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Der DW-Kulturkalender für Juni

26. Mai 2011

Spannende Filmfeste, internationales Designertreffen, bunter Sommerkarneval und große Musikfestivals – Langeweile gibt's im Juni sicherlich nicht. Ein Ausblick auf den kulturellen Sommeranfang in Deutschland.

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Alles Design, oder was?

Internationales Designfestival Berlin 2010: Eye Candy, Yellow, Beta Tank, 2008
USB-Stick mal anders: "Eye Candy", ein Lollipop mit Interface, konzipiert von Beta TankBild: Beta Tank

Designermode, Designermöbel, Designerschmuck – viele verbinden mit dem Begriff "Design" vor allem eins: viel Geld. Doch Design ist mehr als ein Statussymbol, Design ist alles oder andersherum gesagt: Alles ist Design, denn alles ist irgendwie gestaltet, ist Resultat eines gedanklichen und materiellen Prozesses. Der Kugelschreiber, der Computer, der Kaffeebecher und der Schreibtisch, auf dem diese Dinge gerade stehen oder liegen. Design prägt unseren Alltag, beeinflusst ihn – das zu zeigen, darum geht es dem International Design Festival in Berlin. Rund 500 Designer aus über 30 Nationen stellen vom 1. bis 5. Juni auf dem Gelände des ehemaligen Berliner Flughafens Tempelhof ihre Produkte und Ideen aus. Doch es geht nicht nur ums Ausstellen und Präsentieren: Die Veranstalter wollen mit dem Festival eine internationale Plattform schaffen, die junge und erfahrene Designer aus aller Welt zusammenbringt, die den Austausch ermöglicht – im Rahmen von Workshops, Symposien, Vorträgen und Diskussionen. Schwerpunktthema ist in diesem Jahr das Kopieren. Dabei geht es nicht nur um generelle Fragen des Copyrights, sondern auch um kulturelle Aspekte. So hat das Kopieren in Ländern wie China oder Japan einen gänzlichen anderen Hintergrund als in westlichen Staaten und wird dementsprechend auch anders bewertet. Ein komplexes Thema, das die Auseinandersetzung lohnt.

Schlingensief und die Kunstbiennale in Venedig

Pressebild Christoph Schlingensief, Via Intolleranza II, Uraufführung Kunsten Festival des Arts Brüssel 15. Mai 2010 © Aino Laberenz
Letzter Auftritt: Christoph Schlingensief bei der Uraufführung von "Via Intolleranza II" im Mai 2010Bild: Aino Laberenz

Ein Jahr ist es her, da wurde der Künstler Christoph Schlingensief eingeladen, den Deutschen Pavillon auf der Kunstbiennale 2011 in Venedig (4. Juni bis 27. November) zu gestalten. Ein Projekt, das er sofort in Angriff nahm, aber nicht zu Ende führen konnte: Schlingensief starb im August 2010 an einer Krebserkrankung. Zunächst gab es Überlegungen, an den Plänen festzuhalten und den Pavillon im Sinne Schlingensiefs zu gestalten. Schon bald aber entschied die Kuratorin Susanne Gaensheimer zusammen mit Aino Laberenz, der Witwe der Künstlers, dass dies nicht durchführbar sei. Man könne nicht "zu Ende führen, was nicht zu Ende war" – zumal Schlingensief bekannt dafür war, seine Konzepte bis zuletzt immer wieder zu ändern und in Frage zu stellen. Trotzdem aber soll Schlingensief in Venedig eine Rolle spielen, und so wird aus der Ausstellung von ihm eine Ausstellung über ihn und seine Projekte. Keine leichte Aufgabe, denn der Deutsche Pavillon –ein von den Nationalsozialisten umgestalteter monumentaler Bau – verlangt nach Auseinandersetzung, erlaubt keine einfache Ausstellungspräsentation. Nicht umsonst erregte er immer wieder Anstoß: Erst im letzten Jahr schlug die Bundesarchitektenkammer den Abriss und Neubau vor und entfachte damit eine heftige Diskussion in Deutschland über den Umgang mit Geschichte. Schlingensief bezeichnete den Vorschlag damals in seinem Blog als "billigen Schluss", als "Architekturschwachsinn", der zeige, dass man offensichtlich "lieber alles planieren" wolle anstatt weiterzudenken.

Karneval der Kulturen in Berlin

Impression vom Karneval der Kulturen am 5. Juli 2010 (Foto: Daniela Incoronato)
Fantasievoller Umzug: Impression vom Karneval der Kulturen 2010Bild: Daniela Incoronato

Mit dem rheinischen Karneval im Winter haben die meisten Berliner nicht viel am Hut, um so größer aber ist der Andrang im Sommer, wenn es wieder Zeit ist für den "Karneval der Kulturen" in der deutschen Hauptstadt. Es handelt sich um ein vier Tage dauerndes Straßenfest (10.-13.6.), zu dem im letzten Jahr mehr als 1,3 Millionen Besucher kamen. Einer der Höhepunkte ist der große Straßenumzug am Pfingstsonntag, an dem an die hundert Gruppen teilnehmen, darunter verschiedene Tanz- und Musikgruppen, aber auch Schulklassen oder andere Vereinigungen. Mitmachen kann prinzipiell jeder, der ein Thema mitbringt. Manche präsentieren Folklore-Traditionen, andere thematisieren Umweltfragen oder beschäftigen sich mit gesellschaftlichen Themen. Nicht zugelassen sind hingegen politische Parteien oder religiöse Gruppen. Seinen Anfang genommen hat das Ganze Mitte der 1990er Jahre. Damals waren die Kulturen der Migranten und anderer Minderheiten sehr viel weniger präsent als heute. Dies zu ändern und die kulturelle Vielfalt Berlins öffentlich abzubilden, war einer der Hauptbeweggründe der Veranstalter. Vorbild war unter anderem der Notting Hill Carnival in London, der allerdings eher karibisch geprägt ist.

Aufregung um die Art Basel

Der Leipziger Maler Neo Rauch steht in Leipzig vor seinem Bild 'Vorführung' (Foto: dpa)
Fehlt in Basel: Neo Rauch vor seinem Werk "Vorführung"Bild: picture alliance/dpa

Überall auf der Welt muss man sich bewerben – für Jobs, für Stipendien und auch für Kunstmessen. Mehr als 1000 Galerien schicken jedes Jahr ihre Bewerbung an das Auswahlkomitee der Art Basel, rund 300 von ihnen dürfen letzten Endes ihre Werke auf der Messe ausstellen. Für die Galeristen einer der wichtigsten Termine des Jahres: Auf der Art Basel (15.-19.6.) trifft sich die internationale Kunstszene, hier werden die großen Geschäfte gemacht. Für Überraschung und Aufregung im Vorfeld sorgte die Absage an die Galerie Eigen + Art aus Berlin und Leipzig. Ihr Gründer und Chef, Gerd Harry Lybke, ist einer der renommiertesten Galeristen Deutschlands, der international gefragte Künstler wie Neo Rauch, Olaf Nicolai oder Jörg Herold vertritt. Die Gründe für die Absage nannte die Jury nicht, umso mehr wird spekuliert – und kritisiert. Neo Rauch und seine Kollegen erklärten sogleich ihre Solidarität mit dem Galeristen. "Unsere Künstler sagen: Wenn wir von unserer Galerie nicht vertreten werden dürfen, werden wir auch keine einzige andere aktuelle Arbeit nach Basel geben", so Gerd Harry Lybke in einem Interview. Seit 1991 war er bei jeder Art Basel dabei. Im letzten Jahr zog die Messe mehr als 60.000 Besucher an.

Jede Menge Musikfestivals

Rock am Ring 2011: Kids in glass houses (Foto: www.rock-am-ring.com)
Alternative Rock bei "Rock am Ring": Kids in Glass Houses aus WalesBild: Rock am Ring

Schlafsack, Isomatte, Zelt und Grill – und im Idealfall noch eine Kühlbox. Diese Dinge gehören zur Grundausrüstung eines jeden Musikfestivalfans. Und die kommen im Juni voll auf ihre Kosten. Als erstes steht "Rock am Ring" auf dem Programm (3.-5.6.), ein riesiges Open-Air-Festival an der Rennstrecke Nürburgring in der Eifel, zu dem im letzten Jahr mehr als 85.000 Besucher anreisten. Diese campen auf den umliegenden Äckern – was bei Regen bisweilen eine ziemlich schlammige Angelegenheit ist. Wem das noch nicht genug ist: Noch mehr Rock und laute Musik gibt’s vom 17.-19. Juni bei den Festivals "Southside" in der Nähe von München und "Hurricane" in Norddeutschland. Die beiden sind sogenannte "Schwesterfestivals", denn sie haben genau das gleiche Programm, nur in anderer Reihenfolge. Sprich: Die rund 80 Bands, die auftreten, reisen zwischendrin von Nord nach Süd und umgekehrt. Eher jazzig geht's vom 10.-12.6. beim Moers Festival am Niederrhein zu. Zum 40. Mal treffen sich hier die Jazzfans, allerdings nur noch an drei Tagen statt an vieren, nach der Finanzkrise muss gespart werden. Nicht jedoch an der Musik: Mit dabei ist unter anderem Jazzlegende Abdullah Ibrahim aus Südafrika. Musik aus Afrika gibt es ansonsten auch Anfang des Monats beim Africa Festival in Würzburg (2.-5.6.), nach Angaben der Veranstalter das größte Fest für afrikanische Musik und Kultur in Europa.

Sommerkino in München und Ludwigshafen

Still aus dem Film Das jüngste Gewitter von Roy Andersson (Foto: Neue Visionen Filmverleih)
Skurriler Humor: "Das jüngste Gewitter" von Roy AnderssonBild: Neue Visionen Filmverleih

Am 25. Juni wird in Schweden das Mittsommer-Fest gefeiert. Das werden einige der Regisseure, Schauspieler und Produzenten des Landes wohl noch feiern, bevor sie dann zum Internationalen Filmfest nach München fliegen, um dort ihre neuen Filme zu präsentieren. Schweden ist in diesem Jahr Schwerpunktland des Festivals (24.6.-2.7.), das nach der Berlinale das zweitgrößte in Deutschland ist. Mit dabei ist auch der schwedische Regisseur Roy Andersson, für Festivalchef Andreas Ströhl "einer der außergewöhnlichsten und eigenwilligsten Regisseure Europas mit einem ganz besonderen, skurrilen Humor". Roy Andersson ist die Retrospektive gewidmet, in deren Rahmen nicht nur seine Spielfilme, sondern auch seine Kurzfilme und eine Auswahl seiner – mitunter sehr lustigen – Werbespots gezeigt werden. Insgesamt haben rund 200 Filme aus aller Welt beim Festival in München ihre Deutschlandpremiere. Einen zentralen Wettbewerb wie auf der Berlinale gibt es nicht, Preise allerdings schon. Darunter auch den "Förderpreis Deutscher Film", eine Auszeichnung für Nachwuchsfilmemacher in den Kategorien Regie, Produktion, Drehbuch und Schauspiel, die mit insgesamt 60.000 Euro dotiert ist. Gezielt um den deutschen Film geht es kurz vorher beim Festival des Deutschen Films in Ludwigshafen (16.-26.6.) Ein Ort mit einer besonderen Atmosphäre: Als Kinosaal dienen Zelte, die auf einer Insel im Rhein stehen, Gespräche im Anschluss finden im Liegestuhl am Rheinufer statt – ein richtiges Sommerfestival eben.

Und noch einmal ein Sommermärchen?

Deutsche Spielerinnen jubeln bei der Frauenfußball-EM 2009 in Finnland (Foto: AP)
Mission Titelverteidigung: So wollen wir die Fußballfrauen jubeln sehen ...Bild: AP

Das Jahr 2006 ist in Deutschland in die Geschichte eingegangen. Die Fußball-Weltmeisterschaft lockte Besucher aus aller Welt ins Land. Das Wetter war großartig, die deutsche Mannschaft erfolgreich und fortan war nur noch vom "deutschen Sommermärchen" die Rede. Bald schon ist es nun wieder soweit: wieder eine Weltmeisterschaft, wieder Fußball – diesmal aber spielen die Frauen (26. Juni bis 17 Juli). Prinzipiell locken die zwar noch immer weniger Menschen vor den Bildschirm als die Männer, doch vielleicht ändert sich das ja, wenn die Weltmeisterschaft im eigenen Land stattfindet. Steffi Jones, die Präsidentin des Organisationskomitees, träumt jedenfalls von ausverkauften Stadien und Public Viewing wird es natürlich auch geben. Und eines darf man nicht vergessen: Die deutschen Fußballfrauen gehören zu den erfolgreichsten weltweit, die letzten beiden Weltmeisterschaften entschieden sie für sich, sie sind also auch dieses Mal wieder Titelverteidigerinnen. Die Spielerinnen selbst erhoffen sich zudem von dem Auftritt im eigenen Land einen entscheidenden Auftrieb für die längst überfällige Anerkennung des Frauenfußballs. Denn anders als die Männer können viele der Profi-Fußballerinnen noch immer nicht von ihrem Sport leben. Wie unterschiedlich die Dimensionen sind, kann man derzeit in einer Ausstellung in Frankfurt sehen: Sie präsentiert die Geschichte des Frauenfußballs und zeigt unter anderem die Siegesprämie für die Nationalspielerinnen, als sie 1989 Europameisterinnen wurden: Sie bekamen ein Kaffeeservice!

Autorin: Petra Lambeck
Redaktion: Jochen Kürten