Der Dow Jones ergraut
4. Mai 2009Indizes, die die Entwicklung der Aktienmärkte widerspiegeln, gibt es viele. Einer der ältesten und einer der international am meisten beachteten ist aber der Dow Jones Index. Die Gründer des Wall Street Journals schufen ihn vor über 112 Jahren, um die Entwicklung des US-amerikanischen Aktienmarktes zu messen. Inzwischen sind 30 US-Unternehmen in dem Index gelistet.
Heute ist das Dow Jones Unternehmen ein US-amerikanisches Verlagshaus und seit 2007 eine Tochtergesellschaft der News Corporation von Medienmogul Rupert Murdoch, die auch das „Wall Street Journal“ herausbringt. Die jüngsten Entwicklungen, nämlich die letzten 30 Jahre des Indexes, wurden von John Prestbo mitgestaltet. Er ist heute die graue Eminenz im Dow Jones Unternehmen. Angefangen hat Prestbo als Wirtschafts-Reporter beim Wall Street Journal. Inzwischen leitet er als Direktor das Dow Jones Unternehmen.
Sonderkonditionen für Unternehmen im Dow Jones
Es ist nicht die erste Krise des "Mister Dow" – so wird Prestbo unter Kollegen wegen seiner jahrelangen Erfahrung im Dow Jones Unternehmen genannt. Trotz der größten Wirtschaftskrise seit dem zweiten Weltkrieg strahlt er noch innere Gelassenheit aus. Seine Ruhe verliert er auch nicht davon, dass einige Aktien, die im Dow Jones gelistet sind, zeitweise unter einem Dollar gehandelt wurden. „Unter normalen Umständen hätten wir die Unternehmen, aus dem Dow Jones Index genommen. Aber das sind keine normalen Umstände und wir spüren, dass diese Firmen immer noch repräsentativ für die hiesige Industrie sind, von daher sind uns diese Unternehmen sehr wichtig“ erklärt Prestbo.
Gemeint ist beispielsweise General Motors. Dem einst weltweit größten Auto-Konzern droht die Insolvenz. Auch die Citigroup kämpft ums Überleben. Die Citigroup war die weltgrößte Bank. Und sie war die erste Bank im Dow Jones seit knapp 40 Jahren, deren Kurs vorübergehend unter die „Ein-Dollar-Marke“ gefallen ist. Gemeint ist auch die Bank of America.
Terrence Martell, Professor für Ökonomie am Baruch College in New York, sieht – anders als Prestbo - solche Firmen in der Kategorie der erstklassigen Anlagen deplaziert. „Natürlich sollte man in Betracht ziehen, diese Firmen zu ersetzen. Vielleicht sollte man General Motors rausnehmen und dafür Ford in den Dow Jones Index aufnehmen. Man kann auch die Citigroup durch Wells Fargo ersetzen, um diese Industriesparte weiterhin zu repräsentieren. Vielleicht folgt dann die Erkenntnis, dass man die Aktien der extrem angeschlagenen Unternehmen nicht weiter in der Kategorie der erstklassigen Wertpapiere handeln sollte.“
Keine festen Regeln für den Dow Jones Index
Welche Firmen aus dem Index fliegen, bestimmt ein Gremium des Dow Jones Unternehmens, in dem auch John Prestbo sitzt. So ist er einer derjenigen, der darüber entschieden hat, was nach der Verstaatlichung von AIG mit dem Versicherer geschieht. AIG wurde im September 2008 aus dem Dow Jones Index heraus genommen. „Es gibt keine festen Regeln, wenn wir darüber entscheiden, ob Unternehmen im Dow Jones Index ersetzt werden. Dieser Index repräsentiert eine subjektive Sicht auf die US-Wirtschaft. Endgültige Entscheidungen trifft der Chefredakteur des Wall Street Journal.“
Während der großen Depression in den 30-er Jahren wurden 15 Unternehmen im Dow Jones Index ausgewechselt. Heute zögern die Verantwortlichen, um Firmen nicht noch tiefer in die Krise zu treiben. Sollte die Citigoup beispielsweise aus dem Dow Jones Index herausgenommen werden, könnte das zu einem derartigen Imageverlust führen, der die Bank ruiniert. Daher halten sich John Prestbo und seine Kollegen mit Auswechselungen von Unternehmen im Index zurück.
Autor: Carmen Dautzenberg
Redaktion: Insa Wrede