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Demo in Hamburg: Nie wieder das N-Wort!

Verena Greb
1. März 2020

In einem deutschen Parlament darf man unter bestimmten Umständen das Wort "Neger" benutzen, befand kürzlich ein Gericht. Nicht nur Schwarze finden das diskriminierend und demonstrierten daher in Hamburg.

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Deutschland Hamburg | Demonstration gegen das N-Wort | Protest gegen Rassismus
Bild: Imago Images/J. Große

Pünktlich zum Ende des in den USA, Kanada und auch in Deutschland gefeierten "Black History Month" am 29. Februar ging eine Gruppe um Charlotte Nzimiro in Hamburg auf die Straße. Ihre Demonstration knüpft an das Ziel einer im Dezember gestarteten Petition an, das Wort "Neger" (nachfolgend: N-Wort) zu verbieten. Auch Prominente wie der Moderator Yared Dibaba und die Tänzerin Nikeata Thompson unterstützten die Demonstranten, so die Veranstalter.

Egal, ob im Parlament, in einer Karnevalsrede oder im persönlichen Gespräch - die Verwendung des Begriffs sei für schwarze Menschen "immer abwertend", sagt die 26-jährige Aktivistin Nzimiro. "Schwarze Menschen verbinden mit dem Begriff viel Leid, Diskriminierung und Gewalt ihnen gegenüber, Ungleichheit und Entmenschlichung!", so die Hamburgerin. Und deshalb war sie wütend und entsetzt, als das Landesverfassungsgericht Mecklenburg-Vorpommern entschied, dass der Begriff nach heutigem Sprachgebrauch zwar in der Regel als abwertend verstanden werde - ob er aber tatsächlich so gemeint sei, könne nur aus dem Zusammenhang heraus beurteilt werden.

Es begann mit einer Rüge 

Zu der Entscheidung war es gekommen, weil der Fraktionsvorsitzende der rechtpopulistischen Partei AfD im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern, Nikolaus Kramer, bei einer Debatte mehrfach das N-Wort in den Mund nahm. Er wolle sich "nicht vorschreiben" lassen, "was hier Schimpfwort sei oder was nicht", hatte er argumentiert. Als Kramer für seinen Wortgebrauch eine Rüge kassierte, wehrte er sich vor Gericht – und bekam Recht.

"Ein Schlag ins Gesicht"

Charlotte Nzimiro
Will mit ihrer Petition einen "Diskurs" in Gang bringen: Charlotte NzimiroBild: Sara Arrebola

Für Charlotte Nzimiro ein Skandal. Sie habe im Zug per Ticker-Nachricht auf dem Handy vom Urteil erfahren und sofort einen "Schweißausbruch" bekommen, erzählt sie der DW. Im "Affekt" habe sie dann eine Petition gestartet, um etwas dagegen zu unternehmen. Fast 100.000 Menschen haben seit Mitte Dezember 2019 schon unterschrieben, und täglich werden es mehr. Darunter auch einige Prominente, etwa die Sängerin Joy Denalane, die Singer-Songwriter Max Herre und Olli Schulz oder die Moderatorinnen Barbara Becker und Aminata Belli. Letztere äußerte ihre Bestürzung über den Richterspruch mit den Worten: "Das ist für mich ein absoluter Schlag ins Gesicht. Und nicht nur für mich, sondern für alle schwarzen Menschen, die hier leben."

Alternativen zum N-Wort

Das N-Wort gehe auf die Kolonialzeit zurück, so Nzimiro. "Schwarze wurden unterdrückt und haben den Begriff 'Neger' zugeteilt bekommen. Sie wurden entmündigt, weil sie nicht selbst entscheiden durften, wie sie genannt werden möchten." Seit 1996 steht im Duden unter dem Begriff die Einordnung "abwertend". Vier Jahre später wurde daraus "diskriminierend".

In der Printversion des Duden ist dem N-Wort mittlerweile sogar ein Infokasten beigefügt. Darin werden alternative Begriffe wie "Afroamerikaner/in" und "Afrodeutsche/r" vorgeschlagen. Tahir Della von der "Initiative Schwarze Menschen in Deutschland" (ISD) begrüßt diese Erläuterungen, weil es sich - genau wie bei der weiteren Bezeichnung "People of Color" - um "Eigenbezeichnungen" handelt. Abzulehnen seien hingegen "Fremdbezeichnungen", womit er nicht nur das N-Wort meint: "Schwarzafrikaner/in, dunkelhäutig, farbig et cetera. Das sind Fremdbezeichnungen, die abheben auf Zuschreibungen - auf Kategorien, die letztendlich nichts mit den Personen zu tun haben und die auch nie ganz unpolitisch sind." 

Screenshot Duden.de | Diskriminierende Sprache
Auch online ist unter dem Begriff im Duden ein "Besonderer Hinweis" angebrachtBild: Duden.de

In der Buchbranche ist man für das Thema schon seit einigen Jahren sensibilisiert - 2009 gaben die Neuausgaben Astrid Lindgrens den Anstoß, diskriminierende Begriffe zu streichen. Pippi Langstrumpfs Vater ist fortan nicht mehr der "Negerkönig", sondern der "Südseekönig". 2013 tilgte dann der Thienemann Verlag nach erfolgreichen Absprachen mit dem damals hochbetagten Autor Otfried Preußler Begriffe wie das N-Wort auch aus dessen Kinderbuch-Klassikern. In der medialen Öffentlichkeit blieb das nicht ohne Kritik. "Zeit"-Journalist Ulrich Greiner empörte sich etwa darüber, wie man "in der menschenfreundlichen Absicht, auf die Gefühle von Minderheiten Rücksicht zu nehmen" zur "Zensur" greifen könne.

"Das fällt uns vor die Füße"

Tahir Della - von der "Inititiative Schwarze Menschen in Deutschland"
Spricht sich für die Einstufung des N-Worts als "beleidigend" aus: Tahir Della vom ISDBild: picture-alliance/dpa/L. Schwedes

In den USA ist die afroamerikanische Geschichtsschreibung mittlerweile sehr weit gediehen; eine afrodeutsche Bewegung steht hingegen, wenn überhaupt, erst in den Startlöchern. Tahir Della bemängelt, dass die meisten – anders als in den USA - viel zu wenig über Rassismus, seine Wirkung, seine Entstehungsgeschichte und seine Erscheinungsformen wüssten. "Und diese nicht stattgefundene Debatte", sagt er, "fällt uns jetzt aktuell auf die Füße, weil Leute rassistische Thesen und Ansichten und Konzepte reproduzieren können." 

Dass über die Diskussion um eine zulässige oder unzulässige Verwendung des N-Wortes hinaus rassistische Denkstrukturen ausschließlich am rechten politischen Rand verankert seien, halten weder der Sprecher des ISD, Tahir Della, noch Professor Karim Fereidooni, der an der Ruhr-Universität Bochum zu Rassismuskritik in pädagogischen Institutionen forscht, für zutreffend. Postings in Sozialen Medien lassen anderes vermuten. So erwähnen Menschen mit Migrationshintergrund beispielsweise unter dem Hashtag #MeTwo auf Twitter alltägliche Erfahrungen mit Rassismus und Diskriminierung.

Wie geht man mit Rassismus um?

Professor Karim Fereidooni
Professor Karim Fereidooni will Studierende für rassismuskritische Themen sensibilisierenBild: privat

Angesichts auch weiterer in vielen Medien geschilderten Beispielen, die von beleidigenden, rassistischen und antisemitischen Äußerungen bis hin zu Gewaltandrohungen und tatsächlichen Übergriffen reichen, forderte der deutsche Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in seiner Weihnachtsansprache 2019 jeden einzelnen auf, aufzustehen und dagegenzuhalten, "wenn im Bus Schwächere angepöbelt werden; wenn jemand, der anders aussieht, beleidigt wird; wenn auf dem Schulhof, in der Kneipe rassistische Sprüche fallen."

Auch die Universitäten suchen noch ihren Umgang, sagt Fereidooni: "Ich glaube, Rassismuskritik ist ein zartes Pflänzchen. Es wächst zwar derzeit, aber ich kenne nach wie vor nur zehn Kolleg*innen in Deutschland, die mit Lehrer*innenbildung beschäftigt sind und dezidierte rassismuskritische Arbeit machen." Sein Ziel ist es, dass Rassismuskritik eines Tages ganz selbstverständlich zum Berufsbild gehört.

Motto "N-Wort Stoppen"

Wann Charlotte Nzimiro ihre Petition - die sich nicht nur ans Gericht, sondern auch an die Antidiskriminierungsstelle des Bundes richtet - übergeben wird, steht noch nicht fest. Sie will die Zwischenzeit nutzen, um weiter Kampagnenarbeit zu leisten. Einige Initiativen hatten sich schon im Januar zusammengeschlossen und eine erste Demonstration in Köln organisiert. Ihr Motto lautet: Das "N-Wort Stoppen".

Dies ist eine anlässlich der Hamburger Demonstration aktualisierte Fassung des bereits Mitte Februar veröffentlichten Artikels.