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Bayreuth und der Nationalsozialismus

Rachel Gessat23. Juli 2012

Der Skandal um Sänger Evgeny Nikitin macht deutlich: Bei den Bayreuther Festspielen reagiert man empfindlich auf jegliche Verbindung von Wagners Musik mit nationalsozialistischem Gedankengut. Aus gutem Grund.

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Hakenkreuzfahnen schmücken 1944 die Zufahrt zum Festspielhaus in Bayreuth Foto: dpa
Bild: picture-alliance/dpa

Der blonde Siegfried, die heldenhaften Frauen, die vielbeschworene Nibelungentreue - in vielen Wagner-Opern dreht sich alles um die heroischen Sagen aus der germanischen Frühzeit. Diese Mythologie passte perfekt zur Nazi-Propaganda von den blonden und starken Deutschen, die tapfer und kühn gegen den Rest der Welt kämpfen.

Komponist und Opernhaus wurden entsprechend vom NS-System vereinnahmt. "Hitler war ein enthusiastischer Wagner-Fan", sagt die österreichische Historikern Brigitte Hamann. "Der junge Hitler stand immer auf Stehparterre bei jeder Wagner-Vorstellung, die es überhaupt nur gab". Hamann hat 2002 ein Buch über "Hitlers Bayreuth" veröffentlicht. Im Interview mit der Deutschen Welle erläuterte sie damals die enge Verbindung zwischen Hitler und der Familie Wagner.

Gemälde von Siegfried und Brunhilde Foto: Public Domain
Siegfried und Brunhilde - zwei Figuren aus der NibelungensageBild: PD

Das Erbe des Antisemitismus

Zwar lebte Richard Wagner (1813 – 1883) lange, bevor die Nationalsozialisten an die Macht kamen. Doch wie die Nazis vertrat auch Wagner antisemitische Ansichten. In seiner Broschüre "Das Judenthum in der Musik", die er Mitte des 19. Jahrhunderts publizierte, sprach er "den Juden" jede wahre künstlerische Befähigung ab. Auch Worte wie "zersetzender Einfluss der Juden auf die deutsche Kultur" und "Erlösung durch (Selbst-) Vernichtung" finden sich in dem Pamphlet.

Portrait Richard Wagner Foto: AP
Der Komponist Richard WagnerBild: dapd

Schon in den 1920er Jahren, vor seinem Aufstieg zum Diktator, suchte Hitler den persönlichen Kontakt zu Wagners Sohn Siegfried und dessen Frau Winifred. "Sie haben ihn zu sich eingeladen und so kam doch eine sehr enge persönliche Beziehung zustande", berichtet Historikerin Hamann. Und die persönliche Freundschaft beruhte auch auf politischen Sympathien der Familie Wagner für den aufkommenden Nationalsozialismus: "Die deutsch-nationale Tradition kam ja schon von Richard Wagner her und als dann Hitler im Jahre 1923 nach Bayreuth kam und die Familie besucht hat, sind alle in die Partei eingetreten. Die waren ganz frühe Nazis", so Brigitte Hamann.

Diese Freundschaft hielt auch über den Tod von Siegfried Wagner im Jahre 1930 hinaus. Seine Witwe Winifred leitete fortan die Bayreuther Festspiele und hielt weiter engen Kontakt zur Nazi-Elite. Nach Hitlers Machtergreifung 1933 pilgerte die gesamte NS-Führung regelmäßig zu den jährlichen Aufführungen der Wagner-Opern in die oberfränkische Stadt. Hitler, der sich in jungen Jahren als Maler und Zeichner versucht hatte, nahm auch Einfluss auf Programm, Regie und Bühnenbild der Aufführungen.

Adolf Hitler mit Winifred und Wieland Wagner bei den Bayreuther Festspielen 1938 Foto: akg-images
Adolf Hitler 1938 mit Winifred und Wieland WagnerBild: picture-alliance/akg-images

Aus der Vergangenheit lernen

Nach dem Zweiten Weltkrieg hatte die Familie Wagner es schwer, sich von den braunen Schatten der Vergangenheit zu lösen. Winifred Wagner gab 1949 die Leitung der Festspiele an ihre Söhne Wieland und Wolfgang ab, die 1951 die erste Inszenierung der Nachkriegsfestspiele auf die Bühne brachten. Aber erst die Urenkelinnen Eva Wagner-Pasquier und ihre Halbschwester Katharina Wagner setzten sich mit der braunen Vergangenheit des Hauses offensiv auseinander. Die beiden leiten seit 2009 die Festspiele und haben aktuell eine Ausstellung auf das Gelände des "Grünen Hügels" in Bayreuth gebracht, die an die Ausgrenzung und Verfolgung jüdischer Sänger, Dirigenten und Regisseure erinnert.

So war es für die Festspielleitung unter Eva Wagner-Pasquier und Katharina Wagner schnell klar, dass sie auf den Vorwurf, ein russischer Sänger trage Nazi-Tattoos, reagieren mussten. Der fest gebuchte Bariton wurde für die aktuelle Saison wieder ausgeladen, er verzichtete auf sein Engagement.

Der Sänger Evgeny Nikitin Foto: Claudia Levetzow (dpa)
Rücktritt als "Fliegender Holländer": Evgeny NikitinBild: picture-alliance/dpa

"Die Entscheidung Evgeny Nikitins, die Partie des Holländers (...) zurückzugeben, steht im Einklang mit der konsequent ablehnenden Haltung der Festspielleitung gegenüber jeder Form nationalsozialistischen Gedankenguts", verlautete die Pressestelle der Bayreuther Festspiele.

"Es ist so viel an Last durch die Nazis in Bayreuth, heute auch noch, dass man als Chefin der Festspiele ja überhaupt nicht anders kann, als immer wieder zu betonen: wir distanzieren uns", sagt Historikerin Brigitte Hamann.