiff abgesagt, weil der Rasen gefroren war. Das schließlich wirft die Frage auf, welche Fortschritte die Frauen-Bundesliga in den letzten Jahren eigentlich gemacht hat. Während in Deutschland für die ersten drei Spielklassen des Männerfußballs eine Rasenheizung vorgeschrieben ist, ist dies für die Bundesliga der Frauen - deren höchste Liga - nicht der Fall. 

Dennoch spielen die meisten der zwölf Bundesligamannschaften auf Plätzen mit Rasenheizung. Für einen finanzschwachen Verein wie Turbine Potsdam, einen von nur zwei reinen Frauenvereinen in der Liga, der nicht auf die Ressourcen einer Männermannschaft zurückgreifen kann, ist dies derzeit allerdings ein undenkbarer Luxus.

Schiedsrichter entscheiden über Bespielbarkeit des Rasens

Trotz der Bemühungen, die Liga und ihre Strukturen zu professionalisieren, ist die Realität im deutschen Frauenfußball noch weit entfernt von derjenigen in den unteren Spielklassen der Männer. In der Praxis heißt das, dass gelegentliche Spielabsagen unvermeidlich sind. Gemäß den Bestimmungen des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) haben die Schiedsrichter das letzte Wort bei der Absage eines Spiels, wenn sie der Meinung sind, dass die Sicherheit der Spielerinnen gefährdet sein könnte - so, wie es in Potsdam der Fall war. 

Blick auf die Tribüne des Stadions, wo sich einige Fans schon versammelt hatten.
Viele Zuschauer sind zum Zeitpunkt der Absage schon vor Ort, müssen aber wieder den Heimweg antretenBild: Matthias Koch/IMAGO

Die Entscheidung, nicht auf einem steinharten Rasen zu spielen, war richtig. Dass diese Entscheidung erst eine knappe Stunde vor dem Anpfiff getroffen wurde, war weniger verständlich. Während die Herrenmannschaft von Babelsberg 03 am Nachmittag zuvor ohne Zwischenfälle im selben Stadion gespielt hatte, war der Platz über Nacht gefroren. Am Morgen des Spiels von Turbine hätte die Liga also genügend Zeit gehabt, eine Entscheidung über die Bespielbarkeit des Rasens zu fällen. Stattdessen führte ein Mangel an Transparenz und Dringlichkeit unnötig zu einer Absage des Spiels in letzter Minute.

Fans nehmen Absage mit Galgenhumor

Viele Fans, die in das Potsdamer Karl-Liebknecht-Stadion geströmt waren, schienen von der Entscheidung jedoch nicht allzu sehr enttäuscht zu sein. Man beschloss, dass ein Besuch im Stadion auch ohne Fußball den Verzehr eines Glühweins oder einer Bratwurst rechtfertigt.

"So etwas kann passieren", war vielfach von den Turbine-Fans zu hören, für die das abgesagte Spiel nur ein weiterer Punkt in einer langen Liste war, die in dieser Saison schief gelaufen sind. Ein Fan, der mit seiner Familie die rund 100 Kilometer lange Anreise aus Cottbus auf sich genommen hatte, witzelte gegenüber der DW: "Wenigstens hat Potsdam heute nicht verloren!"

Turbine-Assistenztrainer Dirk Heinrichs, der den Verein auf der Suche nach einem neuen Cheftrainer betreut, nahm die Verschiebung ähnlich gelassen hin. "In Potsdam ist es um diese Jahreszeit immer eine Herausforderung, Spiele im Karl-Liebknecht-Stadion auszutragen. Aber damit müssen wir leben. Wir bereiten uns schon auf das nächste Spiel am Freitag vor und hoffen auf gutes Wetter", sagte er der DW.

Gegner Bayern München war weit weniger amüsiert. "Das Spiel war sehr wichtig für uns, um den Druck [auf Wolfsburg] aufrechtzuerhalten. Es ist extrem frustrierend und wirklich bitter", sagte die Sportliche Leiterin des Vereins, Bianca Rech, nach der Entscheidung gegenüber dem Sender "Magenta Sport".

"Wir waren in Gesprächen mit dem Deutschen Fußball-Verband, weil wir wussten, dass das ein Thema sein könnte. Wir haben sogar gefragt, ob wir die Heimspiele tauschen können. Aber es kam nichts dabei heraus. Das hätte viel besser laufen können", so Rech weiter, gerade in einer Zeit, "in der wir darüber reden, die Liga professioneller machen zu wollen."

Aufschrei in England, Gleichgültigkeit in Deutschland

Tatsächlich wird der DFB Anfang Februar einen Bericht über die Fortschritte der Frauen-Bundesliga im vergangenen Jahr veröffentlichen. Es ist unklar, ob der Bericht das anhaltende infrastrukturelle Defizit im Frauenfußball, die wachsende finanzielle Kluft oder die Unfähigkeit der Liga, Entscheidungen rechtzeitig zu treffen und allen Beteiligten mitzuteilen, aufzeigen wird.

Weder die Liga noch der Fußballverband haben sich zu der späten Absage des Spiels geäußert. Abgesehen von der Frustration der Bayern-Spielerinnen und -Mitarbeiterinnen - und natürlich der Fans, die die Reise auf sich genommen hatten - war die häufigste Reaktion achselzuckende Resignation. Als im Januar bei ähnlichem Wetter in England ein Spiel der Women's Super League (WSL) zwischen Chelsea und Liverpool nach sechs Spielminuten abgebrochen wurde, gab es dagegen einen großen Aufschrei.

Chelseas Trainerin Emma Hayes sagte anschließend zu Sky Sports: "Die WSL ist das gleiche Niveau wie die Premier League - nur weil wir Frauen sind, heißt das nicht, dass uns nicht der gleiche Zugang gewährt werden sollte."

Wolfsburgs Starstürmerin Ewa Pajor sagte kürzlich der DW, sie halte die Bundesliga für die "beste Liga der Welt". Damit sich diese Meinung durchsetzt, muss die Liga allerdings nicht nur ihre Infrastruktur verbessern, sondern auch sich selbst, ihre Vereine und ihre Fans ernster nehmen.

Der Text wurde aus dem Englischen adaptiert.