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Stollen aus dem Stollen

Karin Jäger13. Dezember 2008

Man nehme: Gewürze aus aller Welt, eine Idee aus dem Sauerland - und Zeit. Vier Wochen lagert das Weihnachtsgebäck im stillgelegten Schieferbergwerk. Sogar vier Monate reift der gaumenzarte Gourmetstollen "Grand Cru".

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Bäckermeister Wolfgang von der Heide lagert Christstollen ein im Schieferbergwerk "Grube Christine"Bild: DW / Karin Jäger

Laut quietscht die schwere Eisentür, die Wolfgang von der Heide öffnet. "Kopf einziehen" rät er den Besuchern. Der Bäcker selbst trägt keine Mütze, sondern einen Schutzhelm. Gebückt bewegt er sich durch den schmalen Gang der Schiefergrube Christine. Seit Juli ist er regelmäßig hier, um Christstollen einzulagern. An die Dunkelheit im Stollen muss auch er sich jedes Mal aufs Neue gewöhnen. Der Boden, die Wände sind grau. Fledermausgrau. Hier in der Schiefergrube Christine, am Ortsrand von Willingen, wurde über 100 Jahre lang Schiefer abgebaut. Ein Gestein, das vor 350 Millionen Jahren entstand.

Sämtliche Dächer des Ferienortes im Hochsauerland werden noch heute mit Schiefer gedeckt. Seit die Grube unrentabel wurde, weil die Dachdecker vermehrt Kunstschiefer verarbeiteten, können sich Besucher hier bei Führungen über das Traditionshandwerk informieren. Und dem Dorfgärtner diente das Bergwerk als winterliche Lagerstätte für Blumenzwiebeln. Die Pflanzen blühten im Frühjahr eher und länger. Nun stapeln sich hier Weihnachtsstollen. Eingelagert in Kisten. Abgedeckt mit Plastikplanen. Denn hin und wieder tropft Kondenzwasser von der Decke. Zuviel Feuchtigkeit aber würde dem Stollen schaden.

Von der Schnapsidee zum Geschäftserfolg

Weihnachtsstollen aus Willingen
Gourmetstollen - getestet und für sehr gut befundenBild: Karin Jäger

Auf der Suche nach Platz und optimalen Bedingungen ist Wolfgang von der Heide "unter Tage" fündig geworden. Bei einer konstanten Temperatur von acht Grad und einer gleichmäßig hohen Luftfeuchtigkeit von 80 Prozent entwickelt das Backwerk sein volles Aroma. Die Idee ist dem Geschäftsmann an der Wirtshaustheke gekommen. Vor zehn Jahren begann der Willinger sein Experiment. Inzwischen wurde der Christstollen aus dem Bergwerksstollen Christine mehrfach prämiert.

Leicht, nicht zu trocken und nicht zu süß, würzig - schwärmt eine Kundin in der Bäckerei von dem Produkt. Vor Weihnachten gönnt sie sich gerne den Luxus von 21 Euro für 1000 Gramm.

Aus der Willinger Grube in die Welt

Weihnachtsstollen
An guter Butter wird nicht gespart - Bäcker Hermann Schulze wiegt abBild: DW / Karin Jäger

Zu den Abnehmern zählen das Berliner Nobelkaufhaus KaDeWe und Feinkost-Käfer in München. Fast das ganze Jahr über verschickt die Bäckerei Stollen - auch ins benachbarte Ausland. Die Idee hat sich Wolfgang von der Heide nicht patentieren lassen, aber sein Rezept halten er und seine Bäcker geheim.

Nur hochwertige Zutaten gehören in den Teig: Feines Weizenmehl aus der Region, dazu australische Sultaninen, Wasser, Butter, türkische Mandeln, feines Zitronat aus Korsika, feines Orangeat aus Curacao, Frischhefe, Marzipan, Frischeier, Zucker, Jodsalz, Gewürze wie Bourbon-Vanille aus Mexiko, Kardamon aus Sri Lanka, Piment aus Jamaica, Gewürznelke aus Sansibar, Marcisblüte aus Neu-Guinea.

Man nehme: Mandeln, Marzipan, Masse und Maß

Weihnachtsstollen aus Willingen
echte Handarbeit - Bäcker Walter Pöttner knetet TeigBild: Karin Jäger

Die Backstube durchzieht ein Duft von Gebackenem und Rum. Jamaikarum. Bäcker Hermann Schulze streicht abgekühlte Stollen mit einer Rum-Zuckerlösung ein. Das macht die Kruste saftig. Danach wiegt er für eine neue Backmischung Gewürze bis aufs Gramm genau ab. Auf Genauigkeit legen die Backhandwerker größten Wert. Auch wird hier Hand in Hand gearbeitet. Sein Bäcker-Kollege Walter Pöttner formt inzwischen neuen Teig.

Weihnachtsstollen aus Willingen
Das Original - Christstollen aus dem HochsauerlandBild: Karin Jäger

Und misst Länge und Breite nochmals mit einem Zentimetermaß nach. Mit einem abgeschnittenen Besenstiel sticht er eine Kuhle in die Mitte. Dahinein rollt er das Marzipan. Eine symbolische Geste, erklärt er. Die Nuss-Mandelmasse soll das Christkind darstellen, das im Teig eingepackt, "geschützt" ist, erklärt der Bäcker. Zwölf einzelne Arbeitsgänge sind nötig, bis das Handwerksprodukt fertig ist.

Vor zehn Jahren haben die Bäcker 750 kg verarbeitet, heute 15 Tonnen. Und schon muss der Chef zum Bergwerkstollen, um Nachschub zum Verkauf zu holen. Im Schacht werden die Backwaren übrigens bewacht von Fledermäusen, erklärt Wolfgang von der Heide. Aber die mögen keinen Christstollen.