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Staudammbau verschärft Wassermangel im Irak

Kira Walker
8. Oktober 2020

Der Bau eines Staudamms in der Autonomen Region Kurdistan könnte Folgen für die biologische Vielfalt und die Wassersicherheit haben.

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Irak Marschland Hammar  Marsch Familie
Bild: Kira Walker

Jassim Al-Asadi hat in den letzten 30 Jahren miterlebt, wie sich seine Heimat im Südirak dramatisch verändert hat. Einst waren die mesopotamischen Sümpfe das größte Feuchtgebiet des Nahen Ostens. Das Gebiet aus sich schlängelnden Wasserwegen und dichtem Schilfrohr erstreckte sich über eine Fläche von mehr als 20.000 Quadratkilometer. Ein besonderes Paradies für Pflanzen und Tiere.

Anfang der 1990er Jahre schrumpften die Sümpfe auf gerade mal sieben Prozent ihrer Ursprungsfläche zusammen. Dahinter steckte Saddam Hussein. Er hatte das Gebiet trockengelegt, um schiitische Rebellen, die sich darin versteckten, zu vertreiben. Dass die Sümpfe nach 2003 teilweise wiederhergestellt wurden, gilt als Erfolg. Doch nun fürchtet Al-Asadi, Geschäftsführer der lokalen NGO Nature Iraq, wieder um ihre Zukunft.   

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Pläne für einen Staudammbau in der Autonomen Region Kurdistan im Nordirak bedrohen mehrere wichtige Zuflüsse des Tigris, die zusammen mit dem Euphrat die Sümpfe mit Wasser versorgen. 

"Die Wasserknappheit wird sich in der widerspiegeln, die den Sümpfen zufließen wird", erklärt Al-Asadi. Dies werde sich auf die Wasserqualität und die Artenvielfalt in den Sümpfen auswirken, die von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt wurden. Al-Asa Forderung ist, dass "das besondere Ökosystem für immer erhalten werden müsse".

Obwohl die im Norden des Landes gelegene Region Kurdistan einst über reichhaltige Wasserquellen verfügte, sind diese aufgrund von Dürren durch weniger Regen- und Schneefälle sowie Missmanagement, das zu unnötiger Wasserverschwendung führte, zunehmend gefährdet.  

Die Wassermenge der einst üppigen Ströme Tigris und Euphrat ist seit den 1980er Jahren um 30 Prozent zurückgegangen. Und die irakische Regierung prognostiziert eine weitere Verringerung um bis zu 50 Prozent bis zum Jahr 2030.  

Dukan-See, Region Kurdistan, Irak 
Dukan-See, ein Stausee am Kleinen Zab, der von der Dukan-Talsperre -einer der drei großen Talsperren in der Region Kurdistan- gebildet wirdBild: Kira Walker
Rawanduz River, Kurdistan, Irak 
Rawanduz River, ein Nebenfluss des Großen Zab, der in den Tigris mündet. Die Regionalregierung Kurdistans erwägt, dort Staudämme zu bauenBild: Kira Walker

Um diese Verluste auszugleichen und ihre eigenen Wasserressourcen zu sichern, hat die Regionalregierung Kurdistans seit 2014 den Bau von 245 Staudämmen über einen unbestimmten Zeitraum vorgeschlagen. Diese kämen zu den 17 bestehenden Dämmen hinzu und würden keinen Fluss im Gebiet ungestaut lassen. Dabei hatte die Region Kurdistan selbst unter Wasserknappheit gelitten, die durch Staudämme verursacht wurde.  

In den vergangenen Sommern haben iranische Staudämme und Wasserumleitungsprojekte dazu geführt, dass die Pegel der Flüsse Sirwan und Kleiner Zab - lebenswichtige Quellen für die Region Kurdistan und wichtige Nebenflüsse des Tigris - erheblich zurückgegangen sind. Das hat Auswirkungen auf die Trinkwasserversorgung, den Lebensunterhalt und die Stromerzeugung. 

"Staudämme sind wichtig für die Stromerzeugung in der Region und um Wasser für den Hausgebrauch, die Bewässerung, die Fischerei und den Tourismus sicherzustellen", sagt Akram Ahmed, Generaldirektor der Direktion für Staudämme und Wasserreservoirs der Region Kurdistan.  

Mittlerweile haben 35 Staudammprojekte Priorität. Davon befinden sich derzeit 14 im Bau, bestätigt Ahmed. Man suche nach Investoren, weil die von der Regionalregierung Kurdistans bereitgestellten Mittel unzureichend seien, fügt er hinzu.

Wassersicherheit, aber für wen?

Auch wenn die vorgeschlagenen neuen Staudämme die Wassersicherheit der Region Kurdistan sichern könnten, werden diese negativen Auswirkungen auf die Versorgung im Irak haben, sagt Save the Tigris, eine panmesopotamische Zivilkampagne. Da der Irak das letzte Land ist, das aus den beiden Flüssen schöpft, ist er durch den wachsenden Wasserbedarf der flussaufwärts gelegenen Nachbarn am anfälligsten.  

Bestehende Dämme an den Euphrat und Tigris Flüsse

Die Beziehungen zwischen Bagdad und Erbil, der Hauptstadt der autonomen Region, sind komplex und durch die anhaltenden politischen Auseinandersetzungen und die turbulente Geschichte des Landes brüchig. Die Verwaltung der Wasserressourcen wird durch die "Verfassung und die Aufteilung der Kompetenzen, die unterschiedlich ausgelegt werden", erschwert, erklärt ein Sprecher von Save the Tigris. 

Für Nabil Musa von Waterkeepers Iraq, einer in Kurdistan ansässigen Initiative, ist der Bau von Staudämmen in der Region Kurdistan als Reaktion auf stromaufwärts gelegene Staudämme das Problem: "Wir versuchen, die Fehler anderer Länder zu korrigieren, indem wir dieselben Fehler wiederholen".  

Ein kürzlich veröffentlichter Bericht von Save the Tigris besagt, dass in der Region Kurdistan wenig bzw. gar keine Debatte über die zerstörerischen Auswirkungen der geplanten Dämme auf den Irak stattgefunden hat. Der Bericht attestiert, dass Umweltverträglichkeitsprüfungen, obwohl sie nach kurdischem Recht für Staudammprojekte vorgeschrieben sind, oft vernachlässigt werden.

Tigris und Euphrat stellen beinahe die gesamten Wasservorräte Iraks. Wie die Region Kurdistan werden seine Wasserressourcen durch stromaufwärts gelegene Staudämme, den Klimawandel, Missmanagement sowie Abfälle in Landwirtschaft und Industrie belastet. Die Lage ist bedrohlich. In den letzten Jahren hat die Wasserknappheit landwirtschaftliche Lebensgrundlagen zerstört, Menschen vertrieben, Stammeskonflikte verschärft und zu einer Gesundheitskrise in Basra beigetragen. 

Brücke, Chibayish, Provinz Dhi Qar
Ein Schifffahrtsweg in Chibayish, einer Stadt am Euphrat in den Zentral-Sümpfen der Provinz Dhi QarBild: Kira Walker
Ausgetrocknete Wasserstraße, Basra, Irak
Eine Wasserstraße in der südlichsten irakischen Provinz Basra, die unter verringerter Strömung, akuter Verschmutzung und dem Eindringen von Meerwasser leidet Bild: Kira Walker

Das Problem wird durch die marode Infrastruktur und die begrenzten Kapazitäten der irakischen Regierung und Institutionen noch weiter verschärft.   

Salman Khairalla, Geschäftsführer der Umwelt-NGO Humat Dijlah, und Musa von Waterkeepers Irak sind über die Missachtung der sich verschärfenden Wasserproblematik durch die irakische und kurdische Regierung frustriert. 

"Niemand spricht über diese Dinge. Und als wir uns mal geäußert haben, hat uns niemand zugehört", sagt Khairalla.  

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Mehr Schaden als Nutzen  

Im gesamten Tigris-Euphrat-Gebiet gelten Staudämme als Zeichen des Fortschritts, die von Politikern und Wissenschaftlern gefördert werden.  

Dies steht im Gegensatz zu einem Trend in Westeuropa und Nordamerika, Staudämme aufgrund wissenschaftlicher Erkenntnisse abzubauen, die deren zerstörerische Folgen für die Ökosysteme belegen. 

Aktivisten argumentieren, dass Dämme ein hoher Preis für die Bevölkerung und das kulturelle Erbe sei und Überschwemmungen zu Vertreibung führen.  

Hinzu kommt der Schaden für die Umwelt. Flüsse beherbergen eine bedeutende biologische Vielfalt und spielen eine wichtige Rolle bei der Verbindung von Land- mit Küsten- und Meeresökosystemen. Dämme unterbrechen diesen Prozess, was sich negativ auf die Wasserqualität und den Nährstoffaustausch auswirkt.   

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Seit 1970 haben Süßwasser-Ökosysteme einschließlich der Flüsse nach dem Living Planet Report 2020 des WWF mehr Wildtiere verloren als jedes andere Ökosystem - nämlich 84 Prozent. 

Gescheiterte Zusammenarbeit

Die Anzahl der Staudämme in der Türkei, in Syrien, im Iran und im Irak macht einen grenzüberschreitenden Ansatz für das Tigris-Euphrat-Einzugsgebiet notwendig, erklärt ein Sprecher von Save the Tigris.   

Das gegensätzliche Verständnis von Eigentum und Rechten der Länder entlang der beiden Flüsse erschwert jedoch die Zusammenarbeit. Weder die Türkei noch der Iran seien bereit gewesen, ein Abkommen zu unterzeichnen, das die Wasseranteile des Irak und Syriens garantieren würde. Dies habe zu "einer zunehmenden Kultur einseitiger Wasserpolitik" geführt, sagt der Sprecher von Save the Tigris.  

Die Eindämmung der Wasserströme wurde in der Vergangenheit von den Anrainerstaaten als politisches Druckmittel eingesetzt. Um künftige Krisen zu verhindern, "sollten die Regionalregierung Kurdistans und Bagdad einen gemeinsamen Ausschuss einrichten, der den Informationsaustausch und die strategische Koordination über Dämme und Wasserressourcen ermöglicht", so der Sprecher von Save the Tigris.

Auch Alternativen zu Staudämmen sollten in Betracht gezogen werden, fügt der Sprecher hinzu, darunter andere erneuerbare Energiequellen, Regenwassernutzung, Wasseraufbereitungsanlagen oder moderne Bewässerungstechniken.  

Die Aktivisten betonen, dass dringend gehandelt werden müsse. 

"Hören sie uns zu? Der Irak wird wirklich leiden", warnt Musa.