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Der Attentäter sieht sich als Krieger

26. Juli 2011

Norwegen wird sich auf einen langen und komplizierten Prozess gegen Attentäter Breivik einstellen müssen. Die Justiz prüft eine Anklage wegen Verbrechens gegen die Menschlichkeit. Sein Anwalt hält ihn für verrückt.

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Zwei Frauen vor einem Blumenmeer (Foto: AP/dapd)
Die Trauer ebbt nicht abBild: dapd
Geir Lippestad, Anwalt des Attentäters (Foto:AP/dapd)
Gab Einblicke in die Geisteswelt seines Mandanten: Anwalt Geir LippestadBild: Scanpix Norway/Berit Roald/dapd

Der Verteidiger des norwegischen Attentäters Anders Behring Breivik hat am Dienstag (26.07.2011) versucht, Eindrücke über die Geisteswelt seines Mandanten wieder zu geben. Geir Lippestad sagte in Oslo, Breivik sehe sich selbst als Krieger und sei wahrscheinlich geisteskrank. "Er hasst alle westlichen Vorstellungen und demokratischen Werte", so der Anwalt. "Er denkt, dass das der Beginn eines Krieges ist, der 60 Jahre dauern wird." Er führe diesen Krieg und sei irgendwie stolz darauf, erläuterte Lippestad die Sicht Breiviks. "Er hat kein Mitgefühl mit den Opfern gezeigt". Vor dem Doppelanschlag in Oslo und auf der Insel Utöya mit mindestens 76 Toten am Freitag habe er zudem Drogen genommen, um sich "stark" zu machen.

Anklage wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit?

Sein Mandant habe eine tief gestörte Persönlichkeit. Diese Linie werde er vor Gericht verfolgen. Sollte Breivik dem nicht folgen, "muss er sich einen anderen Anwalt suchen". Der 32-Jährige hatte Lippestad selbst gewählt. Breivik könnte möglicherweise wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeklagt werden. "Eine Gruppe von Zivilisten systematisch zu töten erfüllt ein Kriterium dafür", sagte der Juraprofessor Staale Eskeland. Die Höchststrafe dafür sei 30 Jahre Haft. Das wäre mehr als die maximal 21 Jahre Haft, die Breivik auf der Basis des Anti-Terror-Gesetzes drohen. Allerdings kann die Haftdauer in beiden Fällen immer in Fünf-Jahres-Schritten verlängert werden. Chefermittler Christian Hatlo hat bereits erklärt, er schätze, dass Breivik den Rest seines Lebens hinter Gittern verbringen werde.

Angehörige vom Attentäter äußern sich

Ein Mädchen vor einer mit Blumen geschmückten Wand (Foto: AP/dapd)
Am Tag nach dem "Rosen-Marsch" liegen noch überall BlumenBild: dapd

Der Vater von Anders Breivik will nie wieder Kontakt zu seinem Sohn haben. "Ich verstehe noch immer nicht, wie jemand so etwas tun kann. Das ist kein normaler Mensch, der so etwas tut", sagte Jens Breivik, der im Ruhestand ist, dem norwegischen Fernsehsender TV2. Der Vater, der sein Gesicht im Fernsehen nicht zeigen wollte, sagte, er habe seit 1995 nicht mehr mit ihm gesprochen. Die Eltern hätten sich schon 1980 getrennt. Als Junge sei Breivik verschlossen, wenig sozial, aber auch nicht extrem gewesen.

Fassungslos ist auch die ehemalige Stiefmutter. Anders Behring Breivik "war ein ganz normaler Norweger, ein wohlerzogener Junge. Man kann das wirklich nicht verstehen", sagte Tove Oevermo der Nachrichtenagentur AP. Oevermo ließ sich von ihrem Ehemann scheiden, als Breivik ein Jugendlicher war. Sie habe jedoch auch nach der Trennung per E-Mail Kontakt zu ihm gehalten, sagte Oevermo. Eine besondere Weltanschauung sei ihr bei Breivik nicht aufgefallen. Er habe über Politik "wie jede normale Person gesprochen. Er hat niemals den Islam erwähnt oder den Hass, den er ihm entgegen gebracht haben muss", sagte Oevermo.

Polizei veröffentlich die ersten Namen der Toten

Norwegens Justizminister Knut Storberget (Foto: AP)
Trug sich ins Kondolenzbuch ein: Justizminister Storberget bei seinem Besuch in der PolizeizentraleBild: Scanpix Norway/AP

Bei einem Besuch in der Polizeizentrale in Oslo nahm Norwegens Justizminister Knut Storberget die Polizei gegen Kritik in Schutz. Nach Angaben der Nachrichtenagentur NTB sagte er, die Beamten hätten "ausgesprochen gut bei diesem außerordentlichen Einsatz" gehandelt. Anwalt Lippestad sagte, sein Mandat mache weiter keine Auskunft zu "zwei Zellen unserer Organisation" im Ausland: "Er weigert sich, etwas über diese anderen Zellen zu sagen." Breivik hatte erklärt, er sei Teil eines anti-islamischen Netzwerkes. Die Ermittler hegen allerdings Zweifel an dieser Darstellung.

Nach Angaben der Polizei werden an beiden Tatorten noch Menschen vermisst. Inzwischen haben die Behörden die Namen von vier der Anschlagsopfer veröffentlicht. Dabei handelte es sich um drei Menschen, die bei der Autobomben-Explosion im Osloer Regierungsviertel getötet wurden, sowie einen 23-Jährigen, der auf der Insel Utöya erschossen wurde. Die Liste auf der Homepage der Polizei soll jeden Tag um 18.00 Uhr um die Angaben derjenigen Opfer erweitert werden, die bereits identifiziert und deren Angehörige informiert wurden.

Autorin: Pia Gram (dpa, dapd, afp, rtr)
Redaktion: Reinhard Kleber