Der erste Fußballklub, der Frauen und Männer gleich bezahlt
10. Mai 2019Spaziert man durch die malerische südostenglische Stadt Lewes, so findet man in den Schaufenstern von Geschäften und Häusern bald ein Plakat, mit dem für das nächste Spiel des lokalen Fußballvereins geworben wird. Bei der Figur vorne in der Mitte handelt es sich weder um eine Spielerin oder Trainerin, sondern um Emmeline Pankhurst, eine Frauenrechtlerin, die sich im frühen 20. Jahrhundert dafür einsetzte, dass auch Frauen in Großbritannien wählen durften. Das Plakat wirbt für das Auswärtsspiel des Lewes FC. am 11. Mai bei Manchester United. Es ist Teil einer Kampagne, mit der bemerkenswerte Frauen aus den Städten der jeweiligen Gegner in der "FA Women's Championship", der zweiten englischen Frauenfußball-Liga, gefeiert werden sollen.
Das ist mehr als nur eine Geste: Lewes, eine Kleinstadt mit gerade mal 17.000 Einwohnern rund zehn Kilometer außerhalb der südenglischen Küstenstadt Brighton gelegen, beherbergt den ersten und bisher einzigen professionellen oder semiprofessionellen Fußballverein, der sich öffentlich dazu verpflichtet hat, seine männlichen und weiblichen Spieler gleich zu bezahlen. "Equality FC" nennt der Klub sein Projekt.
Budget des Frauenteams aufgestockt
Vor Beginn der Saison 2017/18, als die Frauenmannschaft des Lewes FC in der dritten und das Männerteam in der achten Spielklasse spielten, gab der Verein bekannt, dass "beide Mannschaften das gleiche Budget haben werden, ohne jede Diskriminierung". Lewes' Männermannschaft spielt inzwischen in der siebten Liga des englischen Fußballs. Die Spieler des Vereins sind Teilzeit-Fußballer und verdienen etwa zwischen 150 und 200 britische Pfund (ca. 175 bis 235 Euro). Um Parität zu erreichen, stockte der Verein, der sich im Gemeindebesitz befindet, das Budget der Frauenmannschaft auf, anstatt den männlichen Spielern die Gehälter zu kürzen.
Für Stürmerin Jess King, die vorher in Norwegen, Deutschland, der Schweiz und bei anderen englischen Klubs spielte, ist entscheidend, dass hier Nägel mit Köpfen gemacht wurden: "Ich finde es gut, dass der Verein die Gleichberechtigung auch wirklich vorantreibt. An den meisten Orten, an denen ich früher war, hieß es: 'Wir machen dies und das für die Frauen'. Aber den Worten, dass Frauen gleichberechtigt seien, folgten keine Taten. Es fehlte jener Respekt, den ich hier wirklich spüre."
Seit dem Start der Gleichstellungskampagne sind die Zuschauerzahlen in dem 134 Jahre alten Stadion, das von den Kreidefelsen der "South Downs" überragt wird, bei Frauenspielen um das Fünffache gestiegen. Sie liegen nun auf einem ähnlichen Niveau wie die des Männerteams, dessen Spiele im Schnitt gut 600 Zuschauer sehen wollen.
Trainer mit großem Namen
Für 30 Pfund (35 Euro) kann man Mitglied beim Lewes FC werden und über die Zukunft des Vereins mitbestimmen. Das Gefühl, dass hier alles möglich ist, herrscht auf dem Vereinsgelände, besonders auf Frauenseite - nicht zuletzt, seit es gelungen ist, Fran Alonso als Trainer des Frauenteams zu gewinnen. Der Spanier hat jahrelang in der Premier League gearbeitet: in Everton unter Mauricio Pochettino, dem aktuellen Trainer des Champions-League-Halbfinalisten Tottenham Hotspur und in Southhampton unter Ronald Koeman, dem heutigen Nationaltrainer der Niederlande. Irgendwann hatte Alonso Koeman gefragt, ob er nicht die Frauenmannschaft von Southhampton trainieren könne. Dass ein so kleiner Verein wie der Lewes FC einen so erfahrenen, qualifizierten und auch hoch motivierten Coach unter Vertrag nehmen konnte, war ein echter Coup.
"Dass ich in der vierten oder fünften Liga der Männer 20-mal mehr hätte verdienen können als in der zweiten Frauenliga, spielte für mich keine Rolle", sagt Alonso. Wichtig sei ihm das Projekt und dessen Botschaft gewesen. "Je besser wir auf dem Platz sind, desto mehr Leute fragen: 'Wie haben sie das gemacht? Wie schaffen sie das, obwohl sie Frauen wie Männer bezahlen? Das ist doch eigentlich unmöglich. Frauen sorgen doch nicht für die gleichen Umsätze.' Wir werden Grenzen überschreiten, wir werden den Status quo in Frage stellen und dann werden die Menschen anfangen, daran zu glauben."
Großes wirtschaftliches Potential
Karen Dobres leitet die Gleichstellungskampagne und unterstreicht die Rolle des Vereins als Vorreiter für mehr Gleichberechtigung sowohl auf dem Platz als auch außerhalb: "Andere Vereine werden nicht in der Lage sein, ihre Frauen genauso zu bezahlen wie ihre Männer. Nehmen wir zum Beispiel Manchester United - die zahlen ihren Männern so hohe Gehälter. Aber sie sollten es sich wenigstens vornehmen." Wenn die Verantwortlichen bei jeder ihrer Entscheidungen die Absicht im Kopf hätten, nähere man sich auch dem Ziel, etwas für den Frauenfußball zu tun. "Weil es dort so viel Potenzial gibt. Es ist eine moralische, aber auch eine wirtschaftliche Entscheidung. Der Männerfußball ist ein gesättigter Markt, der Frauenfußball dagegen ein neues, noch nicht ausgeschöpftes Produkt."
Noch ein weiter Weg
Sowohl Angreiferin Jess King als auch Managerin Karen Dobres berichten von Erfahrungen von unterschwelligem Sexismus. Im Ausland habe sie nicht einmal die Fußballschuhe kaufen können, die ihre männlichen Kollegen kostenlos erhalten hätten, erzählt Kind: "Ich dachte: 'Du willst mich davon abhalten, deine Schuhe zu kaufen?' Also warf ich die Schuhe einfach auf den Boden und ging. Ich war stinksauer." Nach ihrer Erfahrung seien die männlichen Spieler eher aufgeschlossen, die Vorurteile würden in den Klubspitzen gepflegt. Gegenwind für die Gleichstellungskampagne des Lewes FC sei eher von anonymen Verfassern in den sozialen Netzwerken gekommen, als von echten Fans, Spielern oder Verantwortlichen der Vereine, sagt Dobres.
Fast zwei Jahre nach dem Start der Initiative scheint der Lewes FC noch immer der einzige Klub zu sein, der Männer und Frauen gleich bezahlt. "Wir wollen niemanden dafür niedermachen, es nicht zu tun", so Dobres. "Aber wir wollen ihn beeinflussen und mit gutem Beispiel vorangehen. Wahrscheinlich denken viele andere Vereine, dass wir ein bisschen verrückt sind. Denn wer bezahlt schon Frauen dasselbe wie Männern? Aber sie werden nicht lange so denken, denn der Frauenfußball wächst massiv."