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Der DJ und die Fotografin: Techno trifft Kunst

Leonie von Hammerstein
1. Dezember 2017

Marcel Dettmann, Resident-DJ im Berliner Szeneclub Berghain. Friederike von Rauch, Fotografin. Techno trifft Kunst. Wir haben mit ihnen über Klangteppiche, Kreativität und Kohlrouladen gesprochen.

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Berlin -  Friederike von Rauch und Marcel Dettman
Bild: DW/L. Hansen

Marcel Dettmann: Der Techno-DJ mal anders

"Ich bin eigentlich ein Vollblutamateur", sagt Marcel Dettmann. Es geht um seine Musik. Er sitzt neben der Fotografin Friederike von Rauch in ihrem Atelier in Berlin-Schöneberg. Der Raum ist hell und klar geschnitten, an den Wänden hängen Rauchs Fotografien.

"Jetzt stapelt er aber tief, ne?" antwortet von Rauch und lacht. In der Tat, schließlich legt Dettmann hauptberuflich regelmäßig im legendären Berliner Berghain auf, dem Club, der seit 13 Jahren die weltweite Techno-Szene dominiert. Aber darum soll es diesmal nicht gehen, zu oft hat Dettmann, aufgewachsen in Fürstenwalde bei Berlin, schon von seinem Werdegang zu einem der bekanntesten Techno DJs weltweit erzählt. München, Florenz, Lissabon, das sind seine Termine für den Rest des Monats. Manchmal legt Dettmann sogar in zwei Clubs, zwei Städten, zwei Ländern an einem Tag auf.

Fotografien von Friederike von Rauch ausgestellt begleitend zur Paris Photo
Oft spielt die Fotografin mit Licht und SchattenBild: F. v. Rauch

Fern vom Techno-Trubel

Nein, die beiden wollen über ein Projekt reden, das außerhalb des Techno-Trubels entstanden ist. Auf seiner Platte "RAUCH" hat Dettmann in Zusammenarbeit mit den Berliner Producern Felix K, Sa Pa und Simon Hoffmann die neuesten Werke der Fotografin vertont. Die Fotos und der 42-minütige Klangteppich sind derzeit unter dem Titel "insgeheim" im Goethe-Institut in Paris zu sehen und zu hören, als Teil der Fachmesse "Paris Photo 2017". Am 1.12. erscheint der Soundtrack auch als Schallplatte. Es ist nicht die erste Zusammenarbeit zwischen der beiden, schon 2011 kam ein ähnliches Projekt zustande, es hieß "Ash".

Die beiden lernten sich vor etwa 10 Jahren durch einen gemeinsamen Freund kennen, Michael Teufele, er ist einer der zwei Berghain-Betreiber. Dettmann suchte nach einer Artwork für sein erstes Album, Teufele zeigte ihm von Rauchs Fotos. "Ich war sofort ein Fan", sagt Dettmann heute. Teufele schlägt das Projekt von Rauch vor, sagt aber über die Musik: "Das hörste eh nicht". Dann hört sie doch mal rein und ist begeistert. Vor allem die Konzentration, die Präzision, die in Dettmanns sehr reduzierten Beats zum Ausdruck kommt, die hat sie auch in ihren Bildern immer gesucht.

Tag für Tag zum Frühstück

Fotografien von Friederike von Rauch ausgestellt begleitend zur Paris Photo
"Es gibt tausend Sachen zu entdecken", sagt Marcel DettmannBild: F. v. Rauch

Die Stimmung zwischen der 1967 geborenen Fotografin und dem 10 Jahre jüngeren DJ ist gut, es wird viel gelacht, sie haben sich über die Jahre angefreundet. Beide sind stark geprägt vom Berlin nach der Wende. Dettmann erinnert sich noch gut an den ersten Ausflug in den Westen, es sei aufregend gewesen. "Nur die richtig urigen DDR-Kneipen findet man nicht mehr in Berlin, das ist schade", sagt er: "Eigentlich müsste man eine aufmachen und nur Kohlrouladen servieren."

Sie sind ein eher ungleiches Paar: die Fotografin mit den kurzen grauen Haaren und dem verschmitzten Lächeln, fast alle ihrer Antworten sind druckreif, und der große blonde Dettmann. Er ist offen und zugewandt, nicht ganz so forsch wie sie.

Seit sechs Jahren hängen drei Fotos von Friederike von Rauch in Dettmanns Wohnzimmer, jeden Morgen sitzt er beim Frühstück davor. "Es gibt tausend Sachen zu entdecken, aber du musst eben auch tausendmal drauf schauen, um zu entdecken, was eigentlich auf dem Foto ist", sagt Dettmann.

Übernachten im Kloster

Von Rauchs Fotos sind architektonische Ausschnitte, den Ort kann man jedoch oft nicht sofort zuordnen. Die Farben sind dunkel, aber intensiv, die Stimmung düster und ein wenig spirituell. Für das Projekt "insgeheim" reiste die Fotografin durch verschiedene Klöster der europäischen Nachkriegsmoderne – von Le Corbusiers La Tourette bei Lyon über die Roosenberg Abbey nahe Gent zur Klosterkirche Maria Regina Martyrum in Berlin.

Fotografien von Friederike von Rauch ausgestellt begleitend zur Paris Photo
Im Kloster La Tourette übernachtete die FotografinBild: F. v. Rauch

Nachdem sie in ihrer letzten Arbeit vor allem Museen fotografierte, und zwar außerhalb der Öffnungszeiten, bei Nacht, menschenleer, wollte die Fotografin diesmal in ihren "Foto-Objekten" übernachten. Ihre Ausschnitte, die seien gut überlegt, analog fotografiert und lange aufgenommen. Erst nach einer Weile wirke ein Raum wirklich auf sie, erst dann finde sie das Bild, nach dem sie sucht: "Der erste Eindruck, der Wow-Effekt, den ein Kloster wie La Tourette zum Beispiel durchaus hat, der interessiert mich überhaupt nicht".

Betont düster

Dettmanns Arbeitsweise ist ähnlich, auch er lässt sich Zeit mit dem "Sound Research", wie er es nennt. Fängt an zu experimentieren, die Stimmung der Fotos in Musik zu übersetzen. "Irgendwann hat man dann den richtigen Sound, dann macht es Klick". Am besten funktioniere das aber, wenn man sich wie ein Kind im Studio austobt, die Synthesizer benutzt, als wären sie Spielzeug. Dann könne man auf eine Kettenreaktion hoffen. "Unfälle machen mir am meisten Spaß", sagt er und lächelt breit.

"Marcel hat einen unglaublich emotionalen Zugang zu den Bildern", sagt von Rauch. "Wir ergänzen uns da gut". Das hört man auch in diesem Projekt: Dettmanns Musik nimmt die Stimmung der Fotos auf, sie beginnt mit düsteren, monotonen Klängen, vocals gibt es keine. Sie ist reduziert auf das Wesentliche, hat nicht "diesen overload", wie er es beschreibt.

Der kreative Flow, der süchtig macht

Das liegt beiden am Herzen, das merkt man in dem Gespräch schnell. Sie sind nicht daran interessiert, den neuesten Trends zu folgen, wollen etwas Zeitloses schaffen. "Ich bin kein Hitmaker", sagt Dettmann. Im Studio zu sein sei für ihn eine Befreiung, fast wie Meditation. Von Rauch stimmt ihm zu, manchmal erreiche auch sie eine Art kreativen Flow: "Das ist das Schönste". Und nicht nur das – "es macht süchtig!"

Die Ausstellung "insgeheim" ist bis zum 11.01.2018 im Goethe-Institut Paris zu sehen. "RAUCH" erscheint auf Vinyl am 1.12.2017 bei dem Label A-TON.