Den EU-Milliarden auf der Spur
7. Oktober 2005Jedes Jahr bezahlen die Mitgliedsstaaten Milliarden an die Europäische Union. Jedes Jahr fließt aber auch viel Geld zurück in die einzelnen Länder - zum Beispiel in Form von Agrarsubventionen oder als Unterstützung für Strukturwandel. Allein das Landwirtschaftsbudget macht jährlich über 45 Milliarden Euro aus. Nur: Nicht immer kommt das Geld dort an, wo es tatsächlich gebraucht wird. Immer wieder werden Fälle bekannt von Unternehmen oder Bauern die EU-Gelder nicht für das ausgegeben haben, für das sie eigentlich bezahlt worden sind. Wer entscheidet eigentlich über die Mittelvergabe und wer kontrolliert sie?
Subventionierter Arbeitsplatzabbau
Lutz Ribbe von der Umwelt-Stiftung Euronatur ist sauer. Er bemüht sich seit Jahren um EU-Fördergelder für kleine Landwirtschaftsbetriebe, die umweltverträglich produzieren. Nicht immer hat er dabei Erfolg. Stattdessen, sagt Ribbe, fördern Deutschland und Europa lieber Großbetriebe und Arbeitsplatzabbau. Er führt dabei die Groß-Molkerei Müller als Beispiel an: Die habe in Sachsen die größte Molkerei Europas aufgebaut und sich für die Schaffung von 142 Arbeitsplätze fördern lassen. "Aber Müller hat auch erklärt, dass das Unternehmen im Gegenzug zwei andere Standorte schließt und unterm Strich mehr Arbeitsplätze abbaut", sagt Ribbe. "70 Millionen für Arbeitsplatzabbau halten wir für falsch."
Ein Beispiele von vielen für fehlgeleitete Subventionen, meint Ribbe. Ein ähnliches Problem gibt es auch unter den EU-Staaten auf nationaler Ebene, sagt der CDU-Europa-Abgeordnete Markus Pieper. Er entscheidet im Regionalausschuss mit über die Verteilung der EU-Gelder: "Die Verlagerung von Unternehmen ist ein besonderes Problem, weil das bisher die europäischen Regeln durchaus zulassen. Das ist aus unserer Sicht ein Nullsummenspiel."
Die EU-Kommission räumt zwar ein, dass manchmal Geld nicht für den richtigen Zweck ausgegeben wird, der Sprecher des Landwirtschaftskommissars, Michael Mann, unterstreicht aber das ausgeklügelte Kontrollsystem der Behörde - zum Beispiel bei der Überprüfung von Bauern. Die werden sogar aus dem Weltraum kontrolliert. Satelliten zoomen auf ein Stück Land und kontrollieren, ob die Bauern ihre Felder auch tatsächlich bestellen. "Wir können also überprüfen, ob die vorgegebenen Umweltstandards eingehalten werden. Sonst kriegen sie kein Geld", sagt Mann.
Die Kommission und die Kontrollen
Die eigentliche Kontrolle liegt aber bei den Mitgliedsstaaten. Das bestätigt auch der Politikwissenschaftler Guillaume Durand, der beim Brüsseler Think Tank European Policy Center arbeitet. Nicht die Kommission verteilt das Geld aus Brüssel, die Mitgliedsstaaten beauftragen Behörden damit. "Da die EU-Kommission diese Gelder nicht verteilt, ist sie auch nicht dafür verantwortlich, wie das Geld verwendet wird. Die Kommission überprüft danach allerdings die Kontrollen, die die Mitgliedsstaaten durchgeführt haben", sagt Durand.
Diese Kontrollen auf nationalem und europäischem Niveau haben sogar einen ganz neuen Wirtschaftszweig geschaffen, sagt Ulrich Rössler vom Consulting-Unternehmen Schuman Associates. Es hat sich ein ganz neuer Markt etabliert von Firmen, die sich spezialisiert haben, auf die Überprüfung, die Evaluierung, das Monitoring von Projekten. "Das betrifft eben nicht nur, wie die Gelder konkret verwendet werden, sondern es geht darum, ob die Mittel, die von der Europäischen Kommission zur Verfügung gestellt wurden, auch die gesteckten politischen Ziele erreichen", sagt Rössler. "Da gibt es Firmen, die das erledigen. Und das führt natürlich auch zu mehr Transparenz."
Geld zurück!
Dank der zahlreichen Kontrollen auf mehreren Ebenen landet zwar noch immer europäisches Geld an Stellen, wo es eigentlich nicht hin gehört, aber die EU-Kommission fordert auch regelmäßig Geld von den Mitgliedsstaaten zurück. "Unsere letzte Überprüfung haben wir im Juli gemacht", sagt Pressesprecher Michael Mann. "Griechenland musste zum Beispiel 38 Millionen Euro zurück bezahlen, weil Prämien für Schafe und Ziegen falsch bezahlt worden sind. Ein anderes Beispiel war Frankreich. Da haben wir 17 Millionen zurück gefordert, weil einige Bauern doppelt Geld bekommen haben."